Interview:
Virtuelle Realität als Therapie nach Schlaganfällen
EinBlick sprach mit Barbara Stegmann von living brain über ›Teora‹ – das aktuelle Produkt des Unternehmens – soll Schlaganfallpatient:innen helfen, ihre kognitiven Fähigkeiten zu stärken

Barbara Stegmann
ist studierte Psychologin und hat 2019 „living brain“ gegründet. ›Teora‹ – das aktuelle Produkt des Unternehmens – soll Schlaganfallpatient:innen helfen, ihre kognitiven Fähigkeiten zu stärken. In ihrer Freizeit sitzt die Heidelbergerin vor dem Mikrofon und nimmt ihren Podcast ›Black Box – Der Psy-Crime Podcast‹ auf.
Frau Stegmann, was macht das Unternehmen ›living brain‹?
Wir entwickeln aktuell eine innovative Methode zur Unterstützung von Menschen, die nach einem Schlaganfall mit Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Aufmerksamkeitsdefiziten zu kämpfen haben. Dabei verwenden wir virtuelle Realität (VR), da herkömmliche Computeranwendungen oft zu abstrakt sind. Statt abstrakter Übungen schaffen wir in der virtuellen Realität realitätsnahe Alltagssituationen. So können die Betroffenen beispielsweise spielerisch und sicher in einer virtuellen Küche ihr Alltagstraining wieder aufnehmen. Dies ermöglicht einen praktischen Transfer in den realen Alltag.
Mit der VR-Brille über den Augen und dem Controller in den Händen kann man mit Ihrem Programm beispielsweise einen Obstsalat schneiden. Wie können Patient:innen dieses Spiel in den Alltag integrieren und was müssten sie tun, um eine kognitive Steigerung zu erreichen und zu erhalten?
Die regelmäßige Durchführung der Therapie ist von großer Bedeutung und sollte mindestens zweimal pro Woche erfolgen, da sonst die Effekte geringer ausfallen können. Es liegt jedoch in der freien Entscheidung der Patient:innen oder Anwender:innen, wann und wie sie die Therapie nutzen möchten. Unsere Anwendung ist mobil, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden, ob sie die Therapie im Wohnzimmer, im Garten oder sogar in der Küche durchführen möchten. Die empfohlene Therapiedauer liegt zwischen 30 und 45 Minuten, aber dies kann je nach individuellen Bedürfnissen variieren.
Haben Sie den Effekt wissenschaftlich untersucht?
Wir haben bereits zwei Studien zu unserem Produkt durchgeführt. Die erste Studie war eine Akzeptanzstudie, da wir Bedenken hörten, dass Schlaganfallpatient:innen, insbesondere ältere Menschen, Schwierigkeiten bei der Nutzung haben könnten. Wir konnten jedoch zeigen, dass sowohl Schlaganfallpatient:innen als auch gesunde Menschen in einem höheren Alter unser Produkt problemlos anwenden können. Die zweite Studie war eine Wirksamkeitsstudie. Wir verglichen unsere VR-Anwendung mit herkömmlichen Computeranwendungen in einer Rehabilitationsklinik über einen Zeitraum von etwa fünf Wochen. Die Patient:innen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei eine Gruppe das Computertraining erhielt und die andere Gruppe das VR-Training. Vor und nach der Studie wurden standardisierte Tests zur Bewertung der kognitiven Fähigkeiten durchgeführt. Wir konnten signifikante Unterschiede feststellen und so nachweisen, dass unsere Anwendung im Vergleich zur herkömmlichen Computeranwendung deutlich besser abschneidet.
Wie lange ist das Produkt schon auf dem Markt und wie viele Nutzer:innen verzeichnet es?
Unsere Anwendung namens ›Teora‹ ist bereits seit einiger Zeit verfügbar. Etwa 30 Kliniken in Deutschland haben das System getestet und in Testphasen mit ihren Patient:innen eingesetzt. Schätzungsweise haben bereits rund 400 Patient:innen das Produkt genutzt und wurden damit therapiert. Wir haben auch die ersten Kaufverträge mit Kliniken abgeschlossen. Derzeit sind wir in Gesprächen mit Versicherungen, um eine Erstattung der Kosten für die Anwendung zu ermöglichen.
Um welche Finanzierungsmöglichkeiten geht es aktuell?
Eine Option wäre ein Selektivvertrag, der es uns ermöglichen würde, unser Produkt in bestimmten Bereichen gezielt einzusetzen. Darüber hinaus sind wir auch an Modellprojekten interessiert, um unser Produkt weiter zu validieren und zu verbessern. Wir möchten herausfinden, wie wir es noch besser in den Versorgungsalltag integrieren können und ob es noch Aspekte gibt, die wir möglicherweise übersehen haben, um sie dann in eine verbesserte Version zu implementieren.
Sie können das komplette Gespräch mit Barbara Stegmann als Podcast-Folge EinBlick – nachgefragt in unserem Podcast-Portal hören https://soundcloud.com/einblick-berlin-chemie/einblick-nachgefragt-20230524
Kurzstrecke
Brauchen wir höhere IT-Sicherheitsstandards?
Hackerangriff auf Bitmarck betrifft vor allem Krankenkassen
Anfang Januar und Ende April wurde das Unternehmen Bitmarck Opfer von Hackerangriffen. Als Dienstleister für zahlreiche Organisationen im Gesundheitswesen musste es den regulären Betrieb bei zahlreichen Kunden einstellen. Bis heute gibt es Probleme. Den Krankenkassen, Abrechnungszentren und Dienstleistern steht eine Interimslösung zur Verfügung, mit denen beispielsweise Auszahlungen möglich sind.
Die Systeme, in denen Gesundheitsdaten verarbeitet werden, und die Elemente der Telematikinfrastruktur waren laut Bitmarck nicht betroffen. Allerdings wurden fragmentierte Datensätze von Versicherten erbeutet. Die Untersuchungen durch den Bundesdatenschutzbeauftragten dauern an. Das Bundesgesundheitsministerium will aufgrund der Vorfälle prüfen, »ob auf gesetzlicher Basis die Verbindlichkeit von IT-Sicherheitsstandards weiter erhöht werden muss«.
Mediziner:innen bemühen sich um Klimaschutz in Praxen
Umfrage des Centre for Planetary Health Policy (CPHP)
Immer mehr Mediziner:innen bemühen sich um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in Praxen und Kliniken. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Centre for Planetary Health Policy (CPHP). Allerdings werden sie dabei durch politische und strukturelle Rahmenbedingungen behindert, so ein weiteres Ergebnis der Befragung. Die Ärzt:innen sehen Politik, Selbstverwaltung, Ärztekammern und Fachgesellschaften in der Verantwortung.
82 Prozent der Befragten wünschen sich beispielsweise Leitlinien und Empfehlungen für nachhaltige Arbeitsweisen und einen klimabewussten Umgang mit Medizinprodukten. Fast die Hälfte räumt ein, dass an ihren Gesundheitseinrichtungen keine regelmäßigen Hitzeschutzmaßnahmen vorgenommen werden. Dazu gehören unter anderem gezieltes Lüften, Verschattung sowie die Verschiebung von Sprechzeiten in die Morgen- oder Abendstunden. »Um Menschen in kommenden Hitzewellen angemessen zu schützen, müssen Krankenhäuser und Praxen sich intensiv vorbereiten«, sagt Dorothea Baltruks, wissenschaftliche Mitarbeiterin im CPHP und Co-Autorin der Umfrage.
Verbindliche IT-Standards für Dokumentation im Gesundheitswesen
Das fordert der Marburger Bund auf seiner 141. Hauptversammlung
Der Marburger Bund, der Verband der angestellten Ärzt:innen, fordert den Gesetzgeber auf, verbindliche Standards für IT-Hersteller im Bereich der Dokumentation von administrativen und medizinischen Daten im Gesundheitswesen vorzuschreiben. Diese Forderung beschlossen die Ärzt:innen auf ihrer 141. Hauptversammlung. Jede Information, die nicht einem zeitlichen Wandel unterworfen sei, sollte während eines Behandlungsfalles nur einmal eingegeben werden müssen.
Außerdem sollen gesetzgeberische Vorgaben zur Qualitätssicherung nur dann umgesetzt werden dürfen, wenn diese IT-Standards erfüllen. Insbesondere Krankenhausinformations- (KIS) und Praxisverwaltungssysteme (PVS) sollten laut Marburger Bund dafür geeignete Tools enthalten, wie beispielsweise die digitale Automatisierung von Abläufen, um den Austausch von Daten innerhalb des Systems ohne erneute Eingabe zu ermöglichen. Zusätzlich sollten Subsysteme Informationen über Schnittstellen beziehen können. Dafür sei allerdings eine umfassende Standardisierung der Informationen erforderlich. Die Delegierten betonten, dass Ärzt:innen sich dessen bewusst seien, dass eine sorgfältige Dokumentation von Daten eine wichtige Grundlage für Transparenz, Wissen und neue Erkenntnisse sei. »Wenn Dokumentation aber schlecht gemacht ist, wird sie zur Bürokratie«, kritisierten sie.
Mehr Geld für Apotheken gefordert
Bundestag soll Lieferengpassgesetz überarbeiten
Der Bundesrat fordert eine Überarbeitung des Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG). Laut Beschluss soll »die Vergütung der Apotheken vor dem Hintergrund hoher Energiekosten und der Inflation die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auch künftig dauerhaft sichern«. Dafür muss u.a. die Arzneimittelpreisverordnung angepasst werden. Ob die Wünsche durch den Bundestag umgesetzt werden, bleibt offen, da das ALBVVG nicht zustimmungspflichtig ist.
Zudem fordert die Länderkammer, unter Einbeziehung der Pharmabranche eine langfristige Strategie zu erarbeiten und die inländische Produktion samt Forschung zu stärken und zu fördern. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) schlägt einen 5-Punkte-Plan vor, mit Frühwarnsystem, einer kritischen Prüfung von Lieferketten, der Förderung der Ausweitung von Produktionsstrukturen und strategischen Produktionsreserven nach Vorbild der Pandemievorsorgeverträge.
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Startup-Telegram
Die neue App Up & Go ermöglicht älteren Menschen, Kraft und Gleichgewicht zu testen, und weist beispielsweise auf die Gefahr eines Sturzes hin. Grundlage ist der ›Timed Up and Go‹-Test (TUG-Test), ein quantitativer Mobilitätstest in der Geriatrie. Das System für zu Hause dient dem Checkup oder Monitoring. Aktuell gibt es die App nur im Google-Store. Entwickelt wurde es von Prof. Clemens Becker, Experte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und Leiter der Digitalen Geriatrie an der Universitätsklinik Heidelberg. https://play.google.com/store/apps/details?id=mht.tsg.upandgo
GerontoNet von der vital.services GmbH aus Leipzig ist eine Geriatrie-Plattform zur regionalen Vernetzung von Know-how, Technologien und medizinischen und pflegerischen Leistungen zur bestmöglichen Versorgung in einer alternden Gesellschaft. https://help.gerontonet.org
Die cureVision GmbH aus München hat ein KI- und Telemedizin-basiertes Tool für die objektive Analyse und professionelle Versorgung chronischer Wunden entwickelt. Die MDR-zugelassene Lösung (Hard- und Software) ist einfach anzuwenden und dokumentiert automatisch – dies entlastet Pflegekräfte enorm. Über Künstliche Intelligenz erfolgt die Erkennung von Granulation, Fibrin und Nekrose. https://www.curevision.de/
Reach ist ein einfach zu bedienendes Gerät für den Fernseher, das ältere Menschen mit wenig technischer Affinität unterstützt. Es stellt den Kontakt zu ihren Angehörigen her und wird vom Anbieter Generation Reach per Paket mit GPS-Tracker und neun Karten an die Senioren versendet. Der Service ist monatlich buchbar. https://www.getreach.me/
Meldungen
DIVI und DGF veranstalteten den zweiten Intensivpflegegipfel
Politik und Klinikteams gemeinsam für Veränderungen
Der zweite Intensivpflegegipfel der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) brachte Politiker:innen und Klinikteams zusammen, um konkrete Veränderungen in der Intensivpflege anzustoßen. Rund 30 Vertreter:innen aus Politik, Intensivpflegekräften, Notfall- und Intensivmediziner:innen sowie Mitgliedern von Pflegekammern und der Presse nahmen an dem Treffen teil.
Ziel des zweiten Intensivpflegegipfels von DIVI und DGF war es, gemeinsam Veränderungen voranzutreiben. Im Fokus des Treffens stand der große Mangel an qualifizierten Fachkräften in der Pflege und Intensivmedizin. Finanzierung, Qualifikation und Arbeitsbedingungen waren weitere Themen. »Dass hier ein offener Dialog geführt wird – und zwar auf Augenhöhe – sehe ich als Erfolg an«, sagte DIVI-Präsident Prof. Felix Walcher.
Während Arnold Kaltwasser von der DIVI-Sektion Pflegeforschung und Pflegequalität eine bundeseinheitliche und kostenneutrale Finanzierung der zweijährigen Weiterbildung für Intensivpflegende forderte, forderte Sabrina Pelz, Sprecherin dieser Sektion,eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung. Pelz betonte die Notwendigkeit einer 50-prozentigen Fachweiterbildungsquote für Pflegende auf Level-3-Intensivstationen sowie einer zweijährigen Fachweiterbildung für Advanced Practice Nurses in der Intensivpflege und Anästhesie.
Politische Vertreter wie Bernd Kronauer, Leiter der Geschäftsstelle der Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege, und Dr. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, zeigten sich offen für eine Zusammenarbeit und unterstrichen die Notwendigkeit einer Klärung der Tätigkeiten des Intensivpflegepersonals im Rahmen der Krankenhausreform.
Bis zum dritten Intensivpflegegipfel am Mittwoch, dem 18. Oktober 2023, geht es nun darum, die Vielzahl von Regelungen, die sich über Jahrzehnte angesammelt haben, in einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen mit konkreten Inhalten zu integrieren.
Besser kommunizieren
Umfrage zu Digitalisierung zeigt, was Patient:innen wirklich wünschen
Laut einer vzbv-Umfrage muss die Digitalisierung mehr am Bedarf der Patient:innen ausgerichtet werden. Verbraucherschutz und Datenschutz bei digitalen Gesundheitsangeboten dürfen nicht abgeschwächt werden, die Information über Digitalisierungsvorhaben sollte besser werden.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat im März eine Onlinebefragung unter 1100 Internetnutzenden durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass die Digitalisierung im Gesundheitsbereich stärker am tatsächlichen Bedarf der Patient:innen ausgerichtet werden sollte. Digitale Angebote vereinfachen zwar den Alltag, doch es fehlt eine umfassende Kommunikation über die Möglichkeiten, Chancen und Risiken.
Sämtliche Verbraucher:innen müssen verstehen, worum es geht, wenn sie Entscheidungen für oder gegen die Nutzung digitaler Angebote treffen sollen. Der vzbv fordert, den Verbraucherschutz und das Datenschutzniveau bei digitalen Angeboten nicht abzuschwächen. Der Verband hält diesen Schutz für die Akzeptanz und Nutzung digitaler Anwendungen für eine wichtige Grundlage. Zudem dürfen Menschen, die digitale Angebote nicht nutzen wollen oder können, nicht abgehängt werden; analoge Zugangswege müssen erhalten bleiben.
Die Ergebnisse der Onlineumfrage zeigen: 40 Prozent der Befragten haben seit der Coronapandemie vermehrt digitale Gesundheitsangebote nachgefragt. Sie nutzen aktuell (oder beabsichtigen künftig) Anwendungen, um Termine zu vereinbaren, medizinisches Personal bzw. Einrichtungen zu suchen oder mit diesen zu kommunizieren. Eine zentrale Onlineterminbuchung, den elektronischen Zugriff auf medizinische Befunde und das E-Rezept halten rund 40 Prozent der Befragten für relevant. Allerding fühlt sich nur die Hälfte gut über die Digitalisierungsvorhaben im Bereich Gesundheit und Pflege informiert. 56 Prozent der Befragten sehen hier die Krankenversicherungen bzw. die Pflegekassen und 36 Prozent das Bundesgesundheitsministerium in der Pflicht zur Information.
Stillstand bei Ambulantisierung
Expert:innen debattierten über sektorengleiche Vergütung
In Deutschland werden viele medizinische Leistungen, die eigentlich ambulant erfolgen könnten, überwiegend stationär durchgeführt. Die Politik will den Rückstand bei der Ambulantisierung aufholen und hat daher das SGB V novelliert und als neuen Paragraphen den § 115f im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) verabschiedet, der eine sektorengleiche Vergütung vorsieht, unabhängig davon, ob der Eingriff ambulant oder stationär erfolgt. Expert:innen diskutierten im Rahmen einer Veranstaltung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) über den Istzustand, Chancen und Hürden.
Bis zum 31. März 2023 sollten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband vereinbaren, welche Leistungen nach § 115b SGB V (Ambulantes Operieren) mit der sektorengleichen Vergütung erbracht werden können. Jedoch liegt dazu aktuell keine Einigung vor. Während die KBV vorschlug, deutlich mehr Operationen aus verschiedenen Bereichen mit den neuen Fallpauschalen zu vergüten, wollten Krankenkassen und DKG hingegen nur mit einem begrenzten Leistungsspektrum beginnen. Nun liegt die Entscheidung beim Bundesministerium für Gesundheit, das die Leistungen und Vergütung per Rechtsverordnung bestimmen muss.
Das Zi diskutierte im Rahmen der Veranstaltung ›Zi insights‹ mit dem 1. Vorsitzenden des Berufsverbands für Arthroskopie, PD Dr. Ralf Müller-Rath, und dem Präsidenten des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), PD Dr. Michael A. Weber, über die sektorengleiche Vergütung. Es wurde deutlich, dass die ambulante Versorgung den Schlüssel für ein effizientes Gesundheitssystem darstellt. Laut beiden Experten hat Deutschland im internationalen Vergleich einen geringen Ambulantisierungsgrad. Der Druck, die Sektorengrenzen zu überwinden, nimmt auch insbesondere vor dem Hintergrund des Personalmangels zu. So bestand Konsens darüber, dass die ambulante Versorgung in Zukunft erweitert werden muss.
SmED User-Conference
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort medizinisch versorgt
Auf einer Konferenz diskutierten Expert:innen aus der ambulanten und stationären Versorgung über ihre Erfahrungen, Studienergebnisse und Anwendungsszenarien bezüglich einer Ersteinschätzungssoftware für Notaufnahmen, Rettungsdienst und Rettungsleitstellen.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) stellt SmED, eine Software für die strukturierte medizinische Ersteinschätzung für Notaufnahmen in Deutschland, zur Verfügung. Auf einer Konferenz zeigte der sektorenübergreifende interdisziplinäre Austausch anhand zahlreicher Praxisbeispiele den sinnvollen Einsatz dieser Software. Wenn Erkrankte sich zunächst telefonisch oder digital beraten lassen – wie es die Reform der Akut- und Notfallversorgung vorsieht – werden beispielsweise Notaufnahmen von weniger akuten Behandlungsfällen entlastet. Dafür bietet die Software, optimiert durch kontinuierliches Feedback, ein hohes Maß an Patientensicherheit, Anwenderfreundlichkeit und medizinischer Evidenz. Die Kosten für das SaaS-Modell sollen auf die Gemeinschaft der Organisationen, die SmED einsetzen, umgelegt werden.
Über die Patientenservice-Nummer 116117 der Kassenärztlichen Vereinigungen leistet SmED bereits seit Januar 2020 Hilfe: Anrufende erhalten hier eine telefonische Ersteinschätzung ihrer Beschwerden und werden an passende Ärzt:innen vermittelt. Diesen Service nutzten bislang rund 4,4 Millionen Bürger:innen. Seit Dezember 2021 gibt es auf der 116117-Website eine konfigurierte digitale Selbsteinschätzung über einen Chatbot, im April 2023 wurde das Angebot um einen elektronischen Terminservice erweitert. Mit einem Vermittlungscode können so Arzt- oder Psychotherapietermine digital gebucht werden. Von zu Hause aus ist das Warten deutlich bequemer, als sich stundenlang in Notaufnahmen aufzuhalten.
Auswertungen belegen, dass jede:r zehnte Versicherte einmal jährlich eine Notaufnahme nutzt. 35 bis 50 Prozent dieser Patient:innen könnten jedoch ambulant behandelt werden. Die Diskussionen zeigten, dass SmED ein ›game changer‹ der Akut- und Notfallversorgung werden könnte, der vorhandene Ressourcen schont. Da es deutliche Unterschiede bei Anwendung und Einsatz in der Akut- und Notfallversorgung gibt, soll ein Erfahrungsaustausch zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Software etabliert werden.
Bemerkt

»Pflegekräfte warten weniger auf Robotik als auf Digitalisierung.«
Susanne Pauser, Vorständin beim Deutschen Caritasverband für Personal und Digitalisierung, Pflegeeinrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege
Weiterlesen
Diabetes-Therapie: Forscher:innen stellen neues Tool vor
Menschen mit Typ-1-Diabetes leben ständig mit dem Risiko von Über- oder Unterzuckerungen. Um ihren Blutzuckerspiegel besser zu regulieren, hat ein chinesisches Forschungsteam der Zhejiang-Universität, dem Zhejiang-Krebskrankenhaus und der Universität von Hongkong in der Zeitschrift "Angewandte Chemie" eine neuartige Insulinformulierung vorgestellt. Dabei dienen Lipid-Nanopartikel als Träger, die je nach Zuckerspiegel mehr oder weniger Insulin freisetzen. Diese Freisetzung wird dabei durch Glukose gesteuert. Die innovative Methode ermöglicht eine präzisere Insulinfreisetzung, um den Blutzuckerspiegel effektiver zu regulieren und das Risiko von Über- oder Unterzuckerungen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zu verringern. Konkret bedeutet das für Patient:innen dieses Typs von Diabetes, dass sie irgendwann eine Kombination der Glukose-responsiven Insulinformulierung mit einem Abgabegerät erhalten, das über einen tragbaren elektronischen Zuckerdetektor gesteuert wird. Diese Regelung des Blutzuckerspiegels würde das Leben von Diabetes-Patient:innen deutlich verbessern.
Den kompletten Bericht können Sie hier nachlesen https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.202303097
Empfehlung
Medizin zwischen Moral und Moneten
›Medizin zwischen Moral und Moneten‹ ist ein Buch der Chirurgin Dr. med. Laura Dalhaus, das die ethischen und finanziellen Aspekte des Gesundheitswesens beleuchtet. Es untersucht die Herausforderungen, vor denen Ärzt:innen, Patient:innen und das Gesundheitssystem insgesamt stehen, wenn es um den Umgang mit medizinischer Versorgung, Ressourcenallokation und Entscheidungen über Leben und Tod geht. Dalhaus analysiert kritisch die Rolle von Profitinteressen im Gesundheitswesen und plädiert für eine Rückbesinnung auf ethische Grundsätze. Mit fundierter Forschung und anhand von Fallbeispielen bietet das Buch eine differenzierte Perspektive auf die aktuellen Kontroversen und Debatten im medizinischen Bereich.
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Zuletzt:
Kiffen erhöht Risiko für Schizophrenie bei jungen Männern
Eine dänische Registerstudie zeigt, dass der Cannabiskonsum bei jungen Männern das Schizophrenierisiko erhöht. Insgesamt wurden sieben Millionen Personen untersucht, von denen rund 45.000 eine Schizophreniediagnose erhielten. Das Risiko für Schizophrenie war bei männlichen Konsumenten höher als bei Frauen. Besonders bei der Alterskohorte der 16- bis 20-Jährigen war das Risiko für männliche Konsumenten doppelt so hoch im Vergleich zu weiblichen Konsumentinnen. Laut den Wissenschaftler:innen könnten präventive Maßnahmen etwa ein Fünftel der Schizophreniefälle bei jungen Männern verhindern. Früherkennung, Behandlung und Politikentscheidungen zum Cannabiskonsum seien wichtig.
Hier finden Sie mehr Informationen https://www.cambridge.org/core/journals/psychological-medicine/article/association-between-cannabis-use-disorder-and-schizophrenia-stronger-in-young-males-than-in-females/E1F8F0E09C6541CB8529A326C3641A68#