Berlin-Chemie Newsletter vom 28. April 2022

Berlin-Chemie Newsletter vom 28. April 2022

Interview:

  • yeswecan!cer
    EinBlick sprach mit Alexandra von Korff über die digitale Selbsthilfe-App speziell für Krebspatient:innen und Angehörige

Kurzstrecke:

  • 18 neue Projekte zu medizinischen Leitlinien gefördert
    Gemeinsamer Bundesausschuss veröffentlicht Liste

  • MVZ in Bayern erhalten höhere Honorare als Einzelpraxen
    Studie des IGES Instituts zeigt Unterschiede auf – BMVZ kritisiert Studie

  • Mehr Telemonitoring bei Herzinsuffizienz
    Programm Cordiva+ läuft seit Anfang 2022

  • Weniger Papier, mehr digitale Prozesse
    Was passiert mit meiner Praxis, wenn der Ruhestand bevorsteht?

Interview:

  • Ausgezeichnete Gesundheit – Leuchtturmprojekte
    EinBlick sprach mit Silke Utz und Sarah Fischer über zwei vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) ausgezeichnete Versorgungsprojekte

Start-up Telegram

Meldungen:

  • Entlastung in Krankenhäusern
    Gutachten empfiehlt 2.500 Leistungen ambulant durchzuführen

  • Klimawandel und Gesundheit
    Studie zeigt Wissensunterschiede in der Bevölkerung

  • Doktor-on-Demand
    Medizinischer Sofort-Service aus Schweden als Vorbild für Deutschland

  • Selbst ist die Frau/der Mann
    Globales Telemedizinkonzept nutzt Versorgungswürfel

  • Medizin am Handgelenk?
    Wie Smartwatches Herz-Kreislauf-Patient:innen helfen



Interview

 

yeswecan!cer

EinBlick sprach mit Alexandra von Korff über die digitale Selbsthilfe-App speziell für Krebspatient:innen und Angehörige

 

Alexandra von Korff

ist Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens yeswecan!cer gGmbH. Sie war selbst Brustkrebspatientin und ist Podcasterin ihres eigenen Podcasts ›2 Frauen – 2 Brüste‹, in dem sie mit ihrer Kollegin Paulina Ellerbrock über die Diagnose und Behandlung von Brustkrebs spricht.

 

Sie können sich das Interview als EinBlick – Nachgefragt hier anhören: https://t1p.de/8hnp

 

Frau von Korff, Yeswecan!cer setzt sich für Menschen mit Krebs ein. Was macht die Organisation genau?
Wir sind eine digitale Selbsthilfegruppe – so nennen wir uns immer ganz gerne. Diese ist 2018 rund um unseren Gründer Jörg Hoppe entstanden. Die Idee war, dass man das Tabu um das Thema Krebs und die Angst, darüber zu sprechen, brechen wollte. Während seiner Krebstherapie hatte Jörg Hoppe gemerkt, dass er plötzlich ziemlich allein war.
Deshalb ist uns der Vernetzungsgedanke so wichtig. So entstand die Idee, eine App zu entwickeln, in der sich Krebspatient:innen und Angehörige miteinander vernetzen können.

Das Herzstück ist also die App?
Ganz genau. Wir sind sehr stolz auf unsere App. Damit greifen wir zum einen den Vernetzungsgedanken auf, der hilfreich ist, denn es ist natürlich immer schwierig, jemanden zu finden, der genau die gleiche Krankheit hat und auch am gleichen Ort wohnt. Das Besondere bei uns ist jedoch, dass sich nicht nur die Patient:innen vernetzen können, sondern auch deren Angehörige. Für diese ist es häufig noch viel schwieriger, Personen zu finden, die in der gleichen Situation sind. Zum anderen bespielen wir in der App verschiedene Themen. Wir haben regelmäßige Live-Formate, in denen Patient:innen und Angehörige mittels der App Fragen an Expert:innen stellen können. Da geht es dann um verschiedene Krebsthemen. Das können krankheitsspezifische Fragen oder übergreifende Themen sein wie zum Beispiel Fatigue. Daneben hat unsere App eine Funktion, bei der sich Interessierte bestimmten Themen der Gruppe anschließen können. Und als Drittes haben wir verschiedene Coaches in die App integriert. Diese beantworten individuell Fragen rund um Diagnose und den Alltag mit Krebs. Das sind oft keine Ärzt:innen, sondern Pflegekräfte, die in der Nähe sind und im Bereich der Chemotherapie bereits gearbeitet haben.
 
Warum sind digitale Selbsthilfegruppen so wichtig?

Ob Pandemie oder Erkrankung –manchmal sind die Betroffenen, ob freiwillig oder unfreiwillig, an einen festen Ort gebunden. Uns ist es wichtig, dass wir trotzdem jede:n erreichen können. Man hat also die Hilfe sozusagen in der Hosentasche. Damit kann man übrigens auch eine lokale Selbsthilfegruppe finden, das heißt, wir wollen digital und analog miteinander verbinden. Wir sehen uns im Bereich von digitalen Selbsthilfegruppen auch als Wegweiser, damit jede:r ein Angebot findet, das genau zu ihr oder ihm passt.
Deshalb legen wir Wert darauf, dass all unsere Formate hybrid sind, damit jede:r teilhaben kann, auch wenn eine Person gerade in der Chemo oder einer Reha ist. Unser Signal: »Du bist nicht alleine!«

Yeswecan!cer wird von berühmten Persönlichkeiten unterstützt wie Joko Winterscheidt oder Susan Sideropoulos. Was ist deren Motivation?
Wir haben das Glück, dass uns sehr viele Leute mit Reichweite unterstützen. Es ist aber nicht so, dass die Reichweite das zentrale Thema ist, sondern die Gründe sind eigentlich andere. Viele haben unseren Gründer Jörg Hoppe während der eigenen Krankheit kennengelernt und haben oft auch eine persönliche Geschichte. Sowohl Joko Winterscheidt als auch Susan Sideropoulos haben je ein Elternteil durch Krebs verloren. Und das schon in sehr jungen Jahren. Aus so einem Grund kommen viele Menschen auf uns zu und sagen, dass es schön ist, wie wir über Krebs sprechen. Sie sind oft selbst betroffen und haben den Wunsch, sich einzubringen und uns zu unterstützen. Das nehmen wir sehr gerne an.

Was sind Ihre Vorhaben für 2022?
Wir starten, wo wir 2019 aufgehört haben. Damals hatten wir eine Veranstaltung zum Thema ›Glioblastom‹ an der Charité Berlin. Ziel war es, zu einer ganz bestimmten Krebsart Patient:innen, Angehörige und Expert:innen zusammenzubringen. Jetzt, da die Corona-Beschränkungen aufgehoben sind, wollen wir diese Vernetzung wieder aufgreifen. Im Juni veranstalten wir ein Event zum Thema ›Testung‹ im Bereich von Brustkrebs und Lungenkrebs. Im Herbst planen wir eine Veranstaltung speziell zum Thema Hautkrebs.

Was ist Ihre persönliche Motivation?
Ich bin 2017 an Brustkrebs erkrankt. Damals habe ich bemerkt, dass das Thema Krebs ein großes Tabuthema ist. Deshalb habe ich angefangen darüber zu bloggen und einen Podcast zu starten. Der Podcast heißt ›2 Frauen – 2 Brüste‹. Über diese Arbeit als Patient:innenvertreterin habe ich gemerkt, dass mich das sehr erfüllt. Für mich ist diese Arbeit sehr sinnstiftend. Wenn sich im Ergebnis meiner Arbeit nur zwei Frauen die Brüste abtasten lassen, dann hat sich das schon gelohnt. Ich wollte einfach nicht nur mit Geld und Zahlen arbeiten. Und so einen Job habe ich bei yeswecan!cer gefunden. Das ist mein absolutes Herzensprojekt.


Kurzstrecke

 

18 neue Projekte zu medizinischen Leitlinien gefördert

Gemeinsamer Bundesausschuss veröffentlicht Liste

18 neue Projekte zu medizinischen Leitlinien werden ab sofort vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert. Das hat der G-BA nun bekanntgegeben. Dabei liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung von medizinischen Leitlinien. Die ausgewählten Projekte verteilen sich auf die Kategorien Versorgung bei seltenen Krankheiten, Versorgung bei häufigen Erkrankungen und Behandlung von nicht übertragbaren Krankheiten, Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie pflegebedürftigen Menschen und operative Eingriffe am Skelettsystem.

Die Themenfelder, in denen medizinische Leitlinienprojekte gefördert werden, gehen auf Vorschläge des Bundesministeriums für Gesundheit zurück. Die Antragstellenden müssen die Förderbekanntmachungen noch akzeptieren.

 

MVZ in Bayern erhalten höhere Honorare als Einzelpraxen

Studie des IGES Instituts zeigt Unterschiede auf – BMVZ kritisiert Studie

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Bayern rechnen je Arztgruppenfall im Vergleich zu Einzelpraxen ein um 5,7 Prozent höheres Honorarvolumen ab. Das ist das Ergebnis einer Studie des IGES Instituts für die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Bei MVZ, die im Besitz von Finanzinvestoren sind, sind es sogar 10,4 Prozent mehr Honorarvolumen im Vergleich zu Einzelpraxen. Vor allem bei MVZ der Fachrichtungen Augenheilkunde, Gynäkologie und Fachinternist:innen seien diese Steigerungen des Honorarvolumens zu beobachten. Generell würden MVZ in Bayern eine immer größere Rolle spielen. So wurde im vierten Quartal 2019 fast jeder zehnte Behandlungsfall von einem MVZ erbracht. Besonders dynamisch entwickelte sich die Anzahl der von Investor:innen betriebenen MVZ. So war jedes zehnte MVZ Ende 2019 im Besitz von Finanzinvestoren. Das IGES Institut wertete Daten von rund 178 Millionen Behandlungsfällen von knapp 12 Millionen Patient:innen aus den Jahren 2018 und 2019 aus.

Der Bundesverband medizinischer Versorgungszentren BMVZ kritisierte, dass sich die Studie trotz ihres Umfangs bei genauem Hinsehen lediglich auf rund sieben Prozent der bayerischen MVZ beziehe. Bezogen auf alle Ärzt:innen in Bayern erfasse die Betrachtungsgruppe lediglich weniger als ein Prozent. Selbst der KV-Vorstand räumt ein, dass MVZ mittlerweile in vielen Bereichen eine sinnvolle Ergänzung des Versorgung darstellten.

In einem weiteren Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr wurde übrigens keine Notwendigkeit für eine stärkere Regulierung gesehen.

 

Mehr Telemonitoring bei Herzinsuffizienz

Programm Cordiva+ läuft seit Anfang 2022

Seit Beginn dieses Jahres läuft das Programm Cordiva+, eine Neuauflage des Konzeptes Cordiva, das Patient:innen mit chronischer Herzinsuffizienz telemedizinisch begleitet. Die AOK Bayern und die SHL Telemedizin GmbH versorgten im Zeitraum von 2006 bis 2021 bereits 19.000 Erkrankte auf diese Weise. Gemeinsam wollen die beiden Organisationen das Verständnis des Telemonitoring in der Praxis voranbringen.

Die Neuerungen im Programm sollen vor allem die Nutzung vereinfachen – beispielsweise über automatische Messwertübertragung, Spracheingaben und Chatfunktion. Neben der intuitiven Unterstützung im Alltag umfasst die Neuauflage eine Videobibliothek, damit die Patient:innen den Umgang mit ihrer Erkrankung besser verstehen. Das Programm hat als Selektivvertrag nach §140a SGB V eine Laufzeit für zunächst vier Jahre – mit der Option auf Verlängerung.

 

Weniger Papier, mehr digitale Prozesse

Was passiert mit meiner Praxis, wenn der Ruhestand bevorsteht?

Ein Start-up aus München möchte Ärzt:innen bei der Digitalisierung unterstützen. Zum einen hilft das Unternehmen Avi Medical dabei, die Praxen zu modernisieren und umzubauen, zum anderen will es die papierbasierte Dokumentation komplett ersetzen. Das Angebot richtet sich vor allem an Niedergelassene kurz vor Eintritt in das Rentenalter, die ihre Praxis verkaufen oder abgeben möchten.

Für das innovative Konzept hat Avi Medical insgesamt 50 Millionen Euro von etablierten Finanzierern erhalten. Die durch das Start-up selbst entwickelte Software umfasst die digitale Terminvergabe und den Versand von Anamnesebögen, Befunden und Rezepten. Daneben steht eine Videosprechstunde zur Verfügung – beste Voraussetzungen für eine rundum digitalisierte Arztpraxis. Acht Praxen betreibt Avi Medical bereits in Deutschland.


EinBlick zum Hören: Der wöchentliche Podcast

Das neue Angebot ergänzt unseren EinBlick Newsletter.

 

EinBlick – Der Podcast präsentiert Ihnen die wichtigen gesundheitspolitischen Nachrichten der Woche immer Freitag mittags.
In gut zehn Minuten hören Sie, was in der vergangenen Woche eine Rolle gespielt hat und was in der folgenden Woche wichtig sein wird.

Zusammen mit den tieferen Analysen des Newsletters EinBlick, sind sie stets bestens auf dem Laufenden.

EinBlick – Der Podcast immer freitags, ab 12 Uhr in allen bekannten Podcastportalen.
Die aktuelle Folge finden Sie hier: www.einblick-newsletter.de 


Interview

 

Ausgezeichnete Gesundheit – Leuchtturmprojekte

EinBlick sprach mit Silke Utz und Sarah Fischer über zwei vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) ausgezeichnete Versorgungsprojekte

 

 

Silke Utz und Sarah Fischer

sind beide als Vertragsreferentinnen im Team Sonderverträge in der Abteilung Struktur & Verträge der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein tätig.

Die Diplom-Betriebswirtin Silke Utz ist seit 2012 Leiterin des Teams Sonderverträge und seit 2016 stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung Struktur & Verträge. Die ausgebildete Zahnarzthelferin hat danach ein BWL- Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen absolviert.

 

Die Sozialversicherungsfachangestellte Sarah Fischer hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre und den Master in Public Health an der Ludwig-Maximilians-Universität in München erfolgreich abgeschlossen und arbeitet seit 2013 als Vertragsreferentin in der KV.

Auf der Veranstaltung ›Ausgezeichnete Gesundheit‹ in Berlin stellten die Referentinnen zwei Leuchtturmprojekte für die ambulante Versorgung vor.

 

Sie können sich das Interview als EinBlick – Nachgefragt hier anhören: https://t1p.de/lv9ab

 

 

Frau Fischer, worum handelt es sich konkret bei dem Projekt ›ASTRaL‹ im Bereich
›Versorgung digital‹?

Das Projekt mit dem Namen ASTRaL steht für die asynchrone telemedizinische Versorgung im ländlichen Raum – in Schleswig-Holstein. Initiiert wurde es vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein bzw. vom dort ansässigen Campus für Allgemeinmedizin. Wir als KV Schleswig-Holstein sind Vertragspartner. Schwerpunkt ist die telemedizinische Versorgung im ländlichen Bereich, denn davon haben wir in unserem Bundesland recht viel. Unsere Haus- und Fachärzt:innen sollen asynchrone Konsile führen, also zeitversetzt. Das bedeutet: Sie müssen keine gemeinsamen Termine für Videosprechstunden etc. finden, um sich auszutauschen. Sie können einfach Daten versenden, um die Kommunikation zu verbessern – zum Schutz der Patient:innen und mit dem Ziel einer besseren Behandlung.

Welche Besonderheiten gibt es auf Inseln?
Ein interessantes Beispiel ist die Insel Helgoland und deren Organisation augenärztlicher Versorgung. Vor Ort wird eine ansässige MFA besonders geschult. Sie übernimmt delegierbare Aufgaben wie Voruntersuchungen mit speziellen Geräten. Diese Daten werden an Augenärzt:innen auf dem Festland übertragen, die diese diskutieren und auswerten, ohne dass die Patient:innen die Insel verlassen müssen. So werden unsere Ärzt:innen entlastet und Erkrankte können versorgt werden, auch wenn entsprechende Fachärzt:innen nicht vor Ort sind.

Frau Utz, ›die moderne Landarztpraxis› wurde als ›kreatives Versorgungsprojekt‹ ausgezeichnet, was hat es damit auf sich?
Zum einen, unser Flächenland besteht zu rund 80 Prozent aus ländlichen Regionen. Zum anderen werden in den nächsten Jahren viele unserer Hausärzt:innen in Rente gehen und ihre Praxen aufgeben. Nachfolgende Generationen wollen häufig keine Einzelpraxen auf dem Land führen, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Teampraxen sind das neue Modell, das wahrscheinlich auch besser laufen wird, weil sich die Ärzt:innen nicht mehr rund um die Uhr um ihre Patient:innen kümmern müssen, sondern gemeinsam als Team mit qualifizierten Mitarbeiter:innen die Versorgung übernehmen.

Was konkret beinhaltet diese Art der Teampraxis?
Bei uns sind die Betreibenden dieser Praxen niedergelassene Ärzt:innen und keine Investoren von Praxisketten, wie es mittlerweile oft üblich ist. Unsere Mediziner:innen bilden einen Zusammenschluss und stellen Praxisteams auf: mit MFAs, Physician Assistants, nichtärztlichen oder Weiterbildungsassistent:innen und natürlich auch mit jungen Nachwuchsärzt:innen, die in der Region bleiben möchten. Vor allem in den Gemeinden, in denen die Versorgung eher schlecht aussieht, ist dies wichtig. Um die drohende Unterversorgung zu verhindern, gibt es von uns Fördergelder für den Aufbau derartiger Teampraxen.

Inwieweit spielt die Digitalisierung hier eine Rolle?
Silke Utz: Digitalisierung ist die Zukunft. Sie wird Ärzt:innen nicht ersetzen, denn viele Untersuchungen sind nur in Präsenz an Erkrankten möglich. Aber die Digitalisierung kann Dinge ersetzen: Daten können reisen und bestimmte Befundungen lassen sich über Telemedizin und Videokonferenzen erstellen. Wundheilungen können beispielsweise auch durch MFAs beurteilt werden, die die Patient:innen vor Ort aufsuchen, während die Ärzt:innen in der Praxis bleiben und kontrollieren. Die Digitalisierung wird eine wichtige Rolle spielen, vor allem im ländlichen Raum.

Sarah Fischer: Wir haben nicht nur zu wenig Hausärzt:innen, sondern auch immer weniger Fachärzt:innen. Daher ist die Digitalisierung ein wichtiger Punkt, auch um die interdisziplinäre Kommunikation zu stärken. Wir werden nicht alle Spezialist:innen in die Fläche bekommen, doch die Wege müssen reduziert werden, für Ärzt:innen und Patient:innen. Wenn ich meine Zeit selbst einteilen kann, wie in ASTRaL, ist das eine enorme Erleichterung und bringt ggf. mehr medizinisches Personal in unsere ländlichen Regionen.


Startup-Telegram

 

Das offizielle Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat eine weitere App auf Rezept dauerhaft gelistet. Dabei handelt es sich um die fünfte HelloBetter Anwendung ›Panik‹. Das interaktive psychologische Therapieprogramm bei Panikstörungen und Agraphobien läuft über einen 12-wöchigen Online-Kurs. Dieser umfasst neben der Psychoedukation die Konfrontation mit Reizen, Symptom-Checks, Entspannungsübungen, ein Tagebuch und eine Begleit-App. https://hellobetter.de/

Eine weitere App wurde vorläufig aufgenommen: die dritte Anwendung für Menschen mit Diabetes. Vitadio zielt darauf ab, über einen multimodalen Therapieansatz bei Betroffenen ein besseres Selbstmanagement mit guter Diabeteskontrolle zu erreichen. Ein Lehrgang leitet zu einem gesunden Lebensstil an, der zur Routine werden soll. Durch die persönliche Kommunikation mit Berater:innen und einer Peer-Support-Gruppe ist die Möglichkeit für Fragen und Erfahrungsaustausch gegeben. https://vitadio.de/

Die vorläufig aufgenommenen Apps Mika (bei Krebs) und M-Sense Migräne wurden zurückgezogen. Einige Apps haben umfangreiche Preisverhandlungen hinter sich und sind nun günstiger geworden. Selfapy hat die erste von ihren drei Apps, den Online-Kurs bei Depression, dauerhaft im Verzeichnis etablieren können. Somit werden nun 31 Apps gelistet, die Gesamtzahl der aufgenommenen DiGA beträgt 33. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/1513

Ein Start-up aus München bringt die Augmented Reality in die Pharmaindustrie. Goodly Innovations möchte durch eine eigens entwickelte Software und zugehörige Datenbrillen Fehler bei Produktionsmitarbeiter:innen in der Pharmabranche vermeiden. Die Beschäftigten erhalten konkrete Anweisungen und Hinweise direkt ins Sichtfeld der Brille projiziert. So werden auch schnellere Schulungen ermöglicht. https://www.goodly-innovations.com/
 

 


Meldungen

 

Entlastung in Krankenhäusern

Gutachten empfiehlt 2.500 Leistungen ambulant durchzuführen

Krankenhäuser könnten durch mehr ambulante Eingriffe entlastet werden. Das ist das Ergebnis eines neuen Gutachtens des IGES Instituts. Die Wissenschaftler:innen empfehlen, rund 2.500 medizinische Leistungen zusätzlich in den Katalog für ambulantes Operieren aufzunehmen.

Die Möglichkeiten für ambulante Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe in Krankenhäusern sollten Expert:innen zufolge substanziell ausgeweitet werden. Ein Gutachten empfiehlt rund 2.500 medizinische Leistungen, die zusätzlich in den Katalog für ambulantes Operieren, kurz AOP-Katalog, aufgenommen werden sollten. Damit würde sich die Anzahl der derzeit möglichen ambulanten Leistungen von Kliniken nahezu verdoppeln. Vorgesehen sei zudem ein praktikables Verfahren für Krankenhäuser, mit dem je nach individueller Behandlungssituation ein stationärer Aufenthalt begründet werden kann. Dies soll die Patientensicherheit erhöhen, aber auch unnötige Prüfverfahren für Kliniken verhindern.

Bislang zählt der AOP-Katalog 2.879 Leistungen. Neu hinzukommen könnten 2.476 Leistungen, das entspräche einem Plus um 86 Prozent auf dann insgesamt 5.355 Leistungen. Die meisten der für eine Erweiterung vorgeschlagenen Leistungen, rund 60 Prozent, sind dabei Operationen – vor allem Operationen an der Haut, am Auge sowie am Muskel- und Skelettsystem. Zweithäufigste Neuaufnahme mit 546 Leistungen sind diagnostische Maßnahmen wie diagnostische Endoskopien.

Maßgeblich für die Entscheidungen der Expert:innen war, dass Möglichkeiten für eine ambulante Durchführung bestehen. Dies folgerten die Wissenschaftler:innen aus übergeordneten medizinischen Kriterien, aus Empfehlungen von Fachgesellschaften sowie aus AOP-Erfahrungen im Ausland. Es wurden zudem Leistungen berücksichtigt, die derzeit in AOP-nahen Versorgungsbereichen im Krankenhaus erbracht werden, etwa bei vor- oder teilstationären Behandlungen, stationären Behandlungsfällen mit kurzen Liegezeiten, oder die im Zusammenhang mit ambulant-sensitiven Diagnosen stehen, also Erkrankungen, die in der Regel ambulant versorgt werden könnten.

 

Klimawandel und Gesundheit

Studie zeigt Wissensunterschiede in der Bevölkerung

Nur vier von zehn Menschen wissen, dass Krankenhäuser verpflichtet sind, EU-Richtlinien zum Klimaschutz einzuhalten. Das ist ein Ergebnis des Healthcare Barometers 2022 der Unternehmensberatung PwC Deutschland.

Die repräsentative Umfrage zeigt, dass in der Bevölkerung deutliche Wissensunterschiede im Bereich von Klimawandel und Gesundheit existieren. So wissen lediglich 13 Prozent der Befragten, dass das Gesundheitswesen in Deutschland mehr zum Klimawandel beiträgt als zum Beispiel die Schifffahrt oder der Flugverkehr. Hingegen rechnen 55 Prozent der Befragten mit mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch häufigere Hitzewellen. Für 50 Prozent der Bürger:innen hat das Senken des Energieverbrauchs bei der Klimawende höchste Priorität. »Der Gesundheitssektor, der häufig per se als nachhaltig betrachtet wird, ist dies jedoch in keinem Fall. Seien es Energie- oder Wasserverbrauch, oder die nicht unerheblichen Abfallmengen. Das deutsche Gesundheitswesen ist alles andere als gut gerüstet für die Zukunftsziele«, sagt Michael Burkhart, Leiter Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. »Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Gesundheitsbranche Anreize erhält, energie- und ressourcenschonender zu arbeiten.« Laut Burkhart könne ein erster Ansatz eine neue Krankenhausfinanzierung sein, die keine Anreize bietet, immer mehr Fälle zu generieren.

So ist das deutsche Gesundheitswesen für 5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, wie die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit ermittelt hat. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Pharmakonzerne, Hersteller von Medizintechnik und weitere Unternehmen des Gesundheitswesens sind damit wesentliche Treiber des Klimawandels. Die Gesundheitsbranche steht vor der Herausforderung, ihren ökologischen Fußabdruck zu senken, heißt es in dem Bericht. Die Folgen des Klimawandels, insbesondere Hitzewellen und Luftverschmutzung, haben Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. »Wir brauchen daher dringend Strategien – national wie weltweit – für eine klimafreundliche und -gerechte Gesundheitsversorgung«, so Sevilay Huesman-Koecke, Head of Business Development bei PwC Deutschland.

Für die Studie wurden 1.000 Menschen aus Deutschland im Erhebungszeitraum Dezember 2021 befragt.

 

Doktor-on-Demand

Medizinischer Sofort-Service aus Schweden als Vorbild für Deutschland

Ein Konzept, das sinnvoll erscheint: Menschen mit Bagatellerkrankungen sollen effizient digital behandelt und schwere Fälle in Praxen vor Ort versorgt werden. Diesen Service bietet das hybride Modell von Doktor.de.

Doktor.de ist ein Tochterunternehmen der schwedischen Doktor.se-Gruppe. Das Ziel: die Verzahnung digitaler und physischer Behandlungswege von Patient:innen für eine qualitativ hochwertige, zukunftsfähige und effiziente Versorgung. Die Grundlage des hybriden Angebots beinhaltet neben einer engen Vernetzung und der Kooperation mit niedergelassenen Ärzt:innen und Partnerpraxen den Aufbau eigener Versorgungsstrukturen.

Für Patient:innen ist die gleichnamige App aus den gängigen Downloadportalen eine erste digitale Anlaufstelle. Im Krankheitsfall erfolgt zunächst die digitale symptomorientierte Anamnese, nach einer kurzen Zeit im virtuellen Wartezimmer schließen sich Beratung und Behandlung durch eine:n Ärzt:in an. Im letzten Schritt können Patient:innen eine ambulante Behandlung in einer Praxis erhalten.

Die mit Doktor.de kooperierenden Mediziner:innen leisten die virtuelle medizinische Versorgung zunächst über die App. Nach ihrer Anmeldung können sie in eigens festgelegten Zeitfenstern digitale Behandlungen vornehmen, ohne dafür eine aufwendige Software installieren zu müssen. Vorerst ist die Nutzung für Ärzt:innen kostenfrei. Durch die vorgeschaltete Digitalisierung manueller Prozesse liegen notwendige Daten zu den Patient:innen wie Versicherung, Wohnort, Geschlecht, Alter, Anamnese etc. bereits vor. Dies ermöglicht den Behandelnden ein umfassendes Bild über vorhandene Beschwerden – und zwar vor der Konsultation.

In Schweden nutzen bereits mehr als eine Million Patient:innen den medizinischen Service von Doktor.se. Bereits 200.000 Erkrankte wurden dort in eigenen ambulanten Versorgungszentren behandelt.

 

Selbst ist die Frau/der Mann

Globales Telemedizinkonzept nutzt Versorgungswürfel

Um die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen vor allem auf der Südhalbkugel zu verbessern, bietet das Telemedizinkonzept mit ›The Cube‹ Patient:innen telemedizinische Betreuung mit Selbstanwendung.

Helios Health ist ein globaler Gesundheitsanbieter mit einem großen Netzwerk. Über ein neues Telemedizinkonzept möchte der Konzern die Versorgung in strukturschwachen Regionen, vor allem im globalen Süden, stärken. Der Versorgungswürfel ›The Cube‹ ermöglicht die Betreuung von Erkrankten über Videosprechstunden. Dabei können Patient:innen in der kleinen Versorgungseinheit an sich selbst diagnostische Maßnahmen vornehmen.

Wichtig ist die telemedizinische Überwachung und Behandlung vor allem bei Herz- Kreislauf- sowie Lungenerkrankungen und bei Diabetes. Der flexibel adaptierbare Würfel verbindet dabei digitale mit physischen Untersuchungsmethoden. So leiten Ärzt:innen die Erkrankten vor Ort bei diagnostischen Verfahren wie Röntgen, Ultraschall, Blutdruck- und Augendruckmessung an. Notwendige Therapien können nach der Diagnose direkt im Anschluss über eine App begonnen werden.

In Leipzig, nahe dem dortigen Herzzentrum und dem Helios Park-Klinikum, entstanden in den vergangenen Monaten die ersten Cube-Modelle. Sie sollen künftig vor allem in Afrika und Südamerika zum Einsatz kommen. Die Würfel können alleinstehend aufgebaut oder in bestehende Strukturen wie beispielsweise Einkaufszentren integriert werden. So steht qualitativ hochwertige Medizin schnell und lokal jedem zur Verfügung, auch wenn vor Ort weder finanzielle Mittel noch qualifiziertes Personal vorhanden sind. Lediglich geringe Investitionen in die technische Infrastruktur sind erforderlich, die Expertise und das Netzwerk medizinischer Expert:innen sind bei Helios bereits vorhanden.


Bemerkt

 

 

»Ich appelliere daher an alle Ärztinnen und Ärzte, die eAU kurzfristig umzusetzen und möglichst viele digitale Krankmeldungen auszustellen. Das ist die Voraussetzung für einen funktionierenden Regelbetrieb.«

 

Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende GKV- Spitzenverband

 

 


Weiterlesen

 
Wir wollen im EinBlick neben einem Überblick zu Themen der Gesundheitsnetzwerker auch einen Blick auf Debatten und Dokumente werfen.

Künstliches 3D-Modell für Tests von Krebsmedikamenten

Der Technischen Universität in Berlin ist es gelungen, ein 3D-Tumormodell zu entwickeln, an dem Krebsmedikamente in realistischer Gewebeumgebung getestet werden können.

Mit Hilfe einer Biotinte aus Algen und menschlichen Zellen haben die Forscher:innen ein dreidimensionales Modell einer Krebsmetastase in gesundem Gewebe ausgedruckt. Sie verwendeten dafür einen handelsüblichen Biodrucker, so dass das Tumormodell von anderen Arbeitsgruppen leicht übernommen werden kann. Im Gegensatz zu Tierversuchen ist es bei dem neuen Verfahren möglich, sowohl den Tumor als auch das umliegende Gewebe aus menschlichen Zellen aufzubauen. Dadurch lässt sich bei Krebsmedikamenten nicht nur untersuchen, ob sie den Tumor wie erhofft zerstören, sondern auch, welche Auswirkungen die Substanz auf das umliegende gesunde Gewebe hat.

»Ein Vorteil unseres Modells ist, dass es nicht auf Innovationen beim Druckgerät beruht«, sagt Prof. Dr. Jens Kurreck, Leiter des Fachgebiets für Angewandte Biochemie der TU Berlin. Erweiterungen des Modells, die auch künstliche Blutgefäße beinhalten, seien bereits in der Erprobung. Zudem wären auch Tumormodelle möglich, die neben normalen Gewebe- auch Immunzellen beinhalten. »Diese sind bereits in anderen Biodruck- Verfahren erfolgreich verwendet worden«, so Kurreck. »Immunologische 3D- Tumormodelle wären ein großer Fortschritt, denn gerade Immuntherapien lassen sich in Tierversuchen nur sehr schwer umsetzen.«

Hier finden Sie weitere Informationen: https://www.mdpi.com/1422-0067/23/1/122


Empfehlung

 

›E-Health / Digital Health‹

Diese Neuerscheinung gibt einen Überblick über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und erläutert die verschiedenen Anwendungsformen von E-Health und Digital Health. Das Handbuch vermittelt seinen Leser:innen nicht nur solides rechtliches Grundlagenwissen, sondern auch das technische und wirtschaftliche Verständnis für aktuelle Schlüsseltechnologien, und weist den Weg zur Lösung der damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen.

Hier finden Sie weitere Informationen: https://www.beck-shop.de/rehmann-tillmanns-ehealth-digital-health/product/31620755


Zuletzt:

 

Zi schreibt Wissenschaftspreis ›Regionalisierte Versorgungsforschung 2022‹ aus

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) schreibt zum elften Mal den Zi- Wissenschaftspreis zur regionalen Versorgungsforschung aus. Der Preis würdigt wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung regionaler Unterschiede in der Gesundheitsversorgung. Darunter fallen Arbeiten, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung beschäftigen und sich aus Ergebnissen regionalisierter Versorgungsforschung ergeben. Die Preisträger:innen erhalten bis zu 7.500 Euro. Die Bewerbungsfrist endet am 4. Oktober 2022. Prämierte Arbeiten werden unter www.versorgungsatlas.de veröffentlicht.

Hier finden Sie weitere Informationen: https://www.zi.de/ausschreibungen/wissenschaftspreis

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