Berlin-Chemie Newsletter vom 02. Juni 2015

Berlin-Chemie Newsletter vom 02. Juni 2015

  • BAH: überzeugend
  • WIdO: überfordernd
  • TTIP: unüberschaubar
  • AM-Index: überraschend
  • MDS: überwacht
  • Apokix: übergreifend
  • BVDVA-Kongress 2015
  • Vernetzte Versorgung

BAH: überzeugend

Zugang soll erleichtert werden mittels separater Festbetragsgruppen

Offenbar kann sich die CDU-Fraktion vorstellen, beim Thema Schrittinnovation den Herstellern von Arzneimitteln für Kinder bei der Zulassung entgegenzukommen. So zumindest der Eindruck anlässlich der Berliner Runde des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH). So sichert MdB Michael Hennrich zu, die Argumente zur Bildung für eine separate Festbetragsgruppe im Feld der Pediatric Use Marketing Authorisation (PUMA) zu prüfen. PUMAs können für Arzneimittel gewährt werden, die bereits zugelassen sind, aber nicht mehr unter Patentschutz stehen, und die speziell für Kinder entwickelt wurden. Voraussetzung ist ein pädiatrisches Prüfkonzept (PIP), das vom Pädiatrieausschuss bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (PDCO) genehmigt werden muss. Als Anreiz zur Erforschung bekannter Wirkstoffe an Kindern erhalten PUMA-Zulassungen einen zehnjährigen Vermarktungsschutz. Bislang hat das Instrument in der Industrie allerdings bei weitem nicht den erwarteten Anklang gefunden. Für Heamangiol ist erst die zweite positive Stellungnahme für eine PUMA erteilt worden seit Einführung über die Kinderarzneimittel-Verordnung im Jahr 2007. Propranolol (Handelsname Hemangiol) ist seit April 2014 für Säuglinge ab der fünften Woche zugelassen, die ein wachsendes Hämangiom haben. Ein Hämangiom, auch Blutschwamm genannt, ist eine Wucherung von Blutgefäßen. Hämangiome treten vor allem in den ersten Tagen oder Lebensmonaten auf und sind meist ungefährlich. Sie finden sich besonders häufig an Kopf und Hals. Die erste Zulassung für die pädiatrische Verwendung (PUMA) wurde im September 2011 für Buccolam (Midazolam) zur Behandlung von Krampfanfällen bei pädiatrischen Patienten erteilt. In einer weiteren Änderung der Verfahrensordnung ist geregelt, dass auch nach dem PUMA-Konzept (Paediatric Use Marketing Authorisation) zugelassene Arzneimittel als Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen gelten. Für Generika, Biosimilars, homöopathische und traditionelle pflanzliche Arzneimittel sowie Medikamente, die nach allgemeiner medizinischer Verwendung zugelassen sind (well established use), müssen keine pädiatrischen Studien vorgelegt werden. Für ältere patentfreie Arzneimittel kann der Hersteller eine eigene Kinderzulassung nach dem PUMA-Konzept (pediatric use marketing authorisation) erreichen, wenn er mit dem Wirkstoff ein spezielles Kinderarzneimittel entwickelt und in den vorgegebenen Altersgruppen prüft. Auch hierfür wird Marktexklusivität gewährt. BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser erinnert daran, dass die PUMA-Liste lediglich zwei Prozent am Gesamtmarkt betreffe, deshalb auch keine Gefahr bestehe, die AMNOG -Regelung mittels Salami-Taktik auszuhebeln - so wie seitens der Gesundheitspolitik befürchtet.

WIdO: überfordernd

Fünf Facharztgruppen bieten 72 Prozent der Leistungen an - mit großen Preisunterschieden.

Niedergelassene Vertragsärzte bieten laut WIdO-Umfrage immer häufiger sogenannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL) an. So hat jeder dritte gesetzlich Versicherte innerhalb von zwölf Monaten ein entsprechendes Angebot erhalten. Die IGeL-Quote ist damit erneut deutlich gestiegen: von 29,9 Prozent im Jahr 2012 auf mittlerweile 33,3 Prozent. „Damit haben rund 20 Millionen GKV-Versicherte im letzten Jahr Erfahrung mit privaten Zusatzleistungen gemacht. Diese Expansion des IGeL-Marktes hat sich vor allem beim Angebot für Frauen vollzogen“, erläutert WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. IGeL werden Frauen wesentlich häufiger angeboten als Männern (41,8 Prozent zu 23,2 Prozent). Mit Abstand am häufigsten werden Ultraschalluntersuchungen (24,8 Prozent), im Wesentlichen zur Krebsfrüherkennung bei Frauen, und Leistungen im Rahmen der Glaukom-Früherkennung (17,6 Prozent) angeboten. Rund 11 Prozent der Angebote entfallen auf Medikamente, Heil- und Hilfsmittel (11,4 Prozent) sowie Blutuntersuchungen und Laborleistungen (11,2 Prozent). In 8,2 Prozent der Fälle werden Frauen weitere ergänzende Krebsfrüherkennungen angeboten. Rund drei von vier IGeL-Angeboten (71,8 Prozent) kommen von fünf Facharztgruppen. IGeL-Spitzenreiter sind die Frauenärzte. Auf sie entfallen rund 30,1 Prozent der privatärztlichen Leistungen. Danach folgen Augenärzte mit einem Anteil von 20,5 Prozent, Orthopäden (10,9 Prozent), Hautärzte (5,7 Prozent) und Urologen (4,6 Prozent). Praktische Ärzte und Allgemeinmediziner erreichen 19,1 Prozent. Bei Berücksichtigung der Größe der einzelnen Arztgruppen zeigt sich, dass Fachärzte deutlich häufiger „igeln“ als Praktische Ärzte und Allgemeinmediziner. So bieten Augenärzte im Durchschnitt pro Jahr mehr als siebenmal so häufig IGeL-Leistungen an wie Allgemeinmediziner, Frauenärzte erreichen mehr als das Fünffache der Allgemeinmediziner. Orthopäden, Hautärzte und Urologen liegen beim Drei- bis Vierfachen. Die Kosten für eine angebotene IGeL-Leistung belaufen sich im Durchschnitt auf 65 Euro. Allerdings gibt es je nach Art der angebotenen Leistung große Preisunterschiede. Während die Hälfte der Leistungen maximal 35 Euro kosten, werden für manche Leistungen hohe dreistellige und sogar vierstellige Beträge genannt. Hochgerechnet haben die niedergelassenen Ärzte (ohne Zahnarzt) mit IGeL im letzten Jahr zusätzliche Einnahmen in Höhe von rund einer Milliarde Euro erzielt.

TIP: unüberschaubar

Montgomery & Co. sorgen sich um Vielfalt des Gesundheitswesens und Freiberuflichkeit

Das Freihandelsabkommen TTIP gefährde die „Vielfalt des europäischen Gesundheitswesens“. Unter diesem Duktus haben die Präsidenten und Vorsitzenden der (Zahn-)Ärzte und Apotheker eine gemeinsame Erklärung herausgegeben. Das deutsche Gesundheitswesen sei geprägt von den Prinzipien der Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit. Die Verbände befürchten, dass Gesundheitsdienstleistungen mit marktorientierten Dienstleistungen gleichgesetzt werden könnten. Daher fordern sie von den Verhandlungsführern der EU diese Grundsätze bei den Verhandlungen zu beachten und die Souveränität „unserer erfolgreichen Gesundheitssysteme“ zu schützen. Durch Art. 168 Abs. 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sei den Mitgliedstaaten die Festlegung und Organisation ihrer eigenen Gesundheitspolitik und ihres Gesundheitswesens zugesichert worden. Die Sonderstellung des Gesundheitssystems sehen die Verbände in Gefahr, denn TTIP könnte zu einer Verwässerung dieser Richtlinien führen. Ausländische Investoren könnten so neben dem ordentlichen Rechtsweg auch vor privaten Schiedsgerichten gegen deutsche Standards klagen, wenn sie wirtschaftliche Nachteile befürchten. Die Patientenversorgung dürfe nicht durch eine deutlichere Ökonomisierung gefährdet werden, betonen die Unterzeichner in ihrer Mitteilung, denn „Kapitalinteressen dürfen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen“. Die Verbandspräsidenten sehen nun die Bundesregierung in der Pflicht „das Gesundheitswesen vor Fehlentwicklungen im Zuge von Öffnungs- und Privatisierungsverpflichtungen zu schützen" und somit auch einen drohenden Machtverlust der Verbände zu verhindern.

AM-Index: überraschend

GKV-Arzneimittelindex zeigt dank neuer Medikamente Fortschritt gegen infektiöse Krankheiten

Der Medikamentenmarkt hat 2014 einen wahren Boom erlebt. Gleich 45 neue Arzneimittel wurden im abgelaufenen Kalenderjahr in Deutschland auf den Markt gebracht. Ein neuer Rekord! Im bisherigen Spitzenjahr 2009 waren es noch 36 Neuzulassungen, im Vorjahr 2013 sogar nur 25. Die Zahlen gehen aus der neuen Arzneimittelklassifikation des GKV-Arzneimittelindexes hervor, welche das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) veröffentlicht hat. Laut Bericht seien die neuen Arzneimittel teurer als je zuvor. Acht neue Wirkstoffe seien sogar mit einem Packungspreis von über 10.000 Euro gelistet. Der therapeutische Wert wird nicht erwähnt. Vor allem Orphan Drugs (14 Neuzulassungen), also Arzneimittel für die Behandlung seltener Krankheiten, sind in der Entwicklung sehr teuer. Fortschritte machen die Pharmakonzerne zum Beispiel in der Behandlung von Hepatitis C. Früher war Hepatitis C tödlich, seit einiger Zeit ist es eine chronische Erkrankung mit hoher Ansteckungsgefahr, die neuen Medikamente können diese Erkrankung heilen. So werden erhebliche Folgekosten eingespart – von der Lebertransplantation bis hin zu vermiedenen Neuerkrankungen durch Ansteckung. Das WIdO schätzt, dass im abgelaufenen Kalenderjahr etwa 7.800 Patienten der rund 100.000 Hepatitis-C-Patienten auf eine neue Therapie umgestellt wurden. 2015 sollen deutlich mehr dieser Patienten die neuen und effektiveren Medikamente mit weniger Nebenwirkungen bekommen. Die 70 Millionen GKV-Versicherten in Deutschland haben laut WIdO 2014 insgesamt 651 Millionen Arzneimittelpackungen mit 39,6 Milliarden Tagesdosen verordnet bekommen. Das macht durchschnittlich 563 Tagesdosen pro Versichertem und somit mehr als 1,5 Arzneimittel pro Tag.

MDS: überwacht

Kritik richtet sich hauptsächlich an Krankenhäuser. Pflege besonders gefahrgeneigt

Exakt 14.663 Behandlungsfehlervorwürfe haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) 2014 begutachtet. In jedem vierten Fall bestätigten die Gutachter den Verdacht der Patienten. Das geht aus der Jahresstatistik der Behandlungsfehler-Begutachtung hervor. „Die Zahl der begutachteten Behandlungsfehlervorwürfe ist anhaltend hoch", so Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS bei der Vorstellung. Im Jahr 2014 gingen die MDK-Gutachter in 14.663 Fällen einem Behandlungsfehlervorwurf nach. Das sind etwas mehr als im Jahr zuvor mit 14.585 Fällen. Ebenso stieg die Zahl der bestätigten Fehler mit 3.796 Fällen leicht an (2013: 3.687.) Knapp zwei Drittel der Behandlungsfehlervorwürfe betrafen laut MDS Behandlungen in Krankenhäusern. Ein Drittel bezog sich auf Vorwürfe gegen einen niedergelassenen Arzt. Die meisten Behandlungsfehlervorwürfe bezogen sich jedoch auf chirurgische Eingriffe. 7.845 Fälle stehen in direktem Zusammenhang mit Operationen. „Dies hat nach unserer Erfahrung damit zu tun, dass bei einem postoperativen Behandlungsverlauf, der nicht den Erwartungen entspricht, der Verdacht auf einen Behandlungsfehler nahe liegt, während Fehler bei der Medikation von Patienten oft nicht wahrgenommen werden“, erläutert Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern. Laut der aktuellen Statistik der MDK-Gemeinschaft wurde ein Behandlungsfehler in 24,3 % der Fälle gutachterlich festgestellt. Die höchste Quote an bestätigten Behandlungsfehlern findet sich jedoch nicht in der Chirurgie. Am häufigsten wurde ein Fehlervorwurf in der Pflege bestätigt (57,8 % von 590 Fällen), gefolgt von der Zahnmedizin mit 39,2 % von 1.419 Fällen, der Allgemeinchirurgie mit 27,5 % von 1.642 Fällen sowie der Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit 27,0 % von 1.144 Fällen. Laut MDK ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, weil Fehler zum einen nicht immer als solche zu Tage treten und somit weder für Patienten noch für Behandler erkennbar sind.

Apokix: übergreifend

90 Prozent der deutschen Apotheken sind im Internet

Die Digitalisierung hat den beruflichen Alltag der bundesdeutschen Apotheken fest im Griff. Dies bestätigt auch eine aktuelle APOkix-Umfrage. So beobachten 88 Prozent der rund 268 befragten Apothekeninhaberinnen und -inhaber, dass sich Kunden immer häufiger vor dem Apothekenbesuch im Internet informieren. Die Folge aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker sind besser informierte (72 %), aber genauso fehlinformierte (84 %) Kunden. Auch die Arbeitsprozesse in der Apotheke sind von der Digitalisierung geprägt. Ein Internetzugang, sowohl im Backoffice (88 %) als auch am Handverkaufstisch (69 %), wird von der klaren Mehrheit der APOkix-Teilnehmer als „Must-have“ gesehen – ebenso wie eine Apotheken-Website (69 %). Darüber hinaus beurteilen rund 44 Prozent der Apotheker die Möglichkeit, dass Kunden Medikamente online vorbestellen, als unabdingbar. Fast ebenso viele Befragte bewerten diesen Service als hilfreiches Add-on. Auch bei den Kunden ist die Online-Vorbestellung beliebt: Schon 2012 gaben im Rahmen der IFH-Studie „Apotheke der Zukunft“ 45 Prozent der Konsumenten an, sich über diesen Service zu freuen; rund 18 Prozent der Konsumenten setzten dieses Angebot sogar bei jeder Apotheke voraus. Generell werden digitale Services nach Ansicht von rund 9 von 10 Apothekern zukünftig an Bedeutung gewinnen. Entsprechend finden 83 Prozent der APOkix-Teilnehmer, dass es zunehmend wichtiger wird, sich der voranschreitenden Digitalisierung anzuschließen und so z. B. die Beratungsqualität zu verbessern (63 %).

BVDVA-Kongress 2015

#bvdva15

Der BVDVA-Kongress ist seit Jahren die Plattform für die Branche: Arzneimittelversandhändler, Apotheker, Pharma-Unternehmen, Industrievertreter und benachbarte sowie nachgelagerte Dienstleistungsbereiche nutzen die Veranstaltung, um sich auszutauschen, neue Trends der Branche kennen zu lernen und die eigenen Netzwerke zu erweitern bzw. niveauvoll zu pflegen. Prof. Eberhard Wille wird zum Thema „Die Distribution von Medikamenten im Rahmen des Arzneimittelmarktes“ referieren. Prof. Franz Porzsolt spricht über die „Chancen und Risiken der digitalen Gesundheitsversorgung“ und Frau Marina Bloch setzt sich mit dem Thema „Schöner Schein. Dunkler Schatten. Fälschungsbekämpfung aus Sicht eines Originalherstellers“ auseinander.

Das vollständige und aktuelle Programm finden Sie unter diesem Link:http://bit.ly/BVDVA_Kongress15_Programm

www.bvdva-anmeldung.de

Vernetzte Versorgung

Fachtagung des BMC am 09.06.2015

Die Digitalisierung hat bereits zahlreiche Lebensbereiche nachhaltig verändert. Im Gesundheitswesen werden die Möglichkeiten, die digitale Medien bieten, jedoch noch verhältnismäßig wenig genutzt. Gleichzeitig gibt es einen Boom von Start-ups, die sich mit Gesundheits-Apps, Wearables, telemedizinischen Angeboten und Online-Communities direkt an Patienten und Bürger wenden.

Haben diese Innovationen das Potenzial, die Versorgung von Patienten auch flächendeckend zu verbessern? Wie können GKV-System und zweiter Gesundheitsmarkt hier sinnvoll ineinander greifen? Und wie verändert sich die Rolle der Patienten und Versicherten durch Digital-Health-Angebote?

Diese Fragen werden auf der BMC-Fachtagung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Darüber hinaus möchten wir gemeinsam mit Ihnen in sechs Schwerpunkt-Foren Thesen zu den Potenzialen und Hürden von Digital Health erarbeiten und diskutieren.

Weitere Informationen finden Sie auf: www.bmcev.de

Weitere Themen