Berlin-Chemie Newsletter vom 28.01.2014

Berlin-Chemie Newsletter vom 28.01.2014

  • Frische Fische
  • Ringen um Ausnahmen auf Substitutionsliste
  • Schneller Abschied - KBV-Chef geht
  • Runder Geburtstag – 10 Jahre G-BA
  • Gesunder Anstieg – Apothekenwirtschaftsindex
  • Schwieriger Einstieg - sektorübergreifende Qualitätssicherung
  • 8. Blick in die Zukunft - Gesundheitsnetzwerkerkongress

Frische Fische

Nur wenig hat Gesundheitsminister Gröhe bislang zu Versorgungszielen geäußert. Kein Wunder, denn aktuell werden viele Positionen im BMG neu besetzt, der Gesundheitsausschuss formiert sich neu und strategische Fragen werden offenbar erst einmal neu bewertet. Eines lässt sich aber wohl schon sagen: Ein Schwerpunkt der nächsten Jahre wird die Versorgung im Alter sein.

Was für die früheren Gesundheitsminister gilt, kann auch Hermann Gröhe für sich in Anspruch nehmen: 100 Tage „Schonfrist“. Immerhin ist er ja im Vergleich zu seinem Vorgänger ein kompletter Neuling im „Haifischbecken Gesundheitspolitik“, wie er selbst inzwischen mehrfach betont hat. Das Gesundheitswesen hat, das wird Gröhe schnell erkennen, seine eigenen Spielregeln. Und eine davon ist, dass die Uhren manchmal schneller gehen. Ein gutes Beispiel ist die Verlängerung des Preismoratoriums und des Zwangsrabatts, die nahezu in Tagesfrist durch die Entscheidungsgremien geboxt wurden. Andere Dinge, wie die Umsetzungen einer Präventionsstrategie dauern dafür länger, manchmal sogar mehrere Legislaturperioden...

Selten zuvor hat es in der Gesundheitspolitik einen tiefergreifenden Wechsel gegeben. Im Gesundheitsausschuss, nun 37 Personen stark, sind mehr als die Hälfte der Abgeordneten neu. Während bei der CDU immerhin noch Jens Spahn als Gesundheitspolitischer Sprecher bleibt, scheiden bei der SPD Dr. Carola Reimann und Prof. Dr. Karl Lauterbach aus. Beide sind nun Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, nur Lauterbach noch mit dem Thema Gesundheitspolitik befasst. Insider sehen ihn jedoch auf einer „Parkposition“. Wie auch seinen Konterpart Spahn, der sich eine deutlich prominentere Position erhofft hatte. Dass die beiden führenden Verhandler bei den Koalitionsverhandlungen nun mit „reduziertem Aktionsradius“ agieren, könnte durchaus gewollt sein. Zumindest zu Beginn der Legislaturperiode – so scheint es – möchte man in der Gesundheitspolitik keine Reibungspunkte. Und schon gar keine „Soll-Bruchstellen“ für die Koalition, wie sie beispielsweise eine erneute Diskussion um die Bürgerversicherung auslösen könnte.

Gröhe, so scheint es, organisiert sich zunächst als moderater Umsetzer notwendiger Fragen. Im Stillen werden offenbar Positionen im Gesundheitsministerium umbesetzt, eine Strategie, die die FDP seinerzeit bei Übernahme des Hauses weitgehend unterließ. Gröhe ist eher der ruhige Taktiker, was ihm nicht zuletzt in seiner Zeit als CDU-Generalsekretär nützlich war. Sich für die Verwaltung des BMG Lutz Stroppe zu holen, der bereits im Büro von Ex-Bundeskanzler Kohl und zuletzt als Staatssekretär im BMFSJ tätig war, zeigt, dass er einen starken Mann für die innere Organisation schätzt. Auch der Aktionsradius der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz, die sich im seinerzeit FDP-geführten Haus nur wenig in die eigentlichen Entscheidungsprozesse einmischen konnte, dürfte jetzt erheblich erweitert sein. Die Zuständigkeit für Pflege gab sie an die neue Staatssekretärin Ingrid Fischbach ab, eine gesundheitspolitische Newcomerin. Dafür dürfte sie künftig andere Gebiete umso stärker beeinflussen.

Nicht zu verkennen ist die Rolle eines neuen Starken außerhalb des BMG. Als Regierungsbeauftragter im Rang eines beamteten Staatssekretärs übernimmt das „westfälische Urgestein“ Karl-Josef Laumann künftig nicht nur die Rolle des Patientenbeauftragten mit eigenem Stab sondern zeichnet gleich auch für alle Aspekte der Demographie und Pflege verantwortlich. Gesundheitspolitische Weichenstellungen dürften ohne ihn, der gleichzeitig den CDU-Arbeitsnehmerflügel vertritt, nur schwer umzusetzen sein.

Erste Mitteilungen aus dem sich neu formierenden Ministerium sind erwartungsgemäß wenig konkret. Was aber auffällt ist die Strategie, sich mit deutlich mehr Vehemenz der Pflege und weitergehend der Versorgung im Alter zu widmen. Noch ist völlig offen, ob die Gesundheitspolitik den stark regulativen Trend der letzten Legislaturperioden fortsetzt oder aber Impulse setzt, die noch stärker als bisher von der Selbstverwaltung aufgenommen werden müssten. Man darf also gespannt sein.

Ringen um Ausnahmen auf Substitutionsliste

Vielfach wurde die Umsetzung des neuen Rahmenvertrags zwischen GKV-SV und DAV von Politik und Patientenorganisationen angemahnt. Doch die Kassen setzen weiterhin auf eine Blockade-Strategie zugunsten ihrer Rabattverträge. Jetzt soll der ehemalige G-BA-Vorsitzende Dr. Hess vermitteln, damit doch noch die längst überfällige Ausnahmeliste zur Substitution besonders sensibler Arzneimittel zustande kommt.

Wenn Krankenkassen etwas verteidigen wie den heiligen Gral, sind es die Rabattverträge. Aufgrund der unnachgiebigen Positionen des GKV-Spitzenverbandes konnten so die Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag zwischen Apothekern und GKV-Spitzenverband lange nicht ernsthaft geführt werden. Nachdem der Gesundheitsausschuss im vergangenen Jahr erneut ernsthafte Konsequenzen angedroht hatte, sollte das Thema weiter verschleppt werden. Durch die Vermittlung von Ex-G-BA-Chef Dr. Rainer Hess kommt jetzt Bewegung in die Sache.

Unter Vermittlung von Hess konnte man sich bereits auf zwei Wirkstoffgruppen einigen, die das Kriterium „enge therapeutische Breite“ erfüllen. Unter anderem gehören dazu Präparate gegen Epilepsie. Wissenschaftler fordern jedoch, besonders auch Arzneimittel mit geringer Variabilität zu berücksichtigen, zum Beispiel Produkte mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, so genannte Retard-Präparate. Bis April soll die Liste nun ergänzt werden.

Während Pharmazeuten, Ärzte, Patientenorganisationen längst keinen Zweifel haben, welche Wirkstoffgruppen von der Substitution durch Rabattverträge auszunehmen seien, kämpfen die Kassen weiterhin gegen jede Ausnahme. Besonders ärgerlich sind sie offenbar über die Forderungen von Fachleuten und betroffenen Patienten, hochwirksame Schmerzmittel und Opiate von der Substitution auszunehmen. Dazu hatte es vor zwei Jahren bereits eine Petition der Schmerzliga mit fast 90.000 Betroffenen im Bundestag gegeben, der das Parlament folgte und der Selbstverwaltung nahelegte, eine Regelung zur Beendigung des automatischen Austausches bei vorliegenden Rabattverträgen zu organisieren. Das Engagement der Schmerzliga war überhaupt erst Anstoß, eine Liste mit nicht austauschbaren Arzneimitteln in den Rahmenvertrag aufzunehmen. Nun wird erneut über eben diese Ausnahme gestritten. Während in der Apothekerschaft über die Notwendigkeit eines Austauschverbots für Opioide keine Zweifel bestehen, drohen die Kassen dem Vernehmen nach mit der Keule einer für sie genehmen Neuregelung des Verfahrens bei Nullretaxationen. Das Ergebnis dürfte zeigen, ob pharmazeutische Bedenken sich künftig noch gegen Sparmechanismen der gesetzlichen Kassen umsetzen lassen.

Schneller Abschied - KBV-Chef geht

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wird kopflos. Die Facharztspitze steht zur Wahl.

Beim Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft zog der scheidende KBV-Chef Dr. Andreas Köhler eine Blitz-Bilanz seiner zehnjährigen Vorstandstätigkeit. Nach schwerer Krankheit war er erst wenige Tage zuvor an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Spekulationen über den Verbleib und Veränderungen an der Spitze der Körperschaft machten die Runde. Jetzt ist klar: Er geht zum 1. März 2014 von Bord, nicht ohne Harm. Köhlers abschließender Ratschlag: „In der Medizin geht es um einen respektvollen Umgang mit den Menschen – das gilt auch für die Selbstverwaltung.“ Köhlers persönliches Fazit lautet: „Anerkennung ist eine Blume, die meist auf Gräbern wächst!" Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt wünscht Köhler „für die Zukunft alles Gute". Er hofft, dass „die anstehende Neuwahl des fachärztlichen KBV-Vorstandes zu einem Klima in der KBV führt, in dem im Hinblick auf die anstehenden gesetzlichen Veränderungen in der KBV-Struktur die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Fachärzten konsensuell gestaltet werden kann. Der Deutsche Hausärzteverband wird im Rahmen seiner Möglichkeiten diesen Prozess konstruktiv begleiten.“ Konkret übersetzt, wird damit einem Rückzug Regina Feldmanns vom KBV-Stellvertreterposten seitens der im HÄV organisierten Hausärzteschaft eine klare Absage erteilt.

Die vakante Facharztposition soll schnellstens wiederbesetzt werden. Im Gespräch sind der Vorsitzende des NAV-Virchowbundes Dr. Dirk Heinrich und Dr. Wolfgang Gassen vom Spitzenverband der Fachärzte. Letzterer ist bereits nominiert. Weitere Bewerbungen sind nicht ausgeschlossen. Es gibt allerdings Überlegungen innerhalb der KBV-Vertreterversammlung einen dritten unabhängigen Vorstand, der kein Arzt ist, zu installieren, um die Konfrontation und Lähmung zwischen den Arztgruppen künftig zu entschärfen.

Runder Geburtstag – 10 Jahre G-BA

Politik lobt zum 10. Geburtstag. Kompetenzerweiterung steht auf der Agenda des obersten Selbstverwaltungsorgans im Gesundheitswesen.

Im zehnten Jahr seines Bestehens herrscht eitel Sonnenschein beim G-BA. Die neue Bundesregierung plant dem Koalitionsvertrag zufolge die Übertragung weiterer Aufgaben an den G-BA. Dazu zählt beispielsweise die Festlegung von Kriterien für die Mittelvergabe aus einem Innovationsfonds von jährlich 300 Millionen Euro für die Stärkung innovativer Versorgungsmodelle sowie für die Förderung von Versorgungsforschung. Diese Zukunftsgarantie wurde beim ersten offiziellen Termin vom neuen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bekräftigt. Beim G-BA scheinen die "Bänke“ nach hartem Ringen in der Vergangenheit ihr Auskommen gefunden. Alle Beteiligten loben die tragende Rolle des G-BA oder wie es Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, in seiner Begrüßungsrede vor 200 Ehrengästen zusammenfasst: "Alle für einen!" Dementsprechend sei es auch künftig vorrangiges Ziel des Gremiums bei wichtigen Fragen einen Konsens herbeizuführen. Harte Mehrheitsentscheidungen bleiben die Ultima Ratio.

In diesem Sinne lobt selbst die Patientenvertreterin Ursula Helms die positive Entwicklung der vergangenen Jahre. Nachdem sich offenbar alle Beteiligten ihrer großen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind, sollten sich Verwerfungen in Grenzen halten.

Gesunder Anstieg – Apothekenwirtschaftsindex

Apotheken grenzen sich stärker gegen Drogeriemärkte ab. Die Geschäftserwartung ist positiv.

Die Apotheken sehen sich im wirtschaftlichen Aufwind. Dies zeigt die Dezember-Umfrage des Apotheker-Konjunkturindex APOkix des IFH Köln. Dabei versucht man sich immer stärker vom umkämpften Drogeriemarktumfeld abzugrenzen. Über 90 Prozent der Befragten wollen sich zukünftig stärker auf ihre heilberufliche Leistungskompetenz konzentrieren. Der legt im Vorjahresvergleich erneut um einen Punkt zu. Apotheken exklusive Mehrwerte werden mit annähernd 85 Prozent ebenfalls als Differenzierungsmerkmal eingestuft, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Prävention bleibt dagegen mit 84 Prozent zunehmend von Interesse. Die Politik hat im Ansehen gewonnen und erreicht jetzt immerhin die Note „ausreichend“ (4,3) bei den Apothekern. Vor einem Jahr noch wurde das Klassenziel mit „ungenügend“ (5,1) verfehlt.

Schwieriger Einstieg - sektorübergreifende Qualitätssicherung

Sektorenübergreifende QS ist nicht friktionsfrei. Der G-BA bemüht sich um Transparenz und Effizienz.

Die Weichen sind richtig gestellt, aber der Zug muss erst Fahrt aufnehmen. Trotz Rückschlägen, so die Kritik an Themenwahl und Dokumentationsaufwand seitens der Krankenhäuser und Vertragsärzte, hält der G-BA am gesteckten Ziel zum Aufbau einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung fest. In Zukunft wird die sQS auf drei verschiedenen Datengrundlagen aufbauen: auf einer QS-Dokumentation (ICD/OPS basiert), Routinedaten (Sozialdaten gem. §284 SGBV) und Patientenbefragungen. 
Dabei sollte die Qualitätssicherung auf dieser Basis nicht als konkurrierende, sondern als sich ergänzende Ansätze verstanden werden. Im Auftrag des G-BA prüft das AQUA-Institut nach § 137a SGB V bereits derzeit schon regelhaft, ob Qualitätsindikatoren auf Routinedaten-Basis (Sozialdaten gem. § 284 SGB V) die Datengrundlage sowohl für sektorenübergreifende als auch für sektorenspezifische QS-Verfahren bilden können. Öffentliche Qualitätsvergleiche, selektives Kontrahieren u.a. machen eine Risikoadjustierung der Qualitätsergebnisse unverzichtbar. Dies wird – nach Meinung der Verantwortlichen im G-BA - nur durch eine Ergänzung der Sozialdaten-Basis durch medizinische Informationen bzw. QS-Dokumentation zu gewährleisten sein.

8. Blick in die Zukunft - Gesundheitsnetzwerkerkongress

Am 25./26. März 2014 steigt der 9. Kongress der Gesundheitsnetzwerker in Berlin.

Das Netz, das seit acht Jahren auf dem Kongress für Gesundheitsnetzwerker von jährlich rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gesponnen wird, wächst im 9. Jahr um eine weitere Facette: 2014 wird ein neuer Faden in Richtung Internetmedizin gesponnen. Zu den langjährigen Partnern NAV-Virchow-Bund und BMVZ stößt der Bundesverband Internetmedizin als Kooperationspartner. War der Blick im Vorjahr noch visionär ins Jahr 2020 gerichtet, liegt 2014 der Fokus auf den Lösungen der Zukunft, die bereits heute verfügbar sind. Erstmals stellt der Kongress erfolgreiche webbasierte Therapieformen und Strategien für Gesundheitsanbieter vor, denn die Zukunft liegt im Netz. Experten diskutieren Lösungen und Versorgungskonzepte der Zukunft mit Praktikern aus Kliniken, Versorgungsnetzen, Praxen und Kassen. Anbieter von Branchenlösungen sind mit einem breiten Themenspektrum vertreten: Von E-Health und Telemedizin über Finanzierung, Recht und Management bis zu strukturierten Vernetzungslösungen reicht der thematische Bogen – neu: das Forum für Start-ups aus dem Bereich Internetmedizin.

Weitere Themen