Berlin-Chemie Newsletter vom 08. April 2015

Berlin-Chemie Newsletter vom 08. April 2015

  • VSG: Hörenswert
  • AWMF: Mehr wert
  • PKV-Arzneimittelausgaben: Preis wert?
  • Online-Apotheken: Preiswert!
  • Apple-ResearchKit: Begehrenswert
  • Fitness: Erstrebenswert
  • Dokumentationspflicht: Unwert?
  • Netzwerkerkongress: Wissenswert

VSG: Hörenswert

KBV rudert bei ASV zurück

Unter- und Überversorgungen abzubauen war Dreh- und Angelpunkt der Bundestagsanhörung zum Versorgungsstärkungsgesetz. Personell im Mittelpunkt standen dabei Dr. Andreas Gassen als Vertreter der KBV und Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Zum Thema Neureglung der Ambulant-Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) überraschten zunächst DKG und KBV mit einem gemeinsamen Vorschlag. So wurde vorgeschlagen, dass die Begrenzung auf die „schweren Verlaufsformen“ entfällt, die Bereinigung erleichtert wird. Doch unmittelbar nach der Anhörung im Ausschuss wurde Gassen vom eigenen Vorstand unter Androhung einer Sonder-VV mit Schreiben vom 26.03. zurückgepfiffen. Im Nachgang wurden der ASV seitens der KBV noch folgende Korsettstangen eingezogen: der Facharztstatus sowie die zugeordnete Qualitätssicherung müsse erhalten bleiben, der Arztfall gelte als Abrechnungsgrundlage über die KV, alle ASV-Leistungen müssen extrabudgetär vergütet werden. Eine Leistungsdynamik aus dem stationären Bereich der ASV dürfe nicht zur Minderung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung führen. Darüber hinaus erfordere der Wegfall der schweren Verlaufsformen nach Meinung des KBV-Memorandums eine Neudefinition des Indikationskatalogs, der Kooperationsverpflichtung und der Zusammensetzung der ASV-Teams. Außerdem beharrt die KV auf dem Überweisungsvorbehalt – also doch kein gemeinsamer Vorschlag.

AWMF: Mehr wert

Verfehlt das AMNOG-Verfahren das Ziel bei der Wahl der Vergleichstherapie?

Verbesserungsbedarf sieht die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Das seit 2011 gültige Verfahren im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetztes (AMNOG) weise Mängel auf. Insbesondere die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegte Vergleichstherapie, die stimme nicht immer mit dem aktuellen medizinischen Standard überein, so die Kritik. Gemeinsam mit 13 Mitgliedsfachgesellschaften gründete die AWMF deshalb im September 2014 die Arbeitsgruppe „Frühe Nutzenbewertung“. Die AG schlägt jetzt sieben konkrete Punkte vor, um das Verfahren der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln zu verbessern. Danach sollte der G-BA schon bei der Wahl der Vergleichstherapie unabhängige klinische Fachexperten anhören. Die Auswahl der Fachexperten könnte die AWMF koordinieren. Ebenfalls zu Beginn des Verfahrens sollten bereits Patientenvertreter in die Entscheidungen einbezogen werden. Optimieren ließe sich der Umgang mit Informationen von Untergruppen von Patienten, die von dem neuen Medikament profitieren könnten. Die AWMF sieht darüber hinaus dringenden Bedarf für eine europäische Harmonisierung der Kriterien für Nutzenbewertungen und der Anforderungen für Zulassungsverfahren.

PKV-Arzneimittelausgaben: Preis wert?

Herstellerrabatt „greift“ für 2014 / Neue Arzneimittel als „Preistreiber“?

Medikamente, denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der Nutzenbewertung einen beträchtlichen Zusatznutzen attestiert hat, spielen in der PKV eine deutlich größere Rolle. So lag der durchschnittliche Marktanteil der Privatversicherten bei den neuen Medikamenten des 2013er Jahrgangs bei 15,7 Prozent. Das ist insofern bemerkenswert, als Privatversicherte in der Gesamtbevölkerung nur einen Anteil von 11,3 Prozent haben. Für die Medikamente mit beträchtlichem Zusatznutzen aus den Jahren 2011 bis 2013 ergibt sich ein PKV-Marktanteil von 16,2 Prozent, bei denen mit geringem Zusatznutzen von 14,2 Prozent. Der PKV-Marktanteil für Medikamente ohne Zusatznutzen liegt bei 11,1 Prozent. Bei letzteren besteht damit kein wesentlicher Unterschied zwischen PKV und GKV. Dabei stehen teure Biopharmazeutika auf den ersten Plätzen. Das umsatzstärkste Medikament in der PKV war 2013 erstmals der TNF-alpha-Inhibitor Humira® (Adalimumab). Die PKV-Ausgaben für den vor allem in der Rheumatherapie eingesetzten monoklonalen Antikörper lagen im Jahr 2013 bei 32,6 Millionen Euro. Auch in der GKV ist Humira® das Präparat mit den höchsten Nettokosten (669,5 Mio. Euro). GKV- wie PKV-Versicherte bekommen es etwa gleichermaßen verordnet: Der Marktanteil von Humira® im PKV-Markt lag 2013 bei 10,2 Prozent. Anders sieht es bei den nachplatzierten Präparaten aus: Rang zwei nimmt Xarelto® (Rivaroxaban) ein. Der Umsatz von 27,2 Millionen Euro bedeutet ein Plus von 172,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und: Die Privatpatienten haben einen Anteil von 16,4 Prozent am Gesamtumsatz. Die Umsätze von Lucentis® (Ranibizumab) – Platz drei des Rankings – mit der PKV umfassen sogar ein Drittel des Gesamtumsatzes in Deutschland. Interessant ist auch der fünfte Platz: Den nimmt der Cholesterinsenker Sortis (Atorvastatin) ein, der in den letzten Jahren auf Platz eins zu finden war. Doch infolge des 2012 abgelaufenen Patentschutzes sanken die PKV-Ausgaben für Sortis um 39,7 Prozent auf 21,7 Millionen Euro – 94 Prozent des Sortis®-Umsatzes werden mit Privatpatienten gemacht. In der GKV spielt das Pfizer-Medikament praktisch keine Rolle mehr. Generika haben es schwer in der PKV: Betrachtet man die 100 umsatzstärksten generikafähigen Wirkstoffe des Jahres 2013, lag die Generikaquote in der PKV in dem besagten Jahr bei 60,1 Prozent. Das sind aber immerhin 2,8 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Als Folge der höheren Generikaquote im Vergleich zu 2012 habe die PKV ihre Arzneimittelausgaben um zusätzliche 52,9 Mio. Euro verringern können, heißt es in der Studie. Zum Vergleich: In der GKV lag die Generikaquote bei den gleichen Wirkstoffen bei 93,9 Prozent.

Online-Apotheken: Preiswert!

Doc Morris, Apotal und Shop-Apotheke genießen Vertrauen bei Online-Käufern, soweit der Preis „stimmt“

Der Einkauf von Arzneimittel im Internet ist für die Deutschen Vertrauenssache. Haben sie einen vertrauenswürdigen Onlineshop gefunden, bleiben sie diesem oft treu. DocMorris, Apotal und Shop-Apotheke sind Adressen ihres Vertrauens. Stationäre Apotheken werden trotzdem zur Beratung genutzt. Vorteil: Ware kann dort sofort mitgenommen werden. Dies sind apodiktisch zusammengefasst die wesentlichen Ergebnisse der Studie "Black Box Online Shopping - Medikamente" des Marktforschungsunternehmens Konzept & Markt, für die mehr als 1.100 Onlinekäufer repräsentativ befragt wurden. Rund 41 Prozent haben in den vergangenen zwölf Monaten Arzneimittel im Internet eingekauft. Der typische Onlineshopper von Medikamenten ist weiblich und lebt häufig im Zweipersonen-Haushalt. Verglichen mit anderen Internetkunden ist er eher älter. Überproportional oft sind Rentner im Web auf der Suche nach Schmerzmitteln, Nasenspray und Co. Die Arzneimittelkäufer im Internet sind sehr preissensibel. 87 Prozent nennen günstige Preise als wichtigsten Vorteil beim Onlineshopping. Bei den Käufern anderer Produktkategorien sind es nur 56 Prozent. Da die Arzneimittelonlinekäufer vor allem nach billigen Anbietern suchen, ist ihnen auch die Vergleichsmöglichkeit von Produkt und Preis im Internet sehr wichtig. Weitere Vorzüge des Onlineshoppings sind die Lieferung nach Hause (59 Prozent) und das bequeme Einkaufen von zu Hause aus (49 Prozent). Nur 15 Prozent finden dagegen die große Auswahl wichtig, von den übrigen Befragten sind es 43 Prozent. Doc Morris hat die Nase vorn. 27 Prozent der Medikamentenkäufer haben dort in den vergangenen zwölf Monaten bestellt. An zweiter Stelle folgt der Internetshop Apotal mit 18 Prozent, dann Shop-Apotheke und Versandapotheke (jeweils 15 Prozent). Erst auf dem fünften Rang wird Amazon genannt (14 Prozent). Ebay nutzen nur fünf Prozent. Auch wenn das Internet aufholt, so kaufen doch 87 Prozent der Befragten parallel in stationären Apotheken ein.

Apple-ResearchKit: Begehrenswert

Der Internetkonzern steigt in das Geschäft mit Gesundheitsdaten für die Forschung ein.

Die Research-Kit als Open-Source-Softwareumgebung von Apple ist auf den ersten Blick ein uneigennütziges Geschenk des großen IT-Konzerns an die Menschheit. Tatsächlich ermöglicht der massenhafte Zugriff auf Gesundheitsdaten erstmals die Möglichkeit ohne großen Aufwand gerade für seltene Erkrankungen Studien durchzuführen. Ganz neue Perspektiven eröffnet der Einsatz von ResearchKit für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln und anderen therapeutischen Verfahren. Die in die Kritik geratene Anwendungsbeobachtung würde damit eine ganz neue und gewaltige Dimension erhalten. Bei häufigen Erkrankungen könnten in kurzer Zeit womöglich einige Hunderttausend Verlaufsbewertungen empfangen werden. Die Aussagekraft einer derart breiten Datenbasis aus der Anwendungspraxis wäre vermutlich deutlich wertvoller als die eines üblichen Studienumfangs unter sterilen klinischen Bedingungen. „Evidenzbasierte Medizin“ müsste womöglich neu definiert werden. Aber auch bei seltenen Erkrankungen, für die übliche klinische Studien wegen der geringen Fallzahlen meist schwierig sind, könnte die Apple-weltweite Anwendungsbeobachtung einer neuen Therapie eine breite zusätzliche Datenbasis schaffen.

itness: Erstrebenswert

Das Präventionsgesetz wird schon im Vorfeld zum Turbo für den neuen Fitness-Trend.

Neun Millionen Deutsche lassen sich mit professioneller Hilfe fit machen. Das schlägt sich nieder bei den Fitnessstudios mit einer Steigerungsrate der Mitglieder im Gesamtmarkt von 6,1 Prozent. Binnen Jahresfrist verzeichnen sie einen Anstieg von 8,55 Mio. auf 9,08 Mio. Trainierende. Die reine Höhe der Mitgliederzahl betrachtet, stellt Fitnesstraining selbst Fußball zwischenzeitlich als mitgliederstärkste Trainingsform in den Schatten. Im Jahr 2014 erreichte der Anteil der Fitnesstreibenden an der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik 11,2 Prozent. Im europaweiten Vergleich hat Deutschland allerdings noch immer einen Nachholbedarf. So stählt in Norwegen fast jeder Fünfte (19,6%) seinen Körper in einem professionellen Gesundheitspark, gefolgt von Schweden (16,6%) und den Niederlanden (16%). In der für die Branche besonders relevanten Zielgruppe der 15- bis 65-Jährigen liegt die Quote allerdings schon bei 17,0 %. Der steigende Wunsch der Menschen, sich sportlich zu betätigen bzw. eine aktive Gesundheitsvorsorge zu betreiben, beflügelt die Fitnessbranche. Die Betreiber erhalten derzeit Rückenwind durch die Krankenkassen, die ihren Versicherten Mitgliedsbeiträge erstatten oder Sonderkurse bezuschussen. Insbesondere Betriebskrankenkassen arbeiten zunehmend auf dem Gebiet der Individualprävention und Reha mit Fitnessstudios zusammen. Durch das Präventionsgesetz erhofft sich die Branche einen weiteren Zulauf.

Dokumentationspflicht: Unwert?

Sind Dokumentationen in Fallakten überflüssig und lästig?

Der finanzielle Druck der Krankenhäuser in Deutschland steigt immer weiter und der administrative Aufwand wird verschärft, wodurch für Pflegepersonal und Ärzte weniger Zeit bleibt, sich den Patienten zu widmen. Um herauszufinden, wie hoch dieser Aufwand in Krankenhäusern tatsächlich ist, hat HIMSS Europe im Auftrag von Nuance Healthcare eine Erhebung in deutschen Akutkrankenhäusern durchgeführt. Dabei wurde der Dokumentationsaufwand inklusive aller dabei anfallenden Abläufe beim Arzt bzw. Pflegepersonal im Verlauf eines Falles ermittelt, sowie das Einsparpotenzial durch die Verwendung IT-gestützter Lösungen berechnet. 12 Jahre nach einer ersten Erhebung ergibt sich eine Steigerung des Aufwandes bei 8 von 11 Prozessen in der Chirurgie und 6 von 10 Prozessen in der Inneren Medizin. Der Gesamtaufwand für die Dokumentation beträgt demnach im Ärztlichen Dienst 4 Stunden. Für Chefärzte ist die zeitliche Belastung mit 5,5 Stunden am höchsten. Der Pflegedienst benötigt täglich knapp 3 Stunden zur Dokumentation. Schichtwechselübergabe und Patientendatensuche dauern jeweils länger als 20 Minuten. Auch die entstehenden Kosten zeigen, was der Dokumentationsaufwand bewirkt. 2013 hatten Personalkosten mit 53,8 Mrd. Euro einen Anteil von 61 Prozent an den Gesamtkosten der Krankenhäuser. Knapp 62 Prozent davon entfielen auf den Ärztlichen und Pflegedienst. Dies sind knapp 26 Mio. Euro in einem 450 Bettenhaus. Davon werden 21 Prozent durch Dokumentation verursacht.

Netzwerkerkongress: Wissenswert

Erfolgsrezepte für Start-ups: Visionen statt trüber Suppe

Das Berliner Health-Start-up OneLife hat seine App „onelife Baby“ gelauncht. Die App soll als mobiler Begleiter für werdende Mütter wie ein Schutzengel über Schwangere und Baby wachen. Worauf es bei Innovationen in der Internetmedizin im Speziellen und in Gesundheitsnetzwerken im Allgemeinen ankommt, ist Thema des X. Kongress für Gesundheitsnetzwerker am 29. und 30. April im Langenbeck-Virchow-Haus. Die “Onelife-Baby“-App ist erst der Anfang einer Reihe von digitalen Medizinlösungen für das ganze Familienleben: Untersuchungsheft für Kinder, Befunde, Blutwerte, Impfungen und Allergien sollen bald für jedes Familienmitglied sicher abgelegt werden. Im Gesundheitssektor ist es wichtig, Investoren zu gewinnen, die den Markt verstehen und sich daher auch längerfristig um echte Innovationen bemühen. Wo diese Player zu finden sind, finden Start-ups nur durch Netzwerken heraus.

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