Berlin-Chemie Newsletter vom 20. Januar 2015

Berlin-Chemie Newsletter vom 20. Januar 2015

  • eGK: Wer bremst?
  • Fachärzte: Wer herrscht?
  • IQTIG: Wer macht‘s?
  • Zusatzbeiträge: Wer nimmt‘s?
  • Ärzte: Wer geht?
  • MDS: Wer prüft?
  • Netzwerkerkongress: Wer kommt?

eGK: Wer bremst?

Die Einführung der eGK läuft trotz politischen Drucks und finanzieller Anreize zäh.

Das Szenario gleicht einer Springprozession. Bereits 2003 beschlossen sollte die elektronische Gesundheitskarte (eGK) heute eigentlich mehr sein, als die alte Versichertenkarte mit Bild. Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendung im Gesundheitswesen (e-health-Gesetz) will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe jetzt die Schlagzahl erhöhen.
Es sei „ein gutes Signal, dass die Politik den Aufbau einer einheitlichen Telematik-Infrastruktur jetzt durch klare Vorgaben und Sanktionen befördern will, die sich an alle Akteure wenden“, lobt der GKV-Spitzenverband in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf auf seiner Website. „Dass der Gesetzesentwurf offensichtlich darauf abzielt, die Einführung und Nutzung medizinischer und administrativer Telematik-Anwendungen mit verbindlichen Terminen zu versehen und damit zu beschleunigen, begrüßen wir daher grundsätzlich“, so GKV-Sprecher Florian Lanz. Positiv zu bewerten sei auch die Klarstellung, dass für diese Anwendungen zukünftig nur die von der Gematik geschaffene Telematik-Infrastruktur mit ihrem „hohen und geprüften Sicherheitsniveau“ zulässig ist. Auch für die Leistungserbringer wird der Einsatz per Gesetz attraktiver gemacht. So erhalten Ärzte, die Notfalldatensätze auf der e-Card speichern oder Entlassbriefe von Krankenhäusern einspeisen bis 2018 einen Extra-Obolus. Niedergelassene Ärzte erhalten dafür 55 Cent. Die Klinik einen Euro. Weiter gibt es Geld ab Oktober 2016 für die Erstellung von Medikationsplänen. Umgekehrt droht Gröhe den widerspenstigen Medizinern aber auch der Betriebsgesellschaft Gematik mit der finanziellen Peitsche So muss bis zum 30. Juni 2016 die Telematikinfrastruktur für Arztpraxen, Kranken­häuser und gesetzliche Krankenkassen soweit verfügbar sein, dass der Versichertenstammdatendienst (VSDD) - die Onlineprüfung und -aktua­lisierung der Versichertenstammdaten - bundesweit möglich ist. Wird der Termin nicht eingehalten, wird den öffentlich-rechtlichen Gesellschaftern der Betriebsgesellschaft Gematik ab 2017 der Haushalt auf die Ausgaben des Jahres 2014 um jeweils ein Prozent pro Jahr gekürzt. Ärzten, die ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Versicherten­stammdatenprüfung nach einer Übergangsfrist ab dem 1. Juli 2018 nicht nachkommen, wird die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ebenfalls pauschal um ein Prozent gekürzt. Wegen der zweijährigen Anschubfinanzierung müssen die Krankenkassen laut Entwurf mit Mehrausgaben von über 60 Millionen Euro rechnen. Der Unmut im Kassenlager über die neuerlichen Zusatzkosten ist groß, nachdem bereits rund eine Milliarde in das Projekt geflossen sind - ohne jeden Nutzen für die Versicherten. So ist nachvollziehbar, dass der Geldfluss an die Betreibergesellschaft vom GKV-SV Ende vergangenen Jahres zunächst gestoppt wurde. Gröhe reagierte prompt und besserte dementsprechend nach.

Fachärzte: Wer herrscht?

Gemeinsam stark oder sprachlos? Neue Strukturen sollen die politische Schlagkraft der Fachärzte stärken Wie sich jetzt herausstellt: Der SpiFa wünscht sich zwar Eintritte, aber nicht auf Augenhöhe.

Bei der Pressekonferenz vor wenigen Wochen schien noch alles klar. Die Facharztverbände, die in der seit über 60 Jahren bestehenden GFB (Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände) zusammengeschlossen waren, sollten dem aus der sogenannten Potsdamer Runde und aus dem deutschen Facharztverband entstandenen SpiFa (Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands) beitreten. Besonders bei den beiden großen BDI (Bundesverband der Internisten) und dem BDC (Bundesverband der Chirurgen) sollte dem Vernehmen nach der Beitritt zum SpiFa perfekt sein. Nun stellt sich heraus, dass die Vereinigungs-Euphorie, die SpiFa-Geschäftsführer Lars Lindemann gerne sähe, eher auf einen steinigen Weg mit vielen Fragezeichen hindeutet.
Der Grund: Aus einem bekannt gewordenen Satzungsentwurf des SpiFa von Ende Dezember geht hervor, dass die GFB-Verbände nicht auf Augenhöhe der bestehenden Mitglieder beitreten können. §4 des Satzungsentwurfs überraschte die möglicherweise beitrittswilligen Ärzteverbände, dass sie weder mit einer eigenständigen Mitgliedschaft noch mit eigenem Stimmrecht rechnen könnten. Vielmehr sollten Ausschüsse gebildet werden, in denen die Interessen der neu eintretenden Mitgliedsverbände gebündelt werden sollten. Überrascht wurden potentiell Beitrittswillige wohl auch von der Forderung, dass man nach einem halben Jahr mit dem Ausschluss zu rechnen habe, wenn man noch anderen Dachvertretungen angehöre, womit wohl eine weiter bestehende GFB-Mitgliedschaft gemeint sein könnte. Gleichzeitig möchte der SpiFa die jetzt noch unter GFB-Regie geführte Mitgliedschaft der Europäischen Facharztorganisation (UEMS) unter sein Dach holen. Zahlreiche Mitglieder der GFB wollen sich, auch wenn ihre Organisation erkennbar an politischer Schlagkraft und struktureller Stärke verloren hat, nun doch nicht einfach vereinnahmen lassen. So hat unter anderem bereits die Arbeitsgemeinschaft ärztlicher Methodenfächer (AGMF) in einem Schreiben deutlich gemacht: So nicht! „Erst ihre angemessene Repräsentanz verhilft einer Gesamtvertretung der Fachärzteschaft zu Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit. Nur unter dieser Voraussetzung wäre ein Beitritt vorstellbar“. So sieht es inzwischen offenbar die Mehrzahl der Noch-GFB-Mitglieder. Ex-Politiker Lindemann wird also wohl nicht mit politischen Schachzügen auskommen, das Ziel eines wirklichen Dachverbands zu erreichen, sondern braucht auch eine gehörige Portion diplomatisches Geschick. Dabei soll möglicherweise auch Ex-KBV-Chef Dr. Andreas Köhler helfen, der inzwischen als Ehren-Präsident des SpiFa fungiert.

IQTIG: Wer macht‘s?

Vorstand und Stiftungsrat sind mit den üblichen Persönlichkeiten der Gesundheitsszene besetzt.

Das neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) wird von Dr. Christof Veit geleitet – er war zuvor schon Geschäftsführer des Instituts für Qualität und Patientensicherheit, das von Bundesärztekammer, Kassen und Krankenhausgesellschaft getragen wird. Ansonsten bleibt personell alles wie gehabt! Es herrscht eine Pattsituation. Im Stiftungsrat des IQTIQ werden als Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft Andreas Wagener und Bernd Metzinger sitzen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wird von Vorständin Regina Feldmann und Dr. Franziska Diel vertreten. Für die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung steht Dr. Jürgen Fedderwitz bereit. Der GKV-Spitzenverband rückt mit Ulrike Elsner, Uwe Deh, Bettina am Orde, Karl Reuber und Wolfgang Schrörs ins Gremium ein. Zwischen Ärzte- und Krankenhausvertretern auf der einen und Kassen auf der anderen herrscht damit ein Patt, spiegelbildlich zum Vorstand. Dort residieren auf der Ärzteseite die Spitzenvertreter von KBV und DKG, Dr. Andreas Gassen und Georg Baum, zusammen mit Dr. Wolfgang Eßer, dem Vorsitzenden der KZBV. Für den GKV-Spitzenverband sprechen im IQTIG künftig die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer, ihr Stellvertreter Johann-Magnus von Stackelberg und Vorstandsmitglied Gernot Kiefer. Die Aufstellung ist damit nahezu identisch mit der Postenverteilung im G-BA, worauf auch die gleichlautende Bezeichnung Josef Heckens als unparteiischer Vorsitzender hindeutet. Als weiterer „Unparteiischer“ ist Staatssekretär Lutz Stroppe als „Gesandter“ des Bundesgesundheitsministeriums mit dabei. Noch nicht entschieden ist über die Besetzung der beratenden Gremien des IQTIQ, des Kuratoriums und Wissenschaftlichen Beirats.

Zusatzbeiträge: Wer nimmt‘s?

Die Krankenkassen zeigen sich zögerlich im Umgang mit dem Zusatzbeitrag.

Keiner will seine Kunden scheu machen. Andererseits kommt für Krankenkassen, die bei der Kalkulation der Zusatzbeiträge zu optimistisch rechnen, das dicke Ende nur verzögert. Das Institut für Mikrodaten-Analyse (IfMDA) geht davon aus, dass die Höhe des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes von vier Faktoren abhängig ist: den Betriebsmitteln, dem Saldo aus laufenden Einnahmen und Ausgaben, einem Morbi-Index und einem Effizienz-Index. Mittlerweile zeigen die Veröffentlichungen, dass die kassenindividuellen Unterschiede zu einem Zusatzbeitragssatz-Intervall von 0,00 bis 1,30 Prozentpunkten führen. In Bezug auf die Beitragsbemessungsgrenze von 49.500 Euro pro Jahr ergeben sich daraus jährliche Unterschiedsbeträge bis zu 643,50 Euro. Wie sind diese Unterschiede zu erklären? Das IfMDA hat dazu ein Regressionsmodell erarbeitet, mit dem die kassenindividuellen Zusatzbeitragssätze geschätzt werden. In diesem Zusammenhang kristallisieren sich die vorgenannten vier Variablen zur Erklärung des Zusatzbeitragssatzes heraus. Im Vergleich zwischen dem festgelegten und prognostizierten Zusatzbeitrag erscheint auffällig, dass insbesondere Allgemeine Ortskrankenkassen in der Regel Zuversicht verbreiten, während die Betriebskrankenkassen Vorsicht walten lassen. So hat sich die Mobil Oil-Betriebskrankenkasse auf einen Zusatzbeitragsatz von 0,80 festgelegt, bei einem prognostizierten Bedarf von 0,64. Die AOK Plus und die AOK Sachsen erheben aktuell nur einen Beitragssatz von 0,30 zusätzlich, während die Prognose einen Bedarfssatz von 1,05 ausweist. Die Betriebskrankenkasse Krones erhebt 0,70 bei einer Vorauskalkulation von nur 0,25. Aber das Schema ist nicht durchgehend. Überhaupt keinen Aufschlag erhebt die Metzinger BKK, obwohl der Bedarf mit 0,63 prognostiziert wird.

Ärzte: Wer geht?

Die Niederlassung von deutschen Ärzte gewinnt durch Währungsturbulenzen an Attraktivität.

Die Zahlen sind deutlich. Zwar liegt die Schweiz als gelobtes Fluchtland für genervte Jungärzte noch immer ganz vorne, aber der Strom schien bis vor kurzem zu versiegen. Bewarben sich 2013 noch 848 Mediziner erfolgreich um eine Zahlenregister-Nummer als Zulassungsvoraussetzung in der Alpenrepublik, sind es im gerade abgelaufenen Jahr nur mehr 252. Eine konkrete Erhebung über den massiven Rückgang um über zwei Drittel gibt es zwar nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass sich die Arbeitsbedingungen mit Umsatzgarantien oder Investitionshilfen zur Niederlassung in strukturschwachen Gebieten allen Unkenrufen der Verbände und Körperschaften zum Trotz in Deutschland verbessert haben. Umgekehrt gibt es für die Schweiz einen regionalen Zulassungsstopp. 2012 erst landesweit aufgehoben haben zwischenzeitlich 18 Kantone die Zulassungsbegrenzung wieder eingeführt. Insgesamt geht der Andrang in die Schweizer Praxen zurück. Planten 2013 noch 2740 Ärzte die Niederlassung, beantragten in 2014 nur mehr 1031 die Zulassung. Die Fluchttendenzen neu befeuern könnte allerdings die aktuelle Wechselkursentwicklung mit einem faktischen Verdienstaufschlag von 20 Prozent für die Entlohnung in Schweizer Franken. Das Bundesgesundheitsministerium errechnet die Kosten für einen Absolventen des Medizinstudiums auf Euro 180.000. Die Schweiz ermittelt seit Jahren die Ausbildungskosten für das Humanmedizinstudium laut Auskunft der Deutschen Elite Akademie mit einem fast identischen Betrag. In Anbetracht dieser Kosten ist jeder Arzt-Auswanderer ein teurer Aderlass für Deutschland.

MDS: Wer prüft?

Pflegedienstleistungen verbessern sich bei Flüssigkeitsversorgung und Dekubitusprophylaxe.

„Die Dokumentationen der Pflegeeinrichtungen werden mit der Versorgungsrealität abgeglichen.“ Über das Ergebnis dazu und eine Übereinstimmung von Schein und Sein hierzu liegen allerdings keine konkreten Zahlen vor, wie Jürgen Brüggemann vom Team Pflege MDS auf Nachfrage zum 4. MDS-Pflege-Qualitätsbericht vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen auf einer repräsentativen Datengrundlage einer Stichprobe von rund 85.000 Pflegeheimbewohnern und gut 61.000 ambulant Pflegebedürftigen einräumen muss. Mit dieser Aussage relativieren sich auch die positiven Zahlen, die zur Verbesserung der Situation vorgelegt werden. Die Versorgungsqualität in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten ist demnach generell besser geworden. Grundlage des Berichts sind Daten aus über 23.211 Qualitätsprüfungen, die im Jahr 2013 in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten stattfanden. Die MDK-Gutachter untersuchten dabei die Versorgungsqualität bei 146.000 Menschen. Verbesserungen gab es bei der Dekubitusprophylaxe (von 59 auf 76%), Flüssigkeitsversorgung (von 82 auf 91%) und der Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (von 20 auf 12,5%). Schwächen zeigten sich im Schmerzmanagement. Der Bericht zeige, „dass sich die Pflegequalität deutlich verbessert hat … aber auch, dass noch viel zu tun ist“, so Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. Kiefer richtet sein Augenmerk auf eine „ordentliche Bezahlung" der Altenpflege und nennt als Vergleichsmaßstab die Krankenpflegevergütung. Letztere liegt mit durchschnittlich 2700 Euro deutlich höher. Es gebe im Übrigen hier kein Ost-West sondern ein Nord-Süd-Gefälle in der Entlohnung, in einer Spanne von 2200 bis 3.000 Euro monatlich. „Der Mindestlohn ist kein Maßstab und die Debatte geht in die Irre“, prognostiziert der GKV-Vorstand eine Kostenerhöhung in der Pflegeversicherung. „Wir können uns nicht darum herumdrücken, dass es mehr Qualität immer billiger nicht gibt.“

Netzwerkerkongress: Wer kommt?

Gesundheitsnetzwerker treffen sich am 29./30.April 2015 in Berlin.

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz werden die Selektivverträge grundsätzlich neu geregelt – zehn Jahre nach ihrer Einführung. Seit Selektivverträge geschlossen werden, diskutieren die Gesundheitsnetzwerker über ihre Umsetzung und Weiterentwicklung. Beim kommenden Kongress für Gesundheitsnetzwerker werden der neue Paragraph „Besondere Versorgung“ und der Innovationsfonds im Mittelpunkt der Debatte stehen, liegt der Kongress doch genau in der Zeit der parlamentarischen Beratung des Versorgungsstärkungsgesetzes.
Für aktive Netzwerker heißt vernetzt heute aber auch verlinkt. Internetbasierte Diagnose- und Therapieformen, Datenaustausch und Informationsmanagement mit Supercomputern, digitales Wissensmanagement sowie der Zugang von Patienten und Gesundheitsinteressierten zu webbasierten Gesundheitsinformationen werden das Gesundheitswesen weiter verändern. Die Netzwerker begleiten diese Entwicklungen zusammen mit dem Bundesverband Internetmedizin, diskutieren die technischen sowie wirtschaftlichen Möglichkeiten und stellen Start-ups und ihre Ideen vor. Die Vorstellung von Gesundheits-Start-ups wird 2015 fortgesetzt: Neu wird der Start-up-Parcours vor dem Hauptveranstaltungsraumsein. Dort haben ausgewählte Start-ups die Möglichkeit, ihre Produkte und Services zu präsentieren.
Aktuelle News zum Kongress finden Sie auch auf Twitter: GesundheitsXwerker, #GNW2015.

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