Berlin-Chemie Newsletter vom 24. Februar 2017

  • Das Stakkato-Sprachrohr
  • Barmer Arztreport zum Thema Kopfschmerz
  • IGeL: MDS-Monitor zieht kritische Bilanz
  • Schlaganfall: Es tut sich was
  • Versorgung mit lebenswichtigen Antibiotika
  • Diabetes auf dem Vormarsch
  • Krankenkassen werben um Mitglieder
  • Datenaustausch: Elektronische Patientenakten und Plattformen

Das Stakkato-Sprachrohr

Kurz vor der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 2. und 3. März in Berlin gibt es auffällig viele Stellungnahmen und Mitteilung aus dem Ärztehaus. Von eigener Softwareentwicklung ist da die Rede, von Serviceleistungen für eine bessere Praxishygiene und von einem neuen Versorgungskonzept für psychisch kranke und auffällige Kinder.

Bereits mehrfach hat KBV-Chef Dr. Andreas Gassen den Gesetzgeber aufgefordert, den Weg für Softwareentwicklungen durch die KBV zu öffnen. Die Softwarehersteller sind darüber natürlich standesgemäß wenig begeistert, warnen gar vor Wettbewerbsverzerrungen. Gassen beruft sich dabei immer wieder auf seine Kritik an den hohen Gebühren für Updates und Anpassungen, welche die Hersteller den Ärzten abknüpfen würden. Nun soll die frühe Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses einen Platz in den Arztinformationssystemen finden. So will es der aktuelle Entwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG). Gebe es keine Finanzierungsvereinbarung mit der Industrie, dann könne sich Gassen auch die Entwicklung eigener Module oder gar ganzer Praxisverwaltungssysteme durch die KBV vorstellen. Es bedürfe nur eines gesetzlichen Auftrags. Dann wären Bedenken bezüglich Wettbewerbsvergehen hinfällig. „Wir können das und dann funktioniert das auch", sagte Gassen kürzlich in Berlin. Diese möglichen Softwaremodule würden den Vertragsärzten dann kostenlos zur Verfügung gestellt werden, denn die KBV dürfe daran nichts verdienen. Dass die KBV daran interessiert ist Schnittstellen für die Anbindung von zusätzlichen Modulen zu entwickeln, ist plausibel. Die angedrohte Entwicklung einer kompletten Software kann aber sicherlich in erster Linie als Knurren gegenüber der Software-Branche aufgefasst werden.

Ein Serviceangebot, das die KBV den Arztpraxen jetzt schon zur Verfügung stellt, betrifft die Hygiene. „Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen unternehmen sehr viel, um die Übertragung von Krankheitserregern zu vermeiden. Beim Kampf gegen Keime und Infektionen unterstützen wir sie mit einem erweiterten Serviceangebot mit kompakten und übersichtlichen Informationen“, so Gassen. Das Spektrum reicht vom Musterdokument für einen Reinigungs- und Desinfektionsplan für die Praxis über Ablaufbeschreibungen beispielsweise zur Aufbereitung von Medizinprodukten oder zur Wundversorgung bis hin zu Checklisten, mit denen die Umsetzung der Hygienemaßnahmen überprüft werden kann. Im Mittelpunkt stehen dabei fachübergreifend Maßnahmen zur Basishygiene. Die Materialien wurden mit dem Kompetenzzentrum (CoC) Hygiene und Medizinprodukte der Kassenärztlichen Vereinigungen entwickelt. Das Zentrum hat gerade eine detaillierte Mustervorlage herausgegeben, mit der ein Hygieneplan für die Arztpraxis erstellt werden kann.

Kürzlich meldete sich die KBV dann noch mit einem neuen Versorgungskonzept für psychisch kranke und auffällige Kinder und Jugendliche, welches „ambulant, bedarfsgerecht und zeitnah Hilfe“ ermögliche. Neben emotionalen Störungen wie Angststörungen oder Depressionen würden Kinder und Jugendliche besonders häufig Aufmerksamkeitsstörungen mit oder ohne Hyperaktivität, Verhaltensstörungen mit Störungen im Sozialverhalten und der sozialen Kompetenz sowie psychosomatische Krankheitsbilder wie zum Beispiel Essstörungen aufweisen. Bereits vorhandene Behandlungsangebote könnten häufig nicht in Anspruch genommen werden, weil sie nicht in den Alltag der Familien passen, ist die KBV überzeugt. „Zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen haben eine psychische Störung, 20 Prozent sogar psychische Auffälligkeiten. Und auch die Zahl der stationären Einweisungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen“, so Dr. Susanne Armbruster, Abteilungsleiterin bei der KBV für flexible Versorgungsformen und Patientenorientierung. Gemeinsam mit dem Bundesverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde ein Konzept entwickelt, das die enge Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendärzten, Hausärzten, Ergotherapeuten, Schulen, Kitas, Jugendämtern und stationären Einrichtungen vorsieht. „Diese Form der Versorgung gibt es zurzeit noch nicht – wir spannen den Bogen nun weiter", sagt Gassen. Die Basis sei ein niederschwelliger Zugang durch Therapiemöglichkeiten zum Beispiel in der Schule oder im Umfeld des Patienten.

Natürlich geht es auch ums Geld. Der GKV-Spitzenverband und die Kassen müssen jetzt noch überzeugt werden, dass die Mehrausgaben sinnvoll investiert sind.

Barmer Arztreport zum Thema Kopfschmerz

Kopfschmerzen und insbesondere Migräne betreffen immer häufiger jüngere Menschen. Dabei handele es sich um einen realen Anstieg und eben nicht nur häufigere Dokumentation von Fällen, heißt es im diesjährigen Arztreport der Barmer Ersatzkasse. Medikamente seien hilfreich, bessere Prävention aber noch besser.

Zwischen 2005 und 2015, dem Untersuchungszeitraum, welcher dem Report zugrunde liegt, gab es in der Altersgruppe der 18-27-Jährigen einen Anstieg an Kopfschmerzdiagnosen von 42 Prozent. Zum Vergleich. In allen Altersgruppen zusammen stieg die Diagnosezahl um 12 Prozent. Umgerechnet sind somit rund 1,3 Millionen junge Erwachsene von einem ärztlich diagnostizierten Pochen, Klopfen und Stechen im Kopf betroffen und damit rund 400.000 mehr als noch im Jahr 2005. Der Barmer-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Christoph Straub findet diese Entwicklung „alarmierend!“. Woran das liegt, könne gar nicht so genau gesagt werden. Vermutlich nehme aber der Druck auf die jüngeren Menschen zu, beruflich sowie in der Ausbildung. Am häufigsten wurden Kopfschmerzen im Alter von 19 Jahren diagnostiziert. Fast jede fünfte Frau (19,7 Prozent) dieser Altersgruppe ist betroffen. Bei den Männern sind es auch noch 13,8 Prozent. Fast jeder Zehnte (9,3 Prozent, 7,6 Millionen Menschen) der Gesamtbevölkerung sei 2015 betroffen gewesen, berichtet der Report. „Gerade junge Erwachsene brauchen bessere Präventionsangebote", erklärte Straub. Ausdauersport, Entspannungstechniken oder eine gesunde Lebensführung würden Kopfschmerzen präventiv entgegenwirken. Der Kassenchef und der Studienautor Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Geschäftsführer des AQUA-Instituts, wollen Medikamente nicht verteufeln. Bei richtigem Einsatz seien diese hilfreich, aber eine übermäßige Einnahme könne die Gesundheit, vor allem die Nieren, schädigen. Bei den häufig von Kopfschmerzen betroffenen 18- bis 27-Jährigen ist der Einsatz von Migränemitteln von 2005 bis 2015 um 58 Prozent gestiegen. Über alle Altersklassen hinweg habe der Anstieg lediglich 9,9 Prozent betragen.

IGeL: MDS-Monitor zieht kritische Bilanz

„Individuelle Gesundheitsleistungen bringen nicht den versprochenen Nutzen“, urteilt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS), der mit seinem Internetportal seit fünf Jahren eine Entscheidungshilfe für und gegen individuelle Gesundheitsleistungen anbietet. Jeder zweite Patient bekomme beim Arztbesuch eine derartige Aufwendung angeboten, jedoch fühle sich eine Vielzahl von ihnen anschließend mit der Entscheidung allein gelassen und unter Druck gesetzt.

Der MDS hat es sich laut eigenen Angaben zum Ziel gesetzt das Informationsgefälle zu verringern und die Patienten bei der Wahl zu unterstützen. Darüber appelliert der medizinische Dienst für eine kritische Einschätzung auf Patientenseite – vor dem Hintergrund, dass Zusatzleistungen den Ärzten einen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Die Schaden-Nutzen-Bilanz erweise sich in Summe als eher negativ. Die Gesamtbilanz der bislang 45 Bewertungen und Beschreibungen des Monitors fällt nicht gut aus. Nur drei IGeL wurden beispielsweise mit tendenziell positiv bewertet. 17 IGeL erhielten sogar die Bewertung tendenziell negativ – das heißt der zu erwartende Schaden sei höher als der Nutzen. „Auch wenn Früherkennungsuntersuchungen meist sehr positiv von Patienten und Ärzten gesehen werden – sie sind nicht per se nützlich. Sie können schaden – durch Übertherapien, Überdiagnosen, Belastung durch Tests oder auch dadurch, dass sie dem Patienten eine falsche Sicherheit vorgaukeln. Der Markt ist hier sehr zunehmend größer und uneinheitlicher geworden“, so Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs „Evidenzbasierte Medizin“ beim MDS. Wichtig sei eine angemessene Bedenkzeit, ergänzt Pick. Die Ärzteschaft hat dieses Urteil natürlich nicht teilnahmslos hingenommen. „Die Krankenkassen sind hier scheinheilig unterwegs. Einerseits verteufeln sie IGeL, andererseits bieten einige Kassen als Satzungsleistung selber Leistungen aus dem IGeL-Katalog an oder finanzieren bedenkenlos homöopathische Verfahren, für die es überhaupt keinen evidenzbasierten Nachweis gibt“, reagierte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. Es dürfe darüber hinaus nicht vergessen werden, dass IGeL eine der wenigen Optionen darstellen würden, durch die medizinischer Fortschritt und Innovationen in die Gesetzliche Krankenversicherung gelangten. „Derzeit wird beispielsweise die Stoßwellentherapie im Gemeinsamen Bundesausschuss beraten. Ein anderes Beispiel sind Akupunkturleistungen, die vor einigen Jahren in den Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurden“, so Gassen weiter.

Schlaganfall: Es tut sich was

Während Baden-Württemberg eine überarbeitete Schlaganfallkonzeption vorgestellt hat, wird in Sachsen ein Netzwerk mit Schwerpunkt Telemedizin gefördert. Zudem soll ein neuer Prognosescore Auskunft über den Wirkungsgrad einer Frührehabilitation geben.

Selten tut die Politik etwas, von dem die Kassenlandschaft begeistert ist. „Durch die neuen Vorgaben wird sich die Schlaganfall-Versorgung der Bevölkerung im Südwesten weiter verbessern“, sagte Andreas Vogt, Leiter der Techniker Krankenkassen-Landesvertretung Baden-Württemberg, kürzlich. „Nun kommt es darauf an, dass durch Zertifizierungen und Qualitätsprüfungen die neue Konzeption möglichst rasch flächendeckend in Baden-Württemberg umgesetzt wird.“ Worum es geht? Weil bei einem Schlaganfall jede Minute zählt, sollen in Baden-Württemberg die Möglichkeiten rascher medizinischer Hilfe verbessert werden. Kernpunkte des neuen Konzepts seien die schnellstmögliche Einlieferung in ein geeignetes Krankenhaus, eine differenzierte Diagnostik mit sofortigem Behandlungsbeginn sowie ein möglichst früher Beginn der Rehabilitation, ließ Sozialminister Manfred Lucha mitteilen. Alle Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall sollen direkt in die nächstgelegene zertifizierte Schlaganfallstation eingewiesen werden können. Aber eines hat Kassenmann-Vogt dann doch noch zu kritisieren: "Die Möglichkeiten der Telemedizin im Bereich Schlaganfall werden noch viel zu wenig genutzt." Hier lohnt ein Blick nach Sachsen.

Mit rund 590.000 Euro fördert das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz (SMS) das Telemedizin-Projekt „Integration der ambulanten Nachsorge in das Schlaganfallnetzwerk Ostsachsen (INAN-SOS)“ aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Das Projekt ist nicht neu, aber nun sollen erstmals Haus- und Fachärzte sowie weitere Stellen der ambulanten Nachsorge an das Schlaganfallnetzwerk telemedizinisch angebunden werden. Der bereits bestehende technisch unterstützte Betreuungspfad soll dabei um ein Modul für die ambulante Nachbetreuung auf der IT-Plattform „CCS Telehealth Ostsachsen“ ausgeweitet werden. Bei dem Projekt handelt es sich um ein Kooperationsprojekt von Technischer Universität Dresden, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und der Carus Consilium Sachsen GmbH, welche die mit 9,8 Millionen Euro aus EFRE-Mitteln geförderte Plattform entwickelte.

Apropos Nachbetreuung. Die große Mehrzahl der akuten Schlaganfallpatienten in Deutschland erhält eine neurologische oder geriatrische Rehabilitation nach der Akutphase. Eine neue Studie von drei Hamburger Asklepios Kliniken, die in der Zeitschrift „Aktuelle Neurologie“ veröffentlicht wurde, untersuchte seit 2012 über drei Jahre Patienten, die sich nach einem schweren Schlaganfall in der Frührehabilitation befanden. Die Erkenntnisse aus Daten von 818 Schlaganfall-Erkrankten: Selbst nach einem starken Schlaganfall können schwere Lähmungen sowie Schluck- und Verständigungsstörungen durch eine intensive Frührehabilitation stark zurückgebildet werden. Auch die Gehfähigkeiten ließen sich verbessern: Nach durchschnittlich drei bis sechs Wochen Behandlung konnten statt anfänglich nur fünf Prozent immerhin 20 Prozent mehr oder weniger alleine gehen. Zu beachten sei, dass es bei zwei Drittel der Patienten während der frühen Rehabilitation Komplikationen – wie beispielsweise Infektionen oder Psychosen – gegeben habe. Frauen haben, so geht es aus den Zahlen hervor, geringere Heilungschancen als Männer. Wenig überraschend: Je mehr Komplikationen während der neurologischen Frührehabilitation auftraten, je älter die Patienten waren und je mehr Vorerkrankungen wie Vorhofflimmern und Diabetes mellitus vorlagen, desto geringer waren die Heilungserfolge. Durchschnittlich 34 Tage verbrachten die Studien-Patienten in den Einrichtungen, wobei sie täglich mindestens fünf Stunden in Behandlung waren.

Nun soll aus den Ergebnissen ein Prognosescore entwickelt werden, der helfen soll, frühzeitig eine Prognose abzugeben. „Der neue Prognosescore sollte in weiteren Studien noch näher untersucht und untermauert werden. Wenn seine Aussagekraft bestätigt werden kann, ist er ein wertvolles Instrument für die Planung der Frührehabilitation nach einem schweren Schlaganfall“, meint Professor Dr. Joachim Röther, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona abschließend. In Deutschland gibt es mehr als 4.500 Behandlungsplätze zur neurologischen Frührehabilitation.

Versorgung mit lebenswichtigen Antibiotika

In den vergangenen Monaten kam es mehrfach zu Lieferengpässen von lebenswichtigen Antibiotika. Schuld daran ist vor allem eine Anbieterkonzentration auf Einzelwirkstoffebene im außereuropäischen Raum. Pro Generika plädiert für eine teilweise Rückführung der Produktion nach Deutschland.

Der Pharmaverband Pro Generika hat zwei Studien in Auftrag gegeben, um die Ursachen der jüngsten Lieferengpässe zu ergründen und nach Ansätzen zu suchen, wie sie künftig vermieden werden können. Das Ergebnis: Die Antibiotikaversorgung in Deutschland hänge „am Tropf Chinas", so der Verbandsvizechef Dr. Markus Leyck Dieken und erklärte: „Angesichts der weltweit angespannten geopolitischen Lage sollte sichergestellt werden, dass der Erste-Hilfe-Koffer im Ernstfall in Europa steht.” Der Weg zu einer Stärkung der heimischen Antibiotikaproduktion sei wichtig für die Versorgungssicherheit. Man müsse jetzt über eine partielle Rückverlagerung beziehungsweise einen Neuaufbau der Produktion von Intermediates und Wirkstoffen für Antibiotika in Deutschland sprechen. Als geeignete Plattform wird ein Pharmadialog 2.0. gehandelt. Wie der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauer, erklärte, habe sein Verband bereits das letzte Mal auf das drängende Problem des Kostendrucks bei lebenswichtigen Arzneimitteln hingewiesen. Allerdings sei der Abschlussbericht der Bundesregierung in dieser Hinsicht in Absichtserklärungen stecken geblieben. „Wir haben noch nicht alle Hausaufgaben gemacht.“ Es sei zwar richtig, über ein besseres Engpassmanagement zu diskutieren. Doch am Ende könnten Informationen allein keinen Engpass beheben, wenn dieser auf der Ebene der Produktion zustande kommt. „Die Erzeugung von Intermediates und Antibiotika-Wirkstoffen wurde sukzessive in das Non-EU-Ausland ausgelagert“, erklärte Dr. Morris Hosseini, Senior Partner bei Roland Berger. Vor allem in China wurden die Produktionskapazitäten stark ausgebaut. 80 Prozent der Intermediates und Antibiotika-Wirkstoffe kommen heute aus Ländern außerhalb der EU. Teilweise gäbe es nur zwei oder drei relevante Produzenten von Wirkstoffen beziehungsweise von für die Produktion wichtigen Intermediates. Dadurch entstehe eine sehr starke Abhängigkeit. Die könne nur durchbrochen werden, wenn ein Teil der Produktion nach Deutschland zurückgeholt werde.

Hierzulande ging es in den vergangenen Jahren nur darum, Preise zu drücken. Preismoratorium, Rabattverträge und Festbeträge haben dafür gesorgt, dass sich die Produktion auf das außereuropäische Ausland verlagert. Die Versorgungssicherheit stand dabei hinten an. Daher bedarf es nun einiger Unterstützung, um die Produktion in Deutschland wieder attraktiver zu machen: Etwa durch das Festlegen höherer Preise durch das Festsetzen eines Subventionsbetrags zum Ausgleich der Mehrkostenbelastung durch die lokale Wirkstoff-Produktion oder durch die Vereinfachung des Aufbaus von lokalen Produktionsanlagen durch Investitionszuschüsse oder Steuererleichterungen. Auf der Industrieseite habe man die Aufgabe, die lokale Produktion aufzubauen und die dazu notwendigen Technologien zu beschaffen. Kassenseitig müsse eine Mehrfachvergabe von Tendern erfolgen. Zudem müsse die lokale Produktion als Wettbewerbsvorteil anerkannt werden und Festbeträge für lokal produzierte Produkte angepasst werden. Und zuletzt müssten auch die Einkaufsgemeinschaften von der reinen Kostenorientierung absehen und dazu übergehen, auch andere Produktionskriterien zu beachten und mehrere Lieferanten zu identifizieren. Sinnvoll sei darüber hinaus eine dauerhafte Sicherung von Abnahmemengen.

Diabetes auf dem Vormarsch

Die Diabetes-Aufklärungsaktion „Gesünder unter 7“ hat gezeigt, dass der Bedarf an Diabetes-Prävention in Deutschland weiterhin hoch ist und bereits in jungen bis mittleren Jahren beginnen muss.

Aufklärungsaktion „Gesünder unter 7” teilgenommen und ihr Diabetes-Risiko abklären lassen. Dazu füllten die Freiwilligen ohne bekannten Diabetes nicht nur einen Fragebogen (FINDRISK) aus, sondern ließen zudem ihren Blutzucker, Blutdruck, Bauchumfang und BMI bestimmen. Darüber hinaus ließ gut jeder Fünfte auch seinen HbA1c-Wert messen. 40 Prozent der Freiwilligen waren jünger als 55 oder älter als 64 Jahre alt, etwa 20 Prozent im Alter dazwischen. Der Anteil der Frauen lag mit zwei Drittel höher als der der Männer. Die Ergebnisse sind alarmierend: 40 Prozent der Menschen hatten nahe Verwandte mit Diabetes und damit eine Prädisposition. 17 Prozent waren adipös und weitere 40 Prozent übergewichtig. Jeder Dritte bewegte sich nicht regelmäßig und jeder Fünfte hatte ungesunde Essgewohnheiten – Obst, Gemüse und Vollkornprodukte wurden nicht täglich verzehrt. Jeder Zweite hatte zudem Bluthochdruck mit systolischen Werten über 140 mmHg. Nach der FINDRISK-Skala hatten 14 Prozent ein moderates bis hohes Risiko, binnen zehn Jahren Diabetes zu entwickeln. Die HbA1c-Bestimmung ergab bei 19 Prozent der Freiwilligen Werte über 6,5 Prozent, was als manifester Diabetes gilt. Weitere 24 Prozent hatten zudem mit Werten zwischen 6,0 und 6,4 Prozent und damit ein hohes Erkrankungsrisiko. Für die Studienautoren um Professor Stephan Jacob aus Villingen-Schwenningen ergibt sich aus diesen Untersuchungen ein klare Handlungsempfehlung: die Diabetes-Prävention muss dringend verbessert werden und möglichst früh beginnen.

Krankenkassen werben um Mitglieder

Die AOKen befinden sich auf Wachstumskurs, können sie im Wettbewerb dank des Morbi-RSA mit geringen Zusatzbeiträgen punkten. Neu an der Spitze im Mitglieder-Ranking ist die Barmer, die durch eine Fusion schlagartig um fast 800.000 Mitglieder wuchs.

Die Techniker Krankenkasse (TK) muss der Barmer vorerst die Spitzenposition im Mitglieder-Ranking überlassen. Durch die Fusion mit der Deutschen BKK bekam die Barmer schlagartig rund 798.000 Mitglieder dazu und wuchs damit auf mehr als 9,4 Millionen Mitglieder. Die TK kann trotzdem zufrieden sein, verzeichnete sie 2016 erneut einen hohen Zulauf von fast 298.000 Mitgliedern. Damit bleibt sie der Barmer dicht auf den Fersen und könnte sie bald schon wieder überholen. Denn finanziell ist die TK ein wenig attraktiver, mit 1,0 Prozent liegt der Zusatzbeitrag um 0,1 Punkt niedriger als bei der Barmer. Der günstige Gesamtbeitrag von 15,2 Prozent dürfte der Grund für den Erfolg der AOK Plus sein. Sie gewann 2016 mehr als 200.000 Mitglieder dazu. Viele andere Ortskrankenkassen befinden sich ebenfalls auf Wachstumskurs. Unter den zehn Kassen mit den höchsten Zuwächsen befinden sich laut “Versicherungsjournal” sieben AOKen. Nur die HKK hat dazwischen noch Platz. Dank des niedrigen Gesamtbeitrags von 15,19 Prozent landete sie mit fast 86.000 neuen Mitgliedern auf dem fünften Platz. Der größte Verlierer war 2016 erneut die DAK Gesundheit. Mehr als 191.000 Mitglieder haben der Kasse den Rücken gekehrt – vermutlich wegen des hohen Zusatzbeitrags von 1,5 Prozent. Mit einem Gesamtbeitrag von 16,1 Prozent war die DAK Gesundheit 2016 die zweitteuerste Krankenkasse nach der Viactiv, die gut 30.000 Mitglieder verlor. Ebenfalls zu den Verlieren zählen die IKK Classic, von der knapp 110.000 Mitglieder abwanderten. Auf Platz drei der Kassen mit den größten Verlusten steht die Knappschaft, die ein Minus von über 30.000 Mitgliedern verkraften musste.

Datenaustausch: Elektronische Patientenakten und Plattformen

Was kann Deutschland eigentlich? Besucht man die vielen Telemedizinkongresse in Deutschland, dann fällt vor allem eines auf: Überall wird sich beklagt, dass doch der Rest von Europa viel weiter sei bei Vernetzung und Elektronischen Patientenakten. Was ist dran?

Die Österreicher haben nun ELGA, die elektronische Gesundheitsakte, verankert im ElGA-G, dem 2013 in Kraft getretenem Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz. Das öffentliche Gesundheitsportal wurde in Kärnten bereits erfolgreich eingeführt, nun folgt derzeit der flächendeckende Rollout in die anderen Bundesländer. In der Schweiz ist seit diesem Jahr die Einführung elektronischer Patientenakten in Krankenhäusern und Heimen Pflicht. In Schweden, wo das Gesundheitssystem regional organisiert ist, diktierte der Staat das Vorgehen bei der Einführung der Elektronischen Patientenakte NPÖ (Nationell Patientöversikt) maßgeblich. Schon seit 2012 können Patienten auf einer zentralen Plattform ihre Dokumente und Termine verwalten, die eigene Akte lesen und auf Wunsch sogar erfahren, wer die eigene Akte gelesen hat. Dies sind nur drei Beispiele. Interessante Erfahrungen werden auch in Dänemark und Estland gemacht – und auch in Deutschland, was immer wieder vergessen wird. Die Techniker Krankenkasse hat zum Beispiel gerade den IT-Riesen IBM mit der Entwicklung einer Elektronischen Patientenakte beauftragt. Andere Kassen folgen mit ähnlichen Kooperationen oder anderen Ansätzen. Obwohl die Telematik-Infrastruktur als Kernstück der digitalen Transformation des deutschen Gesundheitswesens immer noch nicht da ist, werden bei verschiedenen Versorgern und Projektregionen bereits Erfahrungen mit Elektronischen Patientenakten gesammelt. Dabei entstehen jede Menge Insellösungen, in denen wichtige Erfahrungen gesammelt werden. Am zweiten Tag des 12. Kongresses für Gesundheitsnetzwerker in Berlin wird in diversen Vorträgen und Diskussionen gezeigt, was heute schon in Arztnetzen (z.B. Rosenheim und Niederrhein) eingesetzt wird, welche EPAs es bereits gibt und, ganz wichtig, wie aus Insellösungen ein flächendeckendes Netz zum Austausch relevanter Informationen werden kann. Mehr erfahren Sie auf dem Kongress für Gesundheitsnetzwerker am 29. und 30. März im Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin! Anmeldung unter: www.gesundheitsnetzwerker.de

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