Berlin-Chemie Newsletter vom 29. Juni 2023

Berlin-Chemie Newsletter vom 29. Juni 2023

Interview:

  • Digitale Atemtherapie bequem von zu Hause
    EinBlick sprach mit Baturay Yalvaç über ein Start-up, das bei Atemwegserkrankungen wie COPD digitale Unterstützung leistet

Kurzstrecke:

  • Nationaler Hitzeschutzplan nach einem Modell aus Frankreich
    Blaupause mit Handlungsempfehlungen und verbindlichen Maßnahmen

  • Ältere Mediziner:innen und neue Herausforderungen in der Versorgung
    Ärztemangel trotz steigender Approbationen

  • Risiken durch Künstliche Intelligenz (KI)
    Regeln sollen globale Gefahren vermindern

  • Apotheken dürfen kostengünstige Biologika bei Autoimmunerkrankungen verwenden
    Neue Regelung des G-BA

Young Health:

  • Neue Software soll Scan-Zeit für MRT-Untersuchungen verkürzen
    EinBlick sprach mit Shelly Lee über Produkte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Start-up Telegram

Meldungen:

  • Krankenhaus Rating Report 2023
    Wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich 2021 verschlechtert

  • Studie der Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. zeigt
    Umsetzung von Klimaschutz im Gesundheitswesen kaum vorangekommen

  • Data for Health Conference 2023
    Gemeinsame Datennutzung, Interoperabilität und Weiterentwicklung von KI

  • Versorgungsnotstand in der HNO-Medizin
    Kinder werden aus Kostengründen nicht operiert


Interview:

Digitale Atemtherapie bequem von zu Hause

EinBlick sprach mit Baturay Yalvaç über ein Start-up, das bei Atemerkrankungen wie COPD digitale Unterstützung leistet


 

Baturay Yalvaç

ist Mitgründer und COO des Start-ups Breathment, das eine Therapie App für Atemwegserkrankungen anbietet. Das im Jahr 2021 gegründete Unternehmen entstand aus einem Hackathon während der Coronapandemie. Yalvaç stammt aus Istanbul, hat an der Technischen Universität München studiert und hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Maschinenwesen, Schwerpunkt Medizintechnik. Vor der Gründung von Breathment arbeitete Yalvaç als Berater in der Medizintechnikbranche in Nürnberg.

 

 

Was war Ihre Motivation zur Gründung eines Start-ups?
Auf einem Hackathon – während der Coronapandemie – sollten Lösungen, die der Bevölkerung helfen konnten, entwickelt werden. Eine Bekannte, die gehört hatte, dass man Atemübungen machen sollte, gab den Ausschlag, weil sie nicht wusste, wie sie diese Übungen richtig ausführen sollte. Wir haben zu dritt – zwei Entwickler und ein Medizintechniker – überlegt, wie wir hier vorgehen können. Dazu haben wir einen Algorithmus aufgebaut, der mit einer Handykamera die Atemmuskeln von Menschen detektiert und ihnen so hilft, ihre Übungen richtig auszuführen. Mit dieser Idee haben wir den Hackathon gewonnen und danach mit Ärzt:innen, Therapeut:innen und Patient:innen geredet. Dabei haben wir festgestellt, dass es einen großen Bedarf an Lösungen für Menschen mit Atemwegserkrankungen gibt, und haben unser Produkt weiter ausgebaut.

Wie funktioniert die Lösung?
Mittlerweile ist aus der Idee eine Rehabilitationsplattform geworden, die aus zwei gekoppelten Softwarelösungen besteht. Die erste ist eine KI-basierte, mobile Patientenapplikation, die wir auf den vor drei Jahren erfundenen Kerntechnologien aufgebaut haben. Die zweite ist eine Telemonitoringsoftware für Ärzt:innen und Therapeut:innen, mit der sie die Therapie ihrer Patient:innen überprüfen und steuern können. Dabei gibt es unterschiedliche Module, doch die rehabilitativen Atem- und Körperübungen sind der wichtigste Bereich. Inzwischen haben wir die Algorithmen so erweitert, dass wir nicht nur die Atemmuskeln, sondern auch die Bewegungen der Patient:innen einbeziehen. So können sie ihre Übungen allein zu Hause bzw. überall und zu jeder Zeit durchführen.

Für welche Atemwegserkrankungen ist die Plattform konzipiert?
Wir haben festgestellt, dass COPD, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, sehr verbreitet ist. In Deutschland gibt es circa sechs Millionen Betroffene. Deshalb haben wir diese Zielgruppe als erste beleuchtet und eine Lösung für die Zeit nach einem Krankenhausaufenthalt geschaffen, weil hier die Rehabilitation besonders wichtig ist. Ebenso bieten wir eine präventive Langzeitbehandlung für COPD-Patient:innen an.

Welche Geräte benötigen Patient:innen?
Die Anwendung soll so einfach wie möglich sein. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass die Nutzer:innen nur ein Smartphone benötigen, inklusive Internetzugang. Vorhandene Therapiegeräte wie Inhalatoren und Atemtrainer können natürlich weiterhin bzw. während der Therapie genutzt werden.

Wie werden Ärzt:innen und Therapeut:innen einbezogen?
Wir wollten uns von anderen Anbietern auf dem Markt abheben und haben deshalb eine kombinierte Plattform für Erkrankte und Fachpersonal geschaffen. In die Telemonitoringsoftware für das medizinische Personal fließen alle Daten ein, die bei den Übungen entstehen. So haben die Therapeut:innen die Möglichkeit, die Erfolge ihrer Patient:innen zu verfolgen und zu steuern. Wenn jemand die Übungen sehr gut macht, kann man die Therapie intensiver einstellen; und wenn die Symptome schlimmer werden oder die Leistung sinkt, kann man intervenieren. Zudem fehlen bei COPD-Patient:innen oft Compliance und Adhärenz, Aktivität und Therapietreue sind schwierig. Um hier vorzubeugen, geben wir Hinweise, falls jemand zu wenig aktiv ist. Im Notfall melden wir uns auch telefonisch, damit die Therapie erfolgreich verläuft.

Welches Geschäftsmodell verbirgt sich hinter Breathment?
Nach einem Klinikaufenthalt sind Menschen oft auf sich allein gestellt, daher setzen wir zunächst hier an. So arbeiten wir mit Kliniken und Krankenkassen zusammen, damit kürzlich entlassene Patient:innen eine digitale Anschlusstherapie erhalten. Aktuell läuft ein Innovationsfondsantrag für ein Forschungsprojekt mit vier Kliniken. Daneben kümmern wir uns um die Langzeitbetreuung insbesondere von jüngeren COPD-Patient:innen, damit diese lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen und möglichst nicht in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Hier arbeiten wir mit Kassen zusammen, die CE-Zertifizierung unseres Produkts erfolgt hoffentlich im Juli, danach kann es auch erstattet und aus den App-Stores heruntergeladen werden.

Was wollen Sie in den nächsten Jahren erreichen?
Unser Ziel ist es, bei COPD und anderen chronischen Erkrankungen der Atemwege eine ganzheitliche Plattform bereitzustellen, die gleichermaßen für Prävention und Rehabilitation sorgt. Ferner wollen wir nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit und später in den USA agieren mit dem Ziel, dass Versorgungslücken in wichtigen Bereichen geschlossen werden.


Kurzstrecke

 

Nationaler Hitzeschutzplan nach einem Modell aus Frankreich

Blaupause mit Handlungsempfehlungen und verbindlichen Maßnahmen

Eine gemeinsame Initiative der Bundesärztekammer und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) will die Ärzteschaft für einen Hitzeschutzplan sensibilisieren. So begrüßt Dr. Susanne Johna, erste Vorsitzende des Marburger Bundes, die Ankündigung aus dem Bundesgesundheitsministerium, einen solchen Plan für Deutschland zu erstellen.

Notwendig sind Handlungsempfehlungen und verbindliche Maßnahmen wie das Ausweisen kühler Räume insbesondere in Heimen, Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen. Ein besonderer Fokus soll dabei auf älteren Menschen, Säuglingen, Schwangeren, chronisch Kranken und Arbeitskräften im Freien liegen, da sie durch Hitzewellen stärker betroffen sind. Ein Modell aus Frankreich liegt vor, das als Blaupause dienen kann. Die konkrete Umsetzung sollen die Kommunen leisten.

 

Ältere Mediziner:innen und neue Herausforderungen in der Versorgung

Ärztemangel trotz steigender Approbationen

Obwohl Baden-Württemberg einen Anstieg approbierter Ärzt:innen verzeichnet, steht das Land dennoch zunehmend vor einer Versorgungsproblematik. Laut Statistik der Ärztekammer sind fast 25 Prozent der berufstätigen Ärzt:innen 60 Jahre oder älter. Gründe für den Mangel an ärztlichem Nachwuchs sind veränderte Arbeitsbedingungen und ein geändertes Berufsverständnis. Viele junge Ärzt:innen scheuen die Eröffnung einer eigenen Praxis aufgrund langer Arbeitszeiten und des hohen Bürokratieaufwands. Zudem arbeiten immer mehr Ärzt:innen in Teilzeit.

Die steigenden Anforderungen an die Gesundheitsversorgung aufgrund des demografischen Wandels der Gesellschaft erhöhen den Bedarf an Ärzt:innen als Fundament einer guten Patientenversorgung, aber auch die Herstellung entsprechender Regularien. So fordert die baden-württembergische Landesärztekammer die Politik auf, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen und das Vertrauen in den Beruf zu stärken. Die aktuellen Maßnahmen wie zusätzliche Studienplätze seien ein guter Ansatz, aber es brauche langfristige Lösungen, um die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu sichern.

 

Risiken durch Künstliche Intelligenz (KI)

Regeln sollen globale Gefahren vermindern

Verschiedene Experten sehen in den neuesten hochentwickelten KI-Technologien eine mögliche Gefahr für die Menschheit. Diese Risiken könnten ohne (politische) Regulierung nicht beherrschbar sein. So unterzeichnete unter anderem Sam Altmann, Erfinder des ChatGPT und CEO von Open AI, folgende kurze Stellungnahme: »Das Risiko einer Vernichtung durch KI zu verringern sollte eine globale Priorität neben anderen Risiken gesellschaftlichen Ausmaßes sein, wie etwa Pandemien und Atomkrieg.«

Weitere CEOs aus der KI-Branche, beispielsweise Elon Musk, unterzeichneten bereits davor einen offenen Brief, der eine Auszeit bei der Entwicklung von KI vorschlägt. Mögliche Gefahren der KI liegen beim Einsatz in der Kriegsführung aus der Luft, der Entwicklung neuer Chemiewaffen, der Verbreitung von Falschinformationen und der kompletten Abhängigkeit von Maschinen. In der geplanten Auszeit sollen Regeln für diese Technologie erarbeitet werden.

 

Apotheken dürfen kostengünstige Biologika bei Autoimmunerkrankungen verwenden

Neue Regelung des G-BA

Bei Autoimmunerkrankungen benötigen Patient:innen oft biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, Biologika genannt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun die Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung geregelt und entschieden, dass Apotheken den preisgünstigsten Wirkstoff wählen und damit auf ein anderes Produkt ausweichen können. Der Beschluss wird nun dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt. Vorbehaltlich der Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger treten die Regelungen dann frühestens im Oktober 2023 in Kraft. »Steht ein Arzneimittel mit Rabattvertrag der Krankenkasse der oder des Versicherten zur Verfügung, ist damit die Wirtschaftlichkeit sichergestellt und ein weiterer Kostenvergleich ist dann nicht notwendig«, heißt es seitens des G-BA.

Wesentliche Voraussetzung für den Austausch gegen ein preisgünstigeres Produkt ist, dass das ärztlich verordnete mit dem von der Apotheke verarbeiteten Fertigarzneimittel mindestens in den selben Applikationsarten übereinstimmt. Zudem ist eine Übereinstimmung mindestens für die Anwendungsgebiete des verordneten Fertigarzneimittels notwendig.


EinBlick zum Hören

Der wöchentliche Podcast ergänzt unseren EinBlick Newsletter.

 

EinBlick – Der Podcast präsentiert Ihnen die wichtigen gesundheitspolitischen Nachrichten der Woche immer Freitag mittags.
In gut zwölf Minuten hören Sie, was in der vergangenen Woche eine Rolle gespielt hat und was in der folgenden Woche wichtig sein wird.

Zusammen mit den tieferen Analysen des Newsletters EinBlick, sind sie stets bestens auf dem Laufenden.

EinBlick – Der Podcast immer freitags, ab 12 Uhr in allen bekannten Podcastportalen.
Die aktuelle Folge finden Sie hier: www.einblick-newsletter.de 


Young Health:

 

Neue Software soll Scan-Zeit für MRT-Untersuchungen verkürzen

EinBlick sprach mit Shelly Lee über Produkte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens

 

 

 

Shelly Lee

ist Global Business Development Manager bei dem südkoreanischen Unternehmen AIRS Medical und dort für die Region EMEA – der Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika – zuständig. Sie hat ihren Master in Wirtschaftsingenieurwesen in Seoul gemacht.

 

 

 

Was macht AIRS Medical?
Wir sind ein Unternehmen aus Südkorea, das sich auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen spezialisiert hat. Unser erstes Produkt auf dem Markt ist eine MRT-Beschleunigungssoftware. Mit dieser Software möchten wir die Scan-Zeit für Untersuchungen mit der Magnetresonanztomographie (MRT) verkürzen, während wir die Bildqualität beibehalten. Normalerweise dauert eine MRT-Untersuchung etwa 30 Minuten, aber mit unserer KI-gesteuerten Software können wir schnellere Aufnahmen in hoher Qualität generieren. Das ist sowohl für Patient:innen als auch für die Diagnose der Ärzt:innen sowie für die Effizienz der Einrichtungen von Vorteil.

In welchen Ländern ist AIRS Medical derzeit tätig?
Wir sind derzeit in Südkorea, Hongkong, Singapur, Vietnam, Indonesien, den USA und bald auch in Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Brasilien aktiv.

Wie ist das Feedback aus den Krankenhäusern und von den Ärzt:innen? Sind sie zufrieden?
Das bisher beste Feedback, das wir erhalten haben, war von einer Ärztin, die gesagt hat: »Wir können nicht mehr zu dem zurückkehren, wie wir es vorher gehandhabt haben.« Die Ärzt:innen sind von der verbesserten Bildqualität beeindruckt, da unsere Software nicht nur die Scan-Zeit verkürzt, sondern auch bessere Bilder liefert als herkömmliche Aufnahmen. Die Zufriedenheit der Ärzt:innen und Patient:innen ist hoch, und viele möchten unsere Software auf mehr Geräten und an mehr Standorten einsetzen. Unsere Konvertierungsrate liegt bei über 70 Prozent, was bedeutet, dass die meisten Kund:innen nach der Testphase unsere Software erwerben. Wir stellen sicher, dass die Einrichtungen zufrieden sind, bevor sie sich für den Kauf entscheiden. Insgesamt sind die Rückmeldungen also positiv.

Wie sehen Ihre Pläne für Deutschland aus?
Wir sind gerade dabei, den deutschen Markt zu erschließen. Wir suchen nach Pilotkunden, die an der Erprobung unseres Produkts interessiert sind. Unsere Zertifizierung wird voraussichtlich noch in diesem Jahr erfolgen. Darüber hinaus sind wir auf der Suche nach lokalen Mitarbeitenden, um unseren deutschen Kund:innen vor Ort den bestmöglichen Service bieten zu können.

Wie ist das Unternehmen aufgebaut?
Wir haben 2018 begonnen und sind jetzt seit etwa vier bis fünf Jahren aktiv. Im letzten Jahr hatten wir eine große Finanzierungsrunde. In unserem Team sind etwa 100 Mitarbeitende beschäftigt, die besten Talente Südkoreas. Unsere Expertise liegt in den Bereichen Business, Medizin und Ingenieurwesen. Zusätzlich zu unserem aktuellen Produkt arbeiten wir an einem automatischen Nadelstichroboter, der Teil unserer umfassenden Digitalisierung des Gesundheitswesens ist. Wir beginnen mit dem Diagnoseprozess, indem wir Blutentnahmen und MRT-Untersuchungen optimieren.


Startup-Telegram

 

Die Lifespin GmbH, ein Start-up für medizinische Diagnostik mit Niederlassungen in Regensburg (Deutschland) und Boston (USA), hat eine In-vitro-Lösung für Labore entwickelt, mit Hilfe derer auf Basis einer proprietären KI-gesteuerten Technologie Schwankungen im Stoffwechsel von Patient:innen analysiert werden können, um Kliniker:innen tiefere Einblicke in die Gesundheit und das Wohlbefinden von Patient:innen zu geben. Über eine firmeneigene Biobank mit mehr als 200.000 Proben können einzelne Stoffwechselvorgänge quantitativ erfasst und Stoffwechselprofile digitalisiert werden. Die digitalen Profile ermöglichen ein systematisches Mapping über verschiedene Gesundheitszustände hinweg. https://lifespin.health/

Das in Lausanne ansässige Start-up Alithea Genomics verfügt über eine Technologie, die Hunderte von Ribonukleinsäure (RNA)-Proben in einem einzigen Reagenzglas verarbeiten kann. Dadurch werden Reagenzienverbrauch und manueller Arbeitsaufwand verringert. Die RNA-Sequenzierung im Bereich der Genomik und der therapeutischen Arzneimittelprüfung gewinnt stark an Bedeutung, kann aber bislang nicht wirtschaftlich erfolgen. Hier setzt dieses neue Modell namens Microfluidic Pooling Lid an.  https://alitheagenomics.com

Das Baseler Start-up Momm Diagnostics möchte einen innovativen Point-of-Care-Test für die Präeklampsie-Diagnostik einführen. Ähnlich wie ein Schwangerschaftstest soll er minimalinvasiv direkt in einer Arztpraxis durchgeführt werden können. Dabei ist er empfindlicher als die bisher gebräuchlichen Lateral-Flow-Immunoassays (LFIAs) und kann die Krankheit durch die Analyse zweier spezifischer Biomarker im mütterlichen Blut in einem sehr frühen Stadium erkennen. https://www.mommdiagnostics.com/


Meldungen

 

Krankenhaus Rating Report 2023

Wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich 2021 verschlechtert

Die finanzielle Situation deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2021 erneut verschlechtert, wobei elf Prozent der Kliniken sich im ›roten Bereich‹ befanden und ein erhöhtes Insolvenzrisiko aufwiesen. Zudem verzeichneten 32 Prozent der Krankenhäuser auf Konzernebene einen Jahresverlust. Das sind zentrale Ergebnisse des Krankenhaus Rating Reports 2023.

Gründe für die schlechte finanzielle Lage der Krankenhäuser sind laut Report die Abnahme der Ausgleichszahlungen im Zuge der COVID-19-Pandemie und das weiterhin niedrige Leistungsniveau der Krankenhäuser. Die Kliniken schließen diese finanzielle Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft, sodass es zu einem Substanzverzehr kommt, der auch in den Bilanzen deutlich sichtbar wird. Besonders stark war dieser Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern. Bezogen auf die Erlöse sank das Sachanlagevermögen in Westdeutschland zwischen 2007 und 2021 um fast 15 Prozent, in Ostdeutschland um 40 Prozent.

Für Ostdeutschland zeigt das Rating der Jahresabschlüsse eine signifikante Verbesserung, während es in Bayern und Baden-Württemberg am schlechtesten ausfällt. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft erzielen sowohl beim Rating als auch bei der Ertragslage deutlich bessere Ergebnisse als öffentlich-rechtliche Kliniken. Dennoch hat sich die Ertragslage privater Krankenhäuser im Jahr 2021 im Vergleich zu 2019 verschlechtert, während sie bei öffentlich-rechtlichen Kliniken nur geringfügig zurückging und bei freigemeinnützigen Häusern sogar anstieg. Ein deutlich besseres Rating und eine verbesserte Ertragslage wurden auch bei größeren Kliniken, Klinikketten, Krankenhäusern mit mittlerem und hohem Spezialisierungsgrad sowie bei Einrichtungen mit einem höheren Case Mix Index (CMI) festgestellt.

Positiv zu vermelden ist, dass die Bedeutung einer akademischen Ausbildung in der Pflege zunimmt. So ist der Anteil der Pflegekräfte mit einem akademischen Berufsabschluss von 2015 bis 2022 von zwei auf fünf Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat sich die Vergütung von Pflegekräften zwischen 2015 und 2021 spürbar verbessert. Besonders hohe Pflegelöhne sind im Saarland und in Baden-Württemberg zu verzeichnen, da beide Länder an die Hochlohnländer Luxemburg und Schweiz angrenzen. Während die Beschäftigungsdauer im ärztlichen Dienst zwischen 2015 und 2021 nahezu unverändert blieb, ist sie bei Pflegeberufen deutlich gesunken.

 

Studie der Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. zeigt

Umsetzung von Klimaschutz im Gesundheitswesen kaum vorangekommen

Die Umsetzung der Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages im Jahr 2021 zum Thema ›Klimaschutz ist Gesundheitsschutz‹ ist laut dem Centre for Planetary Health Policy, gegründet durch die Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., nur langsam vorangekommen, obwohl der Anteil der Ärzt:innen, die Klimaschutzmaßnahmen in ihrer Arbeit umsetzen, gestiegen ist. In einer Umfrage benennen Ärzt:innen Hindernisse wie Hygienevorschriften und Vergütungssysteme.

Um den Klimaschutz in der ärztlichen Praxis zu verbessern, fordert die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. bessere Rahmenbedingungen, Anreize und Empfehlungen von Politik, Selbstverwaltung und Fachgesellschaften. Viele der Befragten wünschen sich Fort- und Weiterbildungen sowie Informationen und Initiativen seitens der Bundesärztekammer, der Landesärztekammern und der medizinischen Fachgesellschaften. Ein Großteil der Ärzt:innen ist noch nicht ausreichend über bestehende Angebote zu klimarelevanten Themen informiert.

Trotz der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr wurde ein verbessertes Hitzevorsorgekonzept in der ärztlichen Praxis kaum umgesetzt, obwohl die Mehrheit der Befragten gesundheitliche Auswirkungen von Hitze bei ihren Patient:innen beobachtete. Den meisten Ärzt:innen fehlten nach wie vor geeignete Informationsmaterialien und Fortbildungen zu diesem Thema.

In der Umfrage wurden konkrete Beispiele und Vorschläge zur Umsetzung nachhaltiger Lösungen in der ärztlichen Praxis genannt. Einige Ärzt:innen haben sich bereits mit Kolleg:innen zu klimarelevanten Themen vernetzt, während andere sich Netzwerke wünschen, die sich auf konkrete Projekte konzentrieren, möglicherweise von den Kassenärztlichen Vereinigungen. Vorgeschlagen wurde auch, klimarelevante Aspekte in das Qualitätsmanagement zu integrieren. In Bezug auf klimafreundliche Gebäude wurde auf die Notwendigkeit finanzieller Anreize für Gebäudesanierungen sowie auf Vorgaben für klimafreundliches (Neu-)Bauen hingewiesen. Einige Ärzt:innen lehnen Klimaschutz jedoch auch ab oder sehen keinen Spielraum für Maßnahmen im Gesundheitssektor. Eine Mehrheit der Befragten beschrieb jedoch fehlende Kapazitäten und Ressourcen aufgrund finanzieller und zeitlicher Belastungen als Barrieren für die Ausweitung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen.

Auch auf dem 127. Deutschen Ärztetag im Mai dieses Jahres war Klimaschutz im Gesundheitswesen erneut Thema und es wurden die Rolle der Ärztekammern und Fachgesellschaften diskutiert sowie die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Hygienevorschriften, um die Umsetzung von Klimaschutz und -anpassung in der ärztlichen Praxis zu beschleunigen.

 

Data for Health Conference 2023

Gemeinsame Datennutzung, Interoperabilität und Weiterentwicklung von KI

Die Forschung an internationalen Gesundheitsdaten gestaltet sich schwierig. Damit Daten gesichert sind, aber trotzdem mehr Forschung mit ihnen möglich wird, veranstaltete das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit der Harvard Medical School einen internationalen Gesundheitsdatenkongress.

Am 20. und 21. Juni 2023 kamen in Berlin zahlreiche Expert:innen zu diesem Themenkomplex aus Deutschland, den USA und Europa zusammen. Sie diskutierten über Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Nutzung von Gesundheitsdaten innerhalb und außerhalb europäischer Grenzen. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach eröffnete die Konferenz, auf der die gemeinsame Nutzung von Gesundheitsdaten, die Interoperabilität von Datensammlungen und der Einsatz von Daten für die Weiterentwicklung von KI wichtige Themen waren.

Laut Lauterbach sollen Wege für die Einführung von Rahmenbedingungen gefunden werden, damit die Forschung an Patientendaten einfacher werden kann bei gleichzeitiger hoher Datensicherheit. Wissenschaftler:innen bräuchten praxistaugliche Hilfen und eine Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, die rechtssichere Verträge ermögliche. Auch die Konferenzteilnehmer:innen forderten konkrete Instrumente auf EU-Ebene, um den transatlantischen Datenzugang zwischen Behörden und öffentlichen Forschungseinrichtungen rechtssicher zu gestalten. Die Regierung und Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützen dieses Vorhaben. So sollen nun Verfahren, Mustertexte und Vorlagen für einen rechtssicheren Datenzugang entwickelt werden.

Noch dürfen europäische Gesundheitsdaten die EU nicht verlassen. Jochen Lennerz von der Harvard Medical School erklärte, Deutschland habe als Land der Ingenieure einen guten Ruf in den USA. Nicht nachvollziehbar sei allerdings, dass deutsche Krebsforscher:innen z.B. über das Cancer Genome Atlas Program (TCGA) auf Daten aus den USA zugreifen könnten; amerikanische Forscher:innen dürften europäische Daten bisher jedoch nicht nutzen.

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Versorgungsnotstand in der HNO-Medizin

Kinder werden aus Kostengründen nicht operiert

Zahlreiche HNO-Ärzt:innen protestieren gegen eine zu geringe Vergütung bei ambulant durchzuführenden Operationen und behandeln Kinder nicht mehr mit notwendigen Operationen. Viele Eltern sind verzweifelt, der GKV-Spitzenverband verweist auf die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen.

105 Euro beträgt die Vergütung für eine ambulante Adenotomie mit Paukenröhrchen (kindliche Polypen) bei niedergelassenen HNO-Ärzt:innen seit der Reform im letzten Oktober. Auch die Honorare für ähnliche Operationen, beispielsweise die Tonsillotomie (Teilentfernung der Gaumenmandel) wurden reduziert. Weil diese Leistungen, die hauptsächlich bei Kindern erfolgen, nicht mehr wirtschaftlich sind, hat der Berufsverband der HNO-Ärzt:innen zum Boykott aufgerufen. Vom Honorar müssen OP-Materialien, Mieten, Personalkosten für die OP-Assistenz, Instrumentenanschaffung und -aufbereitung, Wartungskosten für die OP-Technik, Haftpflichtversicherung und Fahrtkosten abgezogen werden. Zudem ist der zeitliche Aufwand bei einer kindlichen Operation enorm hoch. 

Die gesetzlichen Krankenkassen verstehen diese Sorgen nicht, da »die Festlegung der Vergütungen auf betriebswirtschaftlicher Kalkulation beruht. Wenn Ärzt:innen ein durchschnittliches Leistungsspektrum erbringen, muss eine einzelne Position nicht kostendeckend sein«, sagt ein GKV-Sprecher. Doch Mischkalkulation gibt es bei vielen ambulant operierenden Mediziner:innen nicht, da sie hauptsächlich die gleichen Eingriffe vornehmen. Im Endeffekt leiden Kinder und Eltern unter dieser Situation, da sie keine oder nur in weiter Zukunft liegende Operationstermine erhalten bzw. in überlastete Kliniken ausweichen müssen. Die GKV rät betroffenen Eltern, sich an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu wenden. Die Politik sollte hier zügig bessere Lösungen schaffen.

Die HNO-Ärztin Farini-Weber aus Essen bestätigt: »Auch unsere Praxis muss bei jeder kindlichen Operation finanziell zuzahlen. Weil die Eingriffe so wichtig sind, führen wir sie trotz der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen weiter durch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Krankenkassen nur noch so wenig bezahlen. Diese Kürzungen auf dem Rücken der Kleinsten sind traurig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Folgen einer länger anhaltenden Hörminderung oder Sprachentwicklungsverzögerung für die gesamte Gesellschaft erheblich sind!«


Bemerkt

 

 

»Wir haben kein Einnahmenproblem, die Kasseneinnahmen waren nie so hoch wie heute. Wir haben ein Ausgabenproblem, das System ist ineffizient.«

 

Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion beim Hauptstadtkongress 2023

 

 


Weiterlesen

 

Schlüssel zur Chemotherapieresistenz bei Darmkrebs entdeckt

In einer neuen Studie haben Forscher:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität des Saarlandes herausgefunden, dass ein bestimmtes Protein nicht nur das Wachstum von Darmkrebs fördert, sondern ihn auch resistent gegen gängige Chemotherapien macht. Das Forschungsteam analysierte über 140 Gewebeproben von Darmkrebspatient:innen und stellte einen Zusammenhang zwischen der Konzentration des Proteins namens „IGF2BP2“ und den Eigenschaften der Tumore fest. Diese Erkenntnisse könnten zukünftig dazu beitragen, bessere Diagnoseverfahren und möglicherweise neue Therapien zu entwickeln. „Denkbar ist der Einsatz als Biomarker, also als Test, um frühzeitig die Eigenschaften des Tumors zu bestimmen und die Therapie daran auszurichten“, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Sonja Keßler vom Institut für Pharmazie der MLU. Denn "in frühen Stadien lässt sich Darmkrebs relativ gut operativ entfernen und ist somit oft heilbar“. Außerdem könnten auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse Wirkstoffe entwickelt werden, die in den Tumoren gezielt die Aktivität des Proteins blockieren und so vielleicht die Resistenz gegenüber Chemotherapeutika aufheben.
Darmkrebs ist laut Robert Koch-Institut eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. 2019 erkrankten 58.967 Männer und Frauen daran.

Hier können Sie die Studie nachlesen https://molecular-cancer.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12943-023-01787-x


Empfehlung

 

Probleme erkennen, Profession entwickeln, Potenziale fördern

Das Buch ›Zukunft der Pflege im Krankenhaus gestalten‹ bietet einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen in der Pflege aus verschiedenen Perspektiven und enthält konkrete Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Pflege. Die Buchbeiträge thematisieren verschiedene Probleme, mit denen die Pflege im Krankenhaus heutzutage konfrontiert ist, wie beispielsweise finanzielle Engpässe und die Auswirkungen der Krankenhausreform. Es wird aufgezeigt, dass die Pflege oft als Kostenfaktor betrachtet, die Ärzteschaft jedoch als Erlösfaktor angesehen wird.

Das Buch beleuchtet auch die Auswirkungen der Ausgliederung des Pflegebudgets aus der DRG-Vergütung und die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung. Zudem wird auf Vorurteile gegenüber der Pflege im Krankenhaus eingegangen, die eine positive Entwicklung erschweren, sowie die Rolle der Pflege in der Gesetzgebung und den politischen Diskussionen zur Krankenhausreform.

Weitere Informationen finden Sie hier https://www.medhochzwei-verlag.de/Shop/ProduktDetail/Zukunft-der-Pflege-im-Krankenhaus-gestalten-978-3-86216-925-2


Zuletzt:

 

Große Mehrheit fordert Reformen im deutschen Gesundheitswesen

Eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland grundlegende Reformen im Gesundheitswesen für dringend erforderlich hält. Neun von zehn Befragten in Deutschland sehen eine Notwendigkeit für grundlegende Veränderungen. Die Hauptgründe für diese Forderung liegen in den bestehenden Herausforderungen, mit denen das Gesundheitssystem konfrontiert ist. Dazu gehören steigende Kosten, lange Wartezeiten und Personalmangel. Insbesondere die ungleiche Verteilung von Ressourcen und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten werden von vielen als inakzeptabel angesehen. Die Befragten sind sich einig, dass eine umfassende Reform notwendig ist, um eine bessere Gesundheitsversorgung für alle Bürger:innen sicherzustellen. Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur des Gesundheitssystems, der Ausbau von medizinischen Einrichtungen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das medizinische Personal.

Die Befragungsergebnisse verdeutlichen auch, wo nach Meinung der Bevölkerung Verbesserungsbedarf liegt: »Drei Viertel der Menschen sind überzeugt, dass die gegenseitige Blockadehaltung der Akteure eine Ursache für den Reformstau im Gesundheitswesen ist«, sagt Brigitte Mohn, Vorständin der Bertelsmann Stiftung. »Tatsächlich müssen alle Beteiligten stärker nach Lösungen suchen als Veränderungen abzulehnen.«

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