Berlin-Chemie Newsletter vom 19. Februar 2020

Berlin-Chemie Newsletter vom 19. Februar 2020

  • G-BA gibt sich Mammutprogramm für 2020
    Gremium setzt Gesetze um und formuliert Normen für fast alle Bereiche des Gesundheitswesens
  • Lieferengpässe – Politik bereitet sich auf Notbremsen vor
    GKV-SV sieht weiterhin kein Problem in Rabattverträgen – Keine Entspannung erwartet
  • Coronavirus – Deutschland auf Pandemie schlecht vorbereitet
    Krankenhausdirektoren und Experten waren vor mangelnden Notfall-Kapazitäten
  • Deutsche bleiben Weltmeister bei Arztbesuchen
    Patienten gehen durchschnittlich zehnmal jährlich in eine ambulante Praxis
  • Gesundheitsmarkt im Visier von Investoren
    Ärzteschaft und Politik sehen wachsendes Engagement von Kapitalgesellschaften mit Sorge
  • Kongress für Gesundheitsnetzwerker - "Digitalisierung - wo stehen wir?"
    Aktuelle Informationen und Diskussionen mit den Top-Experten


G-BA gibt sich Mammutprogramm für 2020    

Noch mehr als bisher will der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2020 die Gesundheitsversorgung in Deutschland neu strukturieren. Dafür hat sich das Gremium jetzt ein Mammutprogramm für das laufende Jahr verpasst. Hier einige der wichtigsten Vorhaben:

Arzneimittel: Zusätzlich zu den bereits 2020 gefassten 6 Beschlüssen zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln ist der Abschluss von weiteren 90 Bewertungen bis zum Ende des Jahres bereits abzusehen. Ab dem 1. Juli 2020 steht Ärztinnen und Ärzten im Arzneimittelinformationssystem (AIS) die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung zur Verfügung. Vom pharmazeutischen Unternehmer kann der G-BA innerhalb einer angemessenen Frist die Durchführung anwendungsbegleitender Datenerhebungen verlangen. Das soll 2020 intensiv geschehen. Der G-BA hat mit dem GSAV den Auftrag bekommen, zu Fragen der Vergleichstherapie Fachgesellschaften und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) schriftlich in die Beratungen miteinzubeziehen. Eine entsprechende Änderung der Verfahrensordnung erfolgt im Februar 2020.
Gemäß dem 2020 in Kraft tretenden Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) hat der G-BA ein Reserveantibiotikum auf Antrag des Herstellers von der Nutzenbewertung freizustellen. Das Antragsverfahren regelt der G-BA in seiner Verfahrensordnung. Der G-BA wird im GSAV beauftragt, in seinen Richtlinien Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel zu geben. Die Hinweise für die ärztliche Versorgung bestimmt der G-BA erstmals bis zum 16. August 2020. Hinweise zum Austausch auf Apothekenebene sind durch den G-BA bis zum 16. August 2022 zu geben.
Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV): Aktuell liegen 14 erkrankungsspezifische Konkretisierungen vor, die 2020 um Kopf- und Halstumoren und neuromuskuläre Erkrankungen ergänzt werden. Zur Behandlung der folgenden Erkrankungen stehen ASV-Angebote zur Verfügung: • ausgewählte seltene Lebererkrankungen • gastrointestinale Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle • gynäkologische Tumoren • Hämophilie • Hauttumoren • Marfan-Syndrom • Morbus Wilson • Mukoviszidose • pulmonale Hypertonie • rheumatologische Erkrankungen bei Erwachsenen • rheumatologische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen • urologische Tumoren • Tuberkulose und atypische Mykobakteriose • Sarkoidose

Bedarfsplanung: Konkretisierung der besonderen Aufgaben von weiteren Zentren und Schwerpunkten. Der G-BA hat bereits die Voraussetzungen beschlossen, die Krankenhäuser erfüllen müssen, um besondere Aufgaben als Zentren übernehmen zu können. Die bestehenden Regelungen werden 2020 um weitere versorgungsrelevante Zentren ergänzt: • Schlaganfallzentren (interdisziplinäre neurovaskuläre Zentren) • Lungenzentren • nephrologische Zentren • kinderonkologische Zentren. Reform der Notfallversorgung: Die ambulanten, stationären und rettungsdienstlichen Strukturen sollen zu einem integrierten System der Notfallversorgung weiterentwickelt werden. Der G-BA wird dazu bundesweit einheitliche bedarfsbezogene Planungsvorgaben zur Bestimmung der Anzahl und Standorte der neuen integrierten Notfallzentren (INZ) treffen.

Disease-Management-Programme (DMP): Derzeit werden im G-BA DMP-Anforderungen zur rheumatoiden Arthritis entwickelt und im Laufe des Jahres 2020 beschlossen. Zudem stehen die Aktualisierungen der DMP Brustkrebs, COPD und Diabetes mellitus Typ 2 an, nachdem das DMP Diabetes mellitus Typ 1 im Januar 2020 aktualisiert wurde. Darüber hinaus ist der G-BA gemäß Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beauftragt, die Integration digitaler Medien in die DMP zu prüfen und schafft hierfür 2020 die erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen und Arbeitsstrukturen. Zu folgenden Erkrankungen gibt es derzeit DMP: • Asthma bronchiale • Brustkrebs • Chronische Herzinsuffizienz • Chronischer Rückenschmerz • COPD • Depressionen • Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 • Koronare Herzkrankheit • Osteoporose

Qualitätssicherung: Zu folgenden Themen wird der G-BA 2020 in Sachen QS weitere Normen definieren: Mindestpersonalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik, Mindestmengenregelungen für ausgewählte planbare stationäre Leistungen, Planungsrelevante Qualitätsindikatoren, Patientenbefragungen in der datengestützten QS, Beratungen zu einem QS-Verfahren Psychotherapie, Ärztliche Zweitmeinung, Anpassung an das Pflegeberufegesetz.

Verlängerung des Innovationsfonds: Der Innovationsfonds wird bis 2024 mit einem Volumen von 200 Millionen Euro jährlich (statt zuvor 300 Millionen Euro) verlängert. 80 Prozent des Fonds sollen künftig in die Förderung der neuen Versorgungsformen und 20 Prozent in die Versorgungsforschung fließen. 40 Millionen Euro sind jährlich für die Förderung von Projekten der Versorgungsforschung vorgesehen. Mindestens 5 Millionen Euro der für die Versorgungsforschung zur Verfügung stehenden Mittel sollen für die Entwicklung oder Weiterentwicklung ausgewählter medizinischer Leitlinien aufgewendet werden. Ab dem Jahr 2020 setzt der Innovationsausschuss zudem die im Digitale Versorgungsgesetz (DVG) vorgesehenen Vorgaben um.

Lieferengpässe - Politik bereitet sich auf Notbremsen vor    

Nicht erst die Ausbreitung des Coronavirus sorgt für große Besorgnis in punkto Arzneimittelversorgung. Die Engpässe der vergangenen Monate haben dafür gesorgt, dass der Bundestag jetzt Änderungen im Arzneimittelgesetz beschloss. Doch während Pharmaverbände und Hersteller vielfach politische Rahmenbedingungen für die Lage verantwortlich machen, behauptet der GKV-Spitzenverband in einem von ihm bestellten Gutachten das Gegenteil..

Der Bundestag beschloss jetzt, Hersteller bei Verdacht auf Engpässe zur Information über ihre Lagerbestände verpflichten zu können. Gleichzeitig soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anordnen dürften, dass Hersteller und Großhändler mehr Medikamente bevorraten. Wie ernst Gesundheitsminister Spahn entsprechende Maßnahmen gegen drohende Lieferprobleme sieht, macht er derzeit energisch klar. Andererseits sehen Branchenkenner in den beschlossenen Maßnahmen noch keine faktische Lösung. Das Gutachten, dass der GKV-SV in Auftrag gegeben hat, kommt erwartungsgemäß zu dem Schluss, dass nicht die Rabattverträge ursächlich für Lieferengpässe verantwortlich sind, sondern die Tatsache, dass viele Hersteller die Produktion wichtiger Medikamente in Billiglohnländer verlagert hätten. Dass angesichts immer horrenderen Rabattdrucks heimische Produktion für viele Anbieter kaum wirtschaftlich darzustellen ist, lassen die Kassen nicht gelten. Eine Lösung wird es also wohl so schnell nicht geben, wenn die eine Seite weiterhin überwiegend mit der moralischen Keule der Sozialverpflichtung droht, Industrie und Unternehmen aber ökonomisch planen müssen.

Hinter den Kulissen werden deshalb in der Politik auch Lösungen verhandelt, die bei der Vergabe von Rabattverträgen zwangsläufig mehrere Hersteller berücksichtigen oder aber auch Produktionskapazitäten im europäischen Raum vorschreiben. Außerdem soll für gewisse Medikamente – vor allem versorgungswichtige Antibiotika – überlegt werden, die Kosten für Lagerhaltung und Bevorratung zu bezuschussen oder auch zu übernehmen. Die Apotheken fordern inzwischen, ihnen entstehende Arbeit und Kosten für immer schwieriger werdende Beschaffung oder Substitution wichtiger Arzneimittel zu erstatten. Auch hier gibt es offenbar politische Überlegungen zu zumindest vorübergehenden Regelungen. Im Gesundheitsministerium und entsprechenden Gremien wird inzwischen kein Geheimnis daraus gemacht, dass man davon ausgeht, dass sich die Probleme in der Arzneimittelversorgung eher noch verschärfen werden und kurzfristig nicht zu lösen sein könnten.

Unterdessen haben die Grünen im benachbarten Österreich beantragt, den führend heimischen Großhändler zu überprüfen, ob örtliche Lieferschwierigkeiten nicht darauf zurückzuführen sein könnten, dass das Unternehmen in Nachbarländern aktuell größere Gewinnmargen bei einer Belieferung mit wichtigen Medikamenten erzielen könnte.

Coronavirus – Deutschland auf Pandemie schlecht vorbereiteth    

Auch wenn aktuell die Lage eher danach aussieht, dass Deutschland bei der aktuellen Coroavirus-Epidemie glimpflich davon kommt, stehen die Zeichen keineswegs auf Entspannung.

Das Coronavirus hat in Europa bisher ein Todesopfer gefordert, einen 80-jährigen Mann aus China. Die 16 Infizierten in Bayern werden kurzfristig aus der Klinik entlassen, während weltweit inzwischen 2000 Tote gibt, rund 80.000 sind infiziert. Kann Deutschland sich also bei dem Thema entspannen? Keineswegs, alarmiert jetzt der Verband der Krankenhausdirektoren (VKD).

Deutschland sei zwar bei der aktuellen Gefahr durch das Virus noch mal glücklich davon gekommen. Allerdings seien die heimischen Krankenhäuser in keiner Weise auf eine größere medizinische Notlage wie eine Pandemie vorbereitet. In plötzlich auftretenden Notlagen seien „massive Versorgungsprobleme“ zu erwarten. Grund sei die jahrelange Praxis, Betten, Kliniken und Notaufnahmen zu reduzieren. Und im Notfall innerhalb von 14 Tagen eine Notfallklinik aus dem Boden zu stampfen, wie es in China geschehen sein, sei hierzulande eine absolute Illusion. Und jetzt seien auch noch „Maßnahmen geplant, die rund die Hälfte der Kliniken von der ambulanten Notfallversorgung ausschließen“, warnt VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. Die Gesetzgebung sei in höchstem Maße fahrlässig.

Auch der Leiter des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, Prof. Dr. Christian Droste sieht eher Grund Alarm zu schlagen, als zu beruhigen. „Deutschland ist auf eine immer wahrscheinlicher werdende Pandemie denkbar schlecht vorbereitet“, so der Experte. Der VKD reagiert in seiner Warnung auf die Ergebnisse der aktuellen Gesetzesinitiative zur Notfallversorgung. Das Problem sei trotz Nutzung aller Vorteile von Digitalisierung oder einer „fragwürdigen telefonischen Beratung“, dass dem Patienten im Notfall weite Wege zu zentralen Notfallaufnahmen zugemutet würden. Bei einer Katastrophe wie einer Pandemie könne damit das Versorgungssystem schnell kippen.

Deutsche bleiben Weltmeister bei Arztbesuchen    

Die Deutschen sind weiterhin Weltmeister bei den Arztbesuchen. Laut einer aktuellen Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) gehen sie im Schnitt jährlich zehnmal in eine medizinische Praxis.

Jahren (18), als die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Praxisgebühr durchsetzte. In der OECD-Statistik bleibt Deutschland jedoch weiterhin Weltmeister. In Frankreich gehen die Bürger durchschnittlich nur sechsmal jährlich zum Arzt, in Schweden sogar nur dreimal. Große Unterschiede gibt es in Deutschland auf regionaler Ebene. Hamburger nehmen nach der Studie 30 Prozent mehr ambulante Leistungen in Anspruch als Brandenburger. Besonders häufig konsultieren auch Berliner und Saarländer medizinische Praxen, während Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt in dieser Hinsicht das Schlusslicht bilden. Das RWI, das für die Studie mit der Universität Tilburg zusammen arbeitet, folgert aus den Daten, dass die Zahl der Arztbesuche keineswegs an unterschiedlichem Gesundheitszustand in den Regionen liegt, sondern vielmehr an den Einstellungen der Patienten.

Bei der Konsultation von Fachärzten spielt die Zahl der Praxisbesuche eine größere Rolle als bei Allgemeinmedizinern. Bei ihnen sind die regionalen Unterschiede von ambulanten Behandlungen zu rund 32 Prozent auf ihre fachspezifische Rolle in der Versorgung zurückzuführen, bei Allgemeinmedizinern nur zu 7 Prozent.

„Unsere Studie macht deutlich, dass ein höheres Angebot an Ärzten nicht automatisch dazu führt, dass Patienten öfter zum Arzt gehen“, sagt RWI-Gesundheitsökonom Ansgar Wübker, einer der Autoren der Studie. „Stattdessen scheinen kulturelle Unterschiede und Einstellungen eine große Rolle zu spielen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Menschen in Ostdeutschland durchschnittlich deutlich weniger ärztlich behandelt werden als im Westen.“ Allerdings könnte die ärztliche Versorgung in Zukunft eine größere Rolle spielen, ergänzt Koautor Martin Salm von der Universität Tilburg: „Angesichts der demografischen Entwicklung in ländlichen Regionen dürfte die Frage, ob man zum Arzt geht oder nicht, künftig stärker von der Versorgung abhängen als bisher.“

Die Analyse basiert auf Daten von 6,3 Millionen Versicherten einer großen deutschen Krankenversicherungsgruppe. Beobachtet wurden Patienten ab 18 Jahren im Zeitraum von 2006 bis 2012. Darunter befanden sich rund 203.000 Patienten, die im beobachteten Zeitraum umgezogen sind.

Gesundheitsmarkt im Visier von Investoren?    

Immer mehr Arztsitze werden von Investoren aufgekauft, die reines Renditeinteresse haben. Jetzt plant der Gesundheitsausschuss eine Anhörung zu dem Thema, um gesetzliche Regelungen zu treffen.

Seit Monaten kocht in der Gesundheitspolitik das Thema Kapitalgesellschaften im Gesundheitsmarkt hoch. Um den Kauf von Arztsitzen gibt es je nach Fachspezifikation einen heißen Wettbewerb. Medizinische Versorgungszentren scheinen gerade für Klinikkonzerne ein praktischer Weg zu sein, um nicht nur Zuweiserportale zu schaffen, sondern vor allem auch Marktanteile in der ambulanten Versorgung zu sichern. In den meisten KV-Bezirken soll der Anteil klinikgeführter MVZ noch unter 25 Prozent liegen. Im Osten allerdings sieht das anders aus: In Thüringen sind nicht einmal ein Fünftel der MVZ noch in Vertragsärztlicher Trägerschaft.

Das große Missverständnis in der politischen Diskussion um MVZ und Versorgungseinrichtungen in der Hand von Kapitalgesellschaften liegt darin, dass seitens der Ärzteschaft MVZ im Grunde genommen gar nicht so kritisch gesehen werden. Im Gegenteil: Viele junge Mediziner bevorzugen inzwischen zunächst ein Angestelltenverhältnis. Insbesondere der Anteil von Frauen in der Medizin (mittlerweile bei Approbationen bei fast 70 Prozent) sorgt für andere Lebensentwürfe, als früh in die Selbständigkeit als Vertragsarzt zu gehen. Kein Problem haben Ärzte auch damit, Ihre Praxis meistbietend an Investoren oder Krankenhäuser zu verkaufen, oft gibt es auch gar keine anderen Interessenten für die abzugebende Praxis. Probleme hat die Ärzteschaft allerding mit reinen Investoren, noch dazu, wenn diese ihre Erträge im Ausland versteuern. Ein Trend der inzwischen auch im Bundestag mit Besorgnis gesehen wird. Anfang März plant der Gesundheitsausschuss deshalb eine Anhörung zum Thema um anschließend gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.

Die Befürchtung der Mediziner: Der Umsatzdruck durch Investoren-getragene Kapitalgesellschaften sorge dafür, dass nicht notwendige medizinische Behandlungen forciert würden oder aber Versorgung nur auf dem geringsten Level stattfände und teilweise nicht mehr patientengerecht sei.

Besonders häufig sind Nierenzentren in Investorenhand. In Deutschland gibt es ganze Regionen, in denen es nur noch Konzern geführte Zentren gibt, beispielsweise im hohen Norden. Wie bei den Nephrologen, die in hohem Maße mit teuren Geräten oder Materialien arbeiten, sieht es auch bei Radiologen aus. Aber auch Augenarztpraxen stehen oben auf der Einkaufsliste von Investoren. Besonders beklagen sich aktuell Deutschlands Zahnärzte über außergewöhnliches Interesse am Aufkauf ihrer Arztsitze durch Investoren. KVen verlieren durch die Zunahme an Ärzten in Anstellung nicht nur mehr und mehr ihre Steuerungsfunktion durch die fachspezifische Nachbesetzung wichtiger Arztsitze. Sie sehen auch generell ihren Sicherstellungsauftrag gefährdet, wenn die Zahl der freiberuflich tätigen Ärzte weiterhin stark abnimmt. In der KV Sachsen stehen bereits jetzt 20 bis 30 Prozent der Arztsitze nicht mehr für freiberufliche Tätigkeit offen. Das hat zweifelsohne erhebliche Auswirkungen auf die Bedarfsplanung sowie auf die Bereitschaft, sich in weniger interessanten Feldern wie der Rheumatologie niederzulassen.

Bereits vor einigen Monaten hatte die Linken im Bundestag mehr Transparenz beim Verkauf von Versorgungseinrichtungen, vor allem an Private-Equity-Fonds, gefordert. Es solle durch die KVen halbjährlich eine Liste aller vertragsärztlich tätigen MVZ vorgelegt werden, die Beteiligung von Finanzinvestoren solle künftig einer Meldepflicht unterliegen. Ziel soll die Sicherstellung von Qualität und die Steuerbarkeit der vertragsärztlichen Versorgung sein um eine Anbieterdominanz aus später nahezu monopolitischen Strukturen zu verhindern.

Kongress für Gesundheitsnetzwerker - "Digitalisierung - wo stehen wir?"    

Der 15. „Kongress für Gesundheitsnetzwerker“ findet am 17./18. März im dbb-Forum Berlin, Friedrichstraße statt. Thema ist dieses Mal „Digital: Ist der Weg das Ziel?“ Auftakt des Kongresses wird ein Impulsreferat von : Dr. Gottfried Ludewig, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation des Gesundheitswesens im Bundesministerium für Gesundheit.

„Wird die vielfach kritisierte elektronische Patientenakte (ePA) nun doch ein sinnvolles Instrument für die Versorgung? Die Pläne dazu werden jedenfalls immer umfassender: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat jetzt weitergehende Regelungen zu den Funktionen der ePA formuliert und einen Entwurf für das „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur“, kurz Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG), vorgelegt.

Im Januar 2021 geht es mit einer noch recht simplen Akte los. Ärzte und Krankenhäuser sollen dann auf Patientenwunsch Dokumente aus dem Behandlungsprozess speichern, viel mehr wird die Akte zunächst nicht können. Ab 2022 ist auch die Integration von Dokumenten wie Impfpass, Mutterpass oder Zahn-Bonusheft vorgesehen. Erst dann wird auch ein wirklich differenzierter Zugriff möglich sein, bei dem Patientinnen und Patienten gezielt Dokumente freigeben können. Für Versorger wird die Akte dann wertvoll, wenn sie gute Suchmöglichkeiten nach Daten bekommen. Wie schnell allerdings die notwendigen Standards der Daten umgesetzt werden, bleibt vage.

Mehr Informationen zum aktuellen Stand der Digitalisierungspläne aus erster Hand verspricht das Panel „Elektronische Patientenakte – Pläne und Erwartungen“ auf dem Kongress für Gesundheitsnetzwerker: Dr. Gottfried Ludewig wird mit seinem Impulsreferat den Auftakt zu einer Podiumsdiskussion geben. Mit ihm diskutieren die Digital-Health-Expertin Birgit Bauer, Dr. Michael Bangemann, Vorsitzender des Praxisnetzes Nürnberg Süd e. V., Nico Schwartze, Leiter des Bereichs Innovation & Change der AOK Nordost – die Gesundheitskasse, sowie Michael Franz, Head of Brand Communication der CompuGroup Medical SE. Die Kernfragen: Was muss eine ePA können, um die Versorgung wirksam zu verbessern? Was brauchen Leistungserbringer auf der einen Seite und Patienten auf der anderen, um wirklich zu profitieren – und wird all dies tatsächlich zu leisten sein?

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