Berlin-Chemie Newsletter vom 16. September 2016

Berlin-Chemie Newsletter vom 16. September 2016

  • Gröhe plant strenges Reform-Monitoring
  • Daten: meine oder deine?
  • Arbeitsklima entscheidet über Gesundheit
  • Beste Qualität um die Ecke
  • Gefahr aus der EU verkannt?
  • Apotheken brauchen Marketing
  • Ampelverstoß oder Orientierungshilfe?

Gröhe plant strenges Reform-Monitoring

Noch sieht die Finanzlage bei den Kassen besser aus, als die öffentlichen Diskussionen manchmal glauben machen wollen. Gesundheitsminister Gröhe ist deshalb bemüht, dass vor allem im Wahljahr 2017 keine Debatten über höhere Gesundheitskosten für den Bürger aufkommen.

Je mehr es auf die Bundestagswahl zugeht, umso mehr wird auch der Ton zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU/CSU rauer. Da bildet die Gesundheitspolitik keine Ausnahme. Vorbei sind die Zeiten, in denen Minister Gröhe nahezu geräuschlos Gesetz um Gesetz über die parlamentarische Bühne bringen konnte und damit zum reformfreudigsten Gesundheitsminister aller Zeiten wurde. Sogar Gröhes Noch-Koalitionspartner und Kontrahent Prof. Dr. Karl Lauterbach attestiert zwar, dass man viel auf den Weg gebracht habe, die Gemeinsamkeiten aber beim Blick in die Zukunft aufhörten. Ungerechte Finanzierung der Krankenkassen – da nicht paritätisch – und zu hohe Kosten, da man keine Bürgerversicherung habe. Kein Wunder, dass Gröhe seine Erfolgsbilanz mit dem Blick auf kommende Wahlen untermauern will. So gab der Minister sich dann auch bei den Haushaltsberatungen zuversichtlich, dass die Kosten nicht aus dem Ruder liefen. Zweifelsohne haben die zusätzlichen Leistungen durch die Reformen, vor allem im Bereich Pflege, die Versorgung nicht billiger gemacht. Die vermeintlich hohen Folgekosten will Gröhe allerdings durch ein konsequentes Reform-Monitoring überwachen. Vor allem will er die Selbstverwaltung bei der Umsetzung des politischen Willens genauer beobachten.

Besonders ärgerlich sind für ihn daher die von den Kassen immer wieder ins Gespräch gebrachten Warnungen vor höheren Zusatzbeiträgen. Auch wenn der GKV-Spitzenverband Schätzungen, dass der Zusatzbeitrag bis 2020 auf 2,4 Prozent steigen werde, mittlerweile relativiert hat, erzeugen höhere Kosten für die Bürger eine schlechte Wählerstimmung. Deshalb wehrte sich Gröhe auch gegen „falsche“ Zahlen und einen „Alarmismus“, der die Bürger verunsichere. In der Halbjahresbilanz der GKV-Kosten gab es sogar einen Überschuss von 600 Millionen Euro, der die Finanzreserven der Kassen auf insgesamt 15,1 Milliarden Euro steigen ließ. Am höchsten war der Überschuss bei den Ersatzkassen (316 Mio.), die AOKen erwirtschafteten immerhin 125 Mio. Plus. Der Ausgabenzuwachs von 3,2 Prozent lag unter dem Schnitt des Vorjahrs (3,7%). Interessant: Die Arzneimittelausgaben stiegen lediglich um 3 %, die der vertragsärztlichen Vergütung um 3,7 Prozent, die Netto-Verwaltungskosten der Kassen dagegen um 4,5% je Versichertem (5,5%) absolut deutlich über dem Vorjahresschnitt.

Der Staat gibt für das Gesundheitswesen 2017 insgesamt 15,1 Milliarden Euro aus, 523 Millionen mehr als im Vorjahr, davon entfallen 14,5 Milliarden auf den Steuerzuschuss an die GKV, 59,1 Millionen gehen in die Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung. Die großen Etats des Gesundheitsministeriums für untergeordnete Institutionen betragen: Robert-Koch-Institut 89,5 Mio., BfArM 80 Mio., internationale Organisationen 37,3 Mio. und für Aktivitäten des BMG selbst 61,7 Mio.

Daten: meine oder deine?

Der Patient im Mittelpunkt. Skepsis überall. Die Datenschutz-Debatte erinnert an ein hängendes Band einer Kassette. Dieselben Für-Argumente treffen auf immer dieselben Gegenargumente. Warum nur?

In Bonusprogrammen bieten Krankenkassen Gutschriften im Austausch gegen Gesundheitsdaten zur Abwendung von Krankheitsrisiken an. Daten wollen alle Akteure im Gesundheitswesen und das ist nicht verwerflich. Nur der Umgang mit ihnen ist entscheidend. Das Potential von Big Data bestreitet niemand, um den zulässigen Rahmen streiten viele. Hochheilig betonen fast alle Akteure im Gesundheitswesen: „Klar, die Gesundheitsdaten gehören dem Patienten“. 2013 sah die deutsche Ärzteschaft es noch etwas anders und dies dürfte sich nicht geändert haben. Eine Befragung der Unternehmensberatung Accenture ergab, dass fast 90 Prozent der befragten Ärzte ihren Patienten nur ungern den vollen Zugriff auf ihre Akte geben wollen. Ein aufgeklärter Patient ist kritischer und hinterfragt Methoden. Andererseits könnte „medizinisches Kauderwelsch“ den Patienten verunsichern. Der Arzt könnte sich schon bald in der Rolle eines Informationsfilters für die Patienten wiederfinden. Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist noch längst nicht so digital, wie es Anbieter von Medizintechnik oder Health-Tracking-Software gerne hätten. Der Austausch von Daten funktioniert zumeist noch in Pilotprojekten. Einen elektronischen Medikationsplan bekommen Patienten auch erst ab 2018. Als unumstritten gilt der Nutzen von Daten in der Wirkstoffentwicklung. Der Digitalverband Bitkom befragte Pharma-Unternehmen zum Nutzen digitaler Techniken. 80 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass die Nutzung von Big Data und Datenanalysen beim Kampf gegen Krebserkrankungen helfen werden. Nur: Es gibt kaum Daten. Erst kürzlich kritisierte Dr. Stefan Oschmann, CEO von Merck, einen Mangel an verwertbaren Daten: „Wir sehen in der pharmazeutischen Industrie, dass unsere Data gar nicht so big sind. Wir haben Daten von 1.000 oder 2.000 Patienten. Könnten Wissenschaftler auf anonymisierte Daten zugreifen, dann könnten Medikamente deutlich schneller entwickelt werden.“ Auch Zulassungsbehörden hätten auf der Basis von Big Data die Sicherheit, Fehler schneller entdecken zu können.

Arbeitsklima entscheidet über Gesundheit

Stress und fehlende Anerkennung führen zu Fehlzeiten, doch im Gesamtüberblick tickt die Hauptstadt anders.

Beschäftigte, die in ihrem Betrieb die Unternehmenskultur schlechter erleben, sind deutlich unzufriedener mit ihrer eigenen Gesundheit und berichten häufiger über körperliche und psychische Beschwerden. „Es gibt einen engen Zusammenhang von erlebter Unternehmenskultur und dem gesundheitlichen Wohlbefinden der Mitarbeiter. Stress, fehlende Anerkennung im Beruf und mangelnde Kommunikation im Betrieb sind häufig Ursache für Fehlzeiten“, ist Werner Mall, Unternehmensbereichsleiter Prävention bei der AOK Nordost, überzeugt. In einer bundesweiten Erhebung wurde neben den Krankheitsdaten auch die gesundheitliche Situation von Erwerbstätigen erfragt. 63 Prozent der Befragten gaben an, zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Lediglich 14,3 Prozent sind mit ihrer Gesundheit weniger zufrieden. Der Krankenstand bei den AOK-versicherten Arbeitnehmern in Berlin lag im Jahr 2015 wie schon im Vorjahr bei 5,2 Prozent und damit unter dem Bundesdurchschnitt (5,3 %). Damit hat jeder Beschäftigte in der Hauptstadt im Durchschnitt 18,3 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefehlt. Die psychischen Erkrankungen in Berlin dauerten mit 23,3 Arbeitsunfähigkeitstagen je Fall am längsten, gefolgt von den Verletzungen mit 18,6 sowie Herz-Kreislauferkrankungen mit 17,4 und Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 16,2 Tagen. Atemwegserkrankungen und Verdauungserkrankungen umfassten jeweils 7 Tage. Ein anderes Bild ergibt sich bei den Arbeitsunfähigkeitsfällen in der Hauptstadt. Hier traten die Erkrankungen des Atmungssystems mit 25 Prozent aller Fälle am häufigsten auf. Es folgen die Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 14,5 Prozent und die Verdauungserkrankungen mit 8,9 sowie die Verletzungen mit 6,2 Prozent. Der Anteil der psychischen Erkrankungen lag bei 6,2 Prozent, bei Herz-Kreislauferkrankungen bei 3,6 Prozent.

Beste Qualität um die Ecke

„Übung macht den Meister“ ist nicht nur der Lieblingssatz jeder Eltern, Trainer und Lehrer, sondern trifft auch in der Gesundheitsversorgung zu. Spezialisieren sich Krankenhäuser auf bestimmte Eingriffe, führt das laut einer Studie zu weniger Todesfällen und Komplikationen bei planbaren Operationen.

Und dies geht mit einer längeren Anfahrtszeit von im Schnitt nur zwei bis fünf Minuten einher. Dies trifft jedoch nicht auf ländliche Gebiete zu. Hierbei geht es nicht nur um finanzielle Vorteile, sondern vor allem um Patientensicherheit. Innerhalb eines Jahres könnten rund 140 Todesfälle bei Hüftoperationen vermieden werden, wenn diese Eingriffe nur von Häusern mit mehr Erfahrung gemacht würden, meinen die Autoren der Bertelsmann-Studie. Für diese wurden mehr als 176 Operationen pro Jahr als Maßstab gesetzt. Das Beispiel Hüftoperationen zeigt, dass 2014 in 311 deutschen Kliniken operiert wurde, die weniger als 50 Eingriffe dieser Art verzeichneten. Ein Extremfall hingegen sind Prostata-Entfernungen. Hier sind die Fallzahlen gefährlich niedrig. Von den 414 deutschen Kliniken, die diese Operation im Angebot haben, nehmen 43 diesen Eingriff seltener als fünfmal im Jahr vor. „Den Bürgern muss bewusst werden, dass sie bei planbaren Operationen in Fachabteilungen mit vielen Fällen und viel Erfahrung die bessere Versorgung bekommen", meint Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Die Patienten müssten die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob ihnen niedrigere Komplikationsraten ein paar Minuten mehr Fahrtzeit wert sind.

Gefahr aus der EU verkannt?

Der EuGH könnte mit einer Entscheidung zugunsten der bislang zumindest in Deutschland verbotenen Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel die Apothekenstrukturen hierzulande zerstören. Das befürchten Experten und sehen auch weiterreichende Folgen für die Arzneimittelversorgung.

Ereignisse wie der „Brexit“ machen plötzlich klar, wie sehr europapolitische Entscheidungen nationale und regionale Entwicklungen beeinflussen. Auch wenn das Bewusstsein in der breiten Öffentlichkeit noch wenig ausgeprägt ist, so zeigt sich doch immer mehr, dass Regelungen durch EU-Parlament und -Kommission oder durch den Europäischen Gerichtshof innenpolitische Handlungsspielräume extrem einengen, ja sogar gesellschafts- und sozialpolitische Normen in Deutschland auf den Kopf stellen können. Jüngstes Beispiel: Die Verhandlung vor dem EuGH zu dem von deutschen Gerichten mehrfach verfügten Rabattverbot auf verschreibungspflichtige Arzneimittel – kurz, das so genannten Rx-Boni-Verbot. Wird dieses vom EuGH gekippt, käme das – fürchten Experten – einer revolutionären Umwälzung der gesamten Apothekenlandschaft gleich.

Zum Hintergrund: Schon lange versuchen ausländische Versandapotheken mit Rabatten auf die Zuzahlungen Patienten zu ködern und so die Arzneimittel-Preisbindung in Deutschland zu umgehen. Schon 2012 hatte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichte des Bundes ein Boni-Verbot erlassen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte dieses Urteil später. Das Arzneimittelgesetz (AMG) bekräftigte noch einmal die Gültigkeit der Arzneimittelpreisverordnung (Preisbindung) für alle hierzulande vertriebenen Arzneimittel. Damit trat allerdings die EU-Kommission auf den Plan, die in einem Vertragsverletzungsverfahren den freien Wettbewerb über EU-Grenzen hinweg gefährdet sah. Zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kam es aber dennoch erst, als das Oberlandesgericht Düsseldorf sich in einem der weiteren Verfahren gegen die Versandapotheke Doc Morris (Niederlande), die trotz mehrfacher klarer Urteile sich nicht an das Rx-Boni-Verbot hielt, überfordert sah und den EuGH anrief.

Dass der EU-Kommission die deutsche Preisbindung ein Dorn im Auge ist und der aus Polen kommende Generalanwalt Macieej Szunpar in seinen inzwischen vorgelegten Schlussanträgen eine Lanze für den „freien Warenverkehr“ brach, war zu erwarten. In seinem Plädoyer erklärte er folgerichtig das Festpreissystem für verschreibungspflichtige Arzneimittel für unzulässig, sofern auch ausländische Apotheken davon betroffen sind. Aus seiner Perspektive widerspricht der §78 des AMG in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung den Artikeln 34 und 36 der EU-Verträge, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit. Eine Einschränkung aus nationaler Sicht habe die Bundesregierung aber nicht belegt, so Szupunar. Mit Spannung muss jetzt das Urteil des EuGH erwartet werden.

Es geht bei der Entscheidung zwar formell um Bonuszahlungen, prinzipiell steht aber das ganze Festpreissystem auf der Kippe und damit die grundlegenden Strukturen der Arzneimittelversorgung in Deutschland von der Apotheke über den pharmazeutischen Großhandel bis hin zur Industrie. Experten wie auch der renommierte Pharmarechtler Dr. Morton Douglas sind sich weitgehend einig, dass ein Kippen des deutschen Preisrechts für ausländische Apotheken zwangsläufig auch für den deutschen Markt kommen würde. Im Rahmen der Normenkontrolle wäre davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht dann nicht nur das Boni-Verbot kippt, sondern auch das Rabattverbot zwischen Großhandel und Apotheke aufgehoben wird. Dann sei es aber für die allermeisten Apotheken, so Morton, ohnehin zu spät, wirtschaftlich in einem Markt zu bestehen, auf dem Konzerne sich auf interessante Versorgung wie die Belieferung von Chronikern stürzen. Den Holland-Versendern gehe es ja nicht vorwiegend um Einzelrezepte, sondern beispielsweise um die Belieferung von Diabetikern, Asthmatikern und HIV-Patienten.

Betroffene, wie der Präsident der mächtigen Apothekerkammer Nordrhein, Lutz Engelen, wollen sich dagegen mit der Entwicklung nicht abfinden. „Wenn der Rahmenvertrag fällt, fehlt bald auch der Apotheker als Garant für eine fachgerechte und flächendeckende pharmakologische Versorgung. In Ballungszentren wird die Apotheke, wie man sie kennt, vielleicht überleben, auf dem Lande sicher nicht. Aber auch der Großhandel wird um den Versorgungsauftrag bangen müssen. Monopole, Oligopole und Konzerne auf Internet-Basis bestimmen dann das Geschehen. Es wird eine Verknappung der Märkte und Dienstleister geben. Leidtragender wird vor allem der Patient sein.“

Apotheken brauchen Marketing

Regelmäßig ermittelt das IFH Köln einen Konjunkturindex für Apotheken und befragt Brancheninsider. Danach versprechen sich die Apotheken viel Positives von einer guten Werbestrategie.

Während Ärzte formell keine Werbung für sich machen dürfen, ist Marketing bei den Apothekern offenbar eine Bedingung, ihren Betrieb wirtschaftlich führen zu können. Einer aktuellen Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH), Köln, zufolge halten fast 78 Prozent der Apotheker Marketing für unverzichtbar. Entscheidend für den Erfolg ist aus Sicht der Pharmazeuten danach neben der Standortwahl (99,5 Prozent halten die für entscheidend) eine gute Kommunikation. Wachsender ökonomischer Druck fordert nach Ansicht von gut drei Vierteln der Befragten zunehmend den Einsatz von Marketinginstrumenten zur Kundenbindung. Die Mehrheit setzt darauf, ihre Apotheke als Unikat zu positionieren. 64,3 Prozent lehnen eine gemeinsame Dachmarke als Werbeträger ab und setzen auf individuelle Maßnahmen. Probleme haben die Apotheken offenbar mit der Gestaltung ihrer Schaufenster. Hier gaben 85,8 Prozent an, Schwierigkeiten zu haben. Insgesamt sind die Geschäftserwartungen der Apotheken jedoch leicht optimistisch.

Ampelverstoß oder Orientierungshilfe?

Der Mehrwert neuer Krebsmedikamente sei oft fraglich, heißt es im Innovationsreport 2016 der Universität Bremen, der im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) erstellt wurde. Aber was ist dran?

Die Studie untersuchte 23 neue Medikamente (darunter neun Onkologika) aus dem Jahr 2013. Prof. Gerd Glaeske von der Uni Bremen führte für die Studie ein Ampelsystem ein, nach welchem nur ein Präparat mit der ‘grünen‘ Bestnote bewertet wurde. Neun Mittel bewertete der Report mit 'gelb', 13 nur mit 'rot'. Es gebe also kaum echte Innovationen, kritisierten die Studienautoren. Deren Meinung weicht auffällig stark von der Meinung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ab. Dieser bescheinigte zwischen 2011 und 2015 schließlich 85 Prozent der Onkologika einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie. Mit den Bewertungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), dem G-BA, der neuen Ampel und bei Zulassungsstudien eingebundene Kliniken gibt es häufig vier Meinungen pro Medikament. Für Ärzte, Gesundheitspolitiker und Patienten ist es schlichtweg eine Sysiphosaufgabe, richtige Schlüsse aus den gegenläufigen Meinungen zu ziehen. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) betont, dass in der Krebsmedizin jedes neue Medikament einen weiteren Baustein für einen abgestimmten Therapieplan darstelle. Für manche Patienten sei es ein sinnvoller Teil einer Kombinationstherapie, für andere ein Reservemittel, wenn die erste Therapie ihre Wirksamkeit verloren habe. Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, rät davon ab, Ärzten das Ampelsystem als Maßstab für Therapieentscheidungen an die Hand zu geben. Und dann wäre da noch die Frage nach dem Geld. Die aktuellen Zahlen des Bundesministeriums für Gesundheit zeigen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung über eine halbe Milliarde Euro an Überschüssen im ersten Halbjahr 2016 erzielt habe. „Auch der Ausgabenzuwachs für Arzneimittel war geringer als noch im Vorjahr. Trotzdem wolle die Kassenseite im bereits hochregulierten Arzneimittelbereich massiv weitersparen, kritisieren viele Versorgungsexperten. Nicht zielführend sei das Arztinformationssystem (AIS) als geplanter Steuerungsmechanismus der Arzneimittelversorgung. Hier wolle die Kasse ihre Versicherten über einen Kamm scheren, statt sie individuell zu versorgen, lautet der Vorwurf gegen dessen Protagonisten.

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