Berlin-Chemie Newsletter vom 23. Januar 2017

  • Terminservicestellen: Toben und loben
  • GKV-SVSG: Nur die Politik mag es
  • Digitalisierung: Endlich Fortschritt
  • Kehrtwende? Rx-Versandhandelsverbot in SPD-Reihen denkbar?
  • Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker
  • Robert Koch Institut veröffentlicht Impfquoten
  • Landarztmangel: Sind neue Maßnahmen beschlossene Sache?
  • Kongress für Gesundheitsnetzwerker: Vernetzung weiterdenken!

Terminservicestellen: Toben und loben

Ein Jahr nach Einführung der Terminservicestellen divergieren die Meinungen unverändert stark. Das Angebot wird dennoch erst einmal weiter ausgebaut.

Natürlich verteidigt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Einführung der Terminservicestellen vor rund einem Jahr. Er spricht von der „Stärkung der Patientenrechte“ und betont, dass es die „Aufgabe aller Beteiligten“ bleibe, für eine „reibungslose Vermittlung“ zu sorgen. „Wenn Woche für Woche mehr als zweitausend Menschen über eine Terminservicestelle einen Facharzttermin bekommen, weil es anders nicht geklappt hat, dann hat sich deren Notwendigkeit bestätigt", sagte auch die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Doris Pfeiffer kürzlich. „Allerdings könnte noch deutlich mehr Menschen geholfen werden, wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen offensiv für die Terminservicestellen werben würden, statt dieses Angebot praktisch zu verstecken", sagte Pfeiffer. „Ich erwarte von der Ärzteschaft, dass sie sich nicht weiter über diese sinnvolle gesetzliche Vorgabe beklagt, sondern weiter daran arbeitet, Wartezeiten für kranke Menschen zu verringern", unterstrich sie. Aber nach wie vor sind nicht alle von dem neuen Leistungsangebot der Kassenärztlichen Vereinigungen überzeugt.

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, macht nach wie vor keinen Hehl daraus, dass er dieses Angebot für nicht notwendig hält. Die Zahl der Termine, die tatsächlich Patienten vermittelt worden seien, liege im ersten Jahr bundesweit unter 120.000. „Wir hatten in diesem Zeitraum 580 Millionen ambulante Behandlungsfälle“, erklärte er gegenüber der dpa. Aus Sicht der KBV, deren regionale 17 KVen für die Terminvermittlung zuständig sind, suche ein Drittel der Menschen allgemeine Informationen, ohne einen Termin zu erfragen, ein Drittel habe nicht den nötigen Überweisungsschein und ein Drittel bekomme tatsächlich einen Termin bei einem Facharzt vermittelt. Des Weiteren unterstrich er erneut, die Servicestellen vermittelten nicht den Wunscharzt, sondern einen Facharzt, der innerhalb von vier Wochen tatsächlich einen Termin anbieten könne.

Trotz aller Kritik seitens der Kassenärzte wird das Angebot nun sogar ausgebaut. Ab dem 1. April vermitteln die Terminservicestellen auch Termine bei Psychotherapeuten.

GKV-SVSG: Nur die Politik mag es

Selbstverständlich sind die Körperschaften der Selbstverwaltung gegen das Gesetz, dass ihre Rechte deutlich beschneiden wird. Aber auch die neutralen Sachverständigen äußerten sich in der öffentlichen Anhörung am 16. Januar kritisch gegenüber dem Gesetzesvorhaben der Politik.

Die öffentliche Anhörung zum Regierungsentwurf für das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz sorgt für Irritation. Wurden die Vertreter der Körperschaften der Selbstverwaltung nur der Form halber eingeladen? Die Vertreter des Gesundheitsausschusses zeigten jedenfalls keinerlei Bemühungen sich mit der Kritik am GKV-SVSG auseinanderzusetzen. Die Anhörung dauerte nur 90 Minuten. Diese knapp bemessene Zeit sollte, so die Sicht der Parlamentarier, den 15 geladenen Sachverständigen der Selbstverwaltungskörperschaften und drei Einzelsachverständigen ausreichen, um Stellung zu beziehen oder Fragen ausreichend beantworten zu können.

Ein enttäuschter Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), erklärte anschließend: „Lediglich 5 Minuten und 30 Sekunden wurden der KZBV zur Beantwortung konkreter Fragen zur Verfügung gestellt. Mein Eindruck hat sich heute verfestigt, dass die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen zukünftig kaum noch mit Unterstützung der Politik rechnen darf. Ein insgesamt sehr trauriger Tag."

Besonders kritisch sehe die KZBV nach wie vor:

  • die Pflicht zur namentlichen Abstimmung in der Vertreterversammlung, durch die sachwidrig in die freie Ausübung des Mandats der Mitglieder eingegriffen und damit gegen demokratische Grundsätze verstoßen wird,
  • die haushaltsrechtlichen Vorgaben, welche die Haushaltsautonomie als wesentlichen Bestandteil der Selbstverwaltungshoheit aushöhlen und die Finanzplanung erheblich erschweren würde, sowie
  • den möglichen Einsatz eines so genannten „Entsandten für besondere Angelegenheiten“, der unter bestimmten Voraussetzungen die Körperschaften von innen heraus lenken kann.

Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die Einführung eines dritten KBV-Vorstands nach wie vor ein Dorn im Auge. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Denn ein solcher würde allein durch seine Existenz suggerieren, mit ihm sei zwingend ein Hausarzt-Facharzt-Konflikt zu entschärfen, der in Wirklichkeit, gerade auch in der KBV, nicht existiert. Infolgedessen würde ein solcher Konflikt durch diese Neuregelung ohne Not herbeigeredet."

Unterstützung bekamen die Ärzte bei der Anhörung des Sachverständigen Franz Knieps, der losgelöst von seiner Rolle als Vorstand des BKK Dachverbands, gewohnt Klartext sprach. Er sei überzeugt, dass sich mit ein bisschen mehr Fachaufsicht nichts erreichen lasse. Stattdessen müssten die Aufgaben und Funktionen im Gesundheitswesen klarer aufgeteilt werden. Sogar einem gut ausgestatteten Aufsichtsreferat im Bundesgesundheitsministerium würde der ehemalige Abteilungsleiter des Ministeriums es nicht zutrauen, alle fachlichen Aspekte der Selbstverwaltung zu erfassen.

Digitalisierung: Endlich Fortschritt

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich auf eine Vereinfachung des Systems geeinigt – und somit die Tür für weitere Vereinbarungen über digitale Vordrucke geöffnet. Ein anderes Softwarethema.

Bis zum Sommer müssen die Ärzte noch warten, aber ab 1. Juli können die niedergelassenen Ärzte ihre rund 94 Millionen jährlichen Laboraufträge (Überweisungsscheine zum Labor und radiologischem Konsil und Anforderungsscheine) digital ausstellen und übermitteln. Bisher mussten die Muster 10 und 10 A, die zu den am häufigsten genutzten Vordrucken gehören, in Papierform ausgestellt werden. Diese Vereinbarung wurde dem Bundesmantelvertrag als Anlage hinzugefügt und kann um weitere digitale Vordrucke erweitert werden. Ab 1. April wird die Beauftragung des radiologischen Telekonsils (Muster 6) zum Beispiel digital erfolgen, welches dann als neue Leistung eingeführt wird. „Damit wollen wir die Kolleginnen und Kollegen von einem großen Stück papierner Bürokratie befreien. Es kann aber jeder selbst entscheiden, ob er künftig den digitalen oder den herkömmlichen Weg wählt“, erklärte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen bei der Bekanntgabe. Ein Hintergedanke, der zur Einführung dieser neuen Möglichkeit beitrug, war sicherlich das Fördern der elektronischen Arztausweise. Dieses Mauerblümchen – die Förderung des elektronischen Arztbriefes, der mit dieser Karte zu signieren ist, hat keine große Nachfrage ausgelöst – wird von den Landesärztekammern gegen Kosten von rund acht Euro im Monat ausgegeben.

Weniger glücklich ist Gassen über das „Preisgebaren“ einiger Praxissoftware-Anbieter im Hinblick auf den Medikationsplan, welcher von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Partnern der Selbstverwaltung als gesetzlicher Auftrag umgesetzt wurde. Während einige Anbieter die notwendigen Anpassungen der Software kostenlos umsetzten, würden andere teilweise erhebliche Kosten erheben. Im Statement des KBV-Chefs heißt es: „Es kann nun aber nicht sein, dass so manches Unternehmen auf der Seite der Praxissoftwarehersteller viel Geld von den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen verlangt, die notwendigen Änderungen in die Praxis-Verwaltungs-Systeme einzupflegen. Immerhin handelt es sich hierbei um einen gesetzlichen Auftrag, dessen Erfüllung nun nicht der Umsatzmaximierung einiger Anbieter dienen darf – und zwar auf Kosten der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Ich appelliere an die Hersteller, ihre Preispolitik im Falle des Medikationsplans zu überdenken.“ Gerne würde die KBV eigene Software(-module) entwickeln, so Gassen, dürfe dies aber nicht. „Dafür brauchen wir die Unterstützung der Politik, welche die dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen müsste .“

Am 1. April soll das Arzneimittelversorungsstärkungsgesetz (AM-VSG) in Kraft treten. Auch hier wird es wahrscheinlich eine heiß diskutierte Veränderung der Praxissoftware geben. Beschlüsse aus der Frühen Nutzenbewertung (FNB) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollen den Ärzten künftig über die Praxissoftware einfacher und schneller zur Verfügung gestellt werden. Pharmazeutische Unternehmen müssen seit Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Januar 2011 bereits zur Markteinführung eines neuen Produktes bzw. bei der Zulassung neuer Anwendungsgebiete ein Dossier zum Nutzen des Präparates vorlegen. Industrieverbände warnen davor, dass Arzneimitteln fälschlicherweise der Stempel „ohne Zusatznutzen“ aufgedrückt werden könne und diese Therapieoptionen dann den Ärzten und Patienten vorenthalten werden würden. Eine solche Falschbewertung kann zum Beispiel durch Ablehnung aus formalen Gründen erfolgen. Dies hat dann an sich mit der Qualität des neuen Präparats überhaupt nichts zu tun.

Kehrtwende? Rx-Versandhandelsverbot in SPD-Reihen denkbar?

Hatten sich die Sozialdemokraten in den letzten Monaten deutlich gegen ein Verbot des Handels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ausgesprochen, scheint der stellvertretende Fraktionsvorsitzende nun die Tür für einen Kompromiss geöffnet zu haben.

„CDU will Versandhandelsverbot für Apothekerlobby. Patienten verlören Boni für Zuzahlung. Für SPD nur möglich, wenn Zuzahlung für Chroniker ganz wegfiele.“ Mit dieser Nachricht auf dem Nachrichtendienst Twitter hob Lauterbach die langwierige Debatte zwischen Politik, Apotheken und Versandapotheken auf eine neue Ebene. Bisher hatte Lauterbach die Versandapotheken als wichtig in der Versorgung von Chronikern dargestellt. Da diese von einem Verbot womöglich am stärksten betroffen wären, forderte er nun den Wegfall der Zuzahlung. Seit dem EuGH-Urteil am 19. Oktober 2016 gewähren Versandapotheken im EU-Ausland Preisnachlässe im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Arzneimittel-Zuzahlungen von bis zu 10 Euro.

Dieser neue Vorstoß steht völlig konträr zu der Meinung in den Ländern. Diese hatten sich mehrheitlich auf die Seite der Apotheker gestellt. Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt hatte bereits nach dem EuGH-Urteil mitgeteilt, dass ihr Ministerium das Rx-Versandverbot unterstützen werde. In der Bundestagsfraktion gibt es hingegen, kurz vor Beginn des Wahlkampfes, keine einheitliche Strategie. Sabine Dittmar, Apotheken-Sprecherin der Partei, will zwar den Rx-Versand erhalten, aber daran geknüpfte Boni per Sozialrecht verbieten lassen. Rückendeckung erhält sie von Edgar Franke, dem Vorsitzenden des Bundestags-Gesundheitsausschusses.

Das Angebot Lauterbachs löst in der Unionsfraktion dennoch keine Begeisterung aus. Michael Hennrich, Arzneimittelexperte der CDU, nannte den Vorschlag ein „vergiftetes Angebot“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Falle nach der Praxisgebühr auch noch die Zuzahlung für Arzneimittel weg, dann könne die Zuzahlung als Finanzierungsinstrument gleich ganz aufgehoben werden. Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der Union, vertrat selbige Meinung gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.

Am 19. Januar sollte das Verbot des Rx-Versandhandels eigentlich auf der Tagesordnung des Bundestages stehen. Diesen Antrag hatte die Linksfraktion im Dezember gestellt. Weil aber alle Redner ihre Beiträge schriftlich abgaben, blieb die Diskussion aus. Lauterbach, auf dessen Stellungnahme nach den jüngsten Ereignissen gewartet wurde, beteiligte sich nicht.

Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker

Mögliche Risiken für Arzneimittel und Medizinprodukten müssen seit 1. Januar an verschiedene Stellen gemeldet werden – das sorgt allerdings für Verwirrung.

Der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger Vorkommnisse bei Medizinprodukten aus Apotheken gemeldet. Seit 1. Januar hat sich Meldeweg für Medizinprodukte geändert. Darum bitten die Apotheken nun ausdrücklich, vorrangig Risiken zu Arzneimitteln zu melden. Geht es etwa um unerwünschte Wirkungen bei Kosmetika, soll der Apotheker sich unverzüglich an die verantwortliche Person beim Hersteller und der zuständigen Behörde wenden, die über die Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu finden ist. Auch Probleme mit Nahrungsergänzungsmittel müssen nicht der AMK, sondern den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder gemeldet werden. Besteht aber der Verdacht, dass ein Nahrungsergänzungsmittel nicht erlaubte oder deklarierte Substanzen enthalten könnte oder ein akutes Gefährdungspotenzial vorliegt, können die Apotheken die AMK zusätzlich informieren. Die Geschäftsstelle der AMK wird seit dem 1. Januar 2017 von Dr. André Said (32) geleitet.

Robert Koch Institut veröffentlicht Impfquoten

Im vergangenen Jahr haben sich zwar wesentlich weniger Menschen in Deutschland mit der hochansteckenden Krankheit infiziert, doch Experten schlagen trotzdem Alarm.

Im europäischen Vergleich steht Deutschland in Sachen Impfquote schlecht da. Das hat nun die Auswertung der Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) durch das Robert Koch Institut (RKI) gezeigt. Vor allem bei der Masern-Impfung hat Deutschland erheblichen Nachholbedarf. „Schlimm, dass Deutschland inzwischen in Europa das Schlusslicht der Masern-Elimination darstellt“, sagt der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler.

Die Problemregionen liegen vor allem in Ballungsräumen. In Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig und München hatten im Alter von 24 Monaten jeweils zwischen 2000 und 4100 Kinder des Jahrgangs 2013 keinen ausreichenden Masern-Impfschutz, in Berlin sogar 7300. Für die zweite Masern-Impfung der Kinder im Alter von 24 Monaten ist hingegen ein starker Aufwärtstrend zu beobachten, von 59,1 Prozent beim Geburtsjahrgang 2004 auf 73,7 Prozent beim Geburtsjahrgang 2013. Um die Masern auszurotten, was erklärtes Ziel der Weltgesundheitsorganisation ist, und um Säuglinge zu schützen, die noch zu jung für die Impfung sind, ist eine Impfquote von 95 Prozent notwendig. Nach Hochrechnungen des RKI waren bundesweit 150.000 Kinder des Jahrgangs 2013 mit 24 Monaten nicht vollständig gegen Masern geimpft. Hinzu kamen 28.000 Kinder ganz ohne Masernimpfung.

Landarztmangel: Sind neue Maßnahmen beschlossene Sache?

Die bayerische Landesregierung erhöht die Schlagzahl in der Frage, wie der Landarztmangel perspektivisch verhindert werden kann. Ein weiteres Bundesland will sich dem Maßnahmen-Katalog des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege anschließen.

Weil jeder dritte Hausarzt in Bayern über 60 Jahre alt ist, ausreichend Nachwuchskräfte einfach nicht vorhanden sind und es auf dem Land perspektivisch düster aussieht, sollen angehende Ärzte für den Job als Landarzt motiviert werden. Um dies zu schaffen, haben sich Ministerin Melanie Huml und ihre Mitarbeiter in Nürnberg einen Maßnahmenkatalog überlegt, welcher schnellstmöglich umgesetzt werden soll.

Dabei sei vor allem die Landarztquote beim Medizinstudium ein wichtiges Instrument. „Dieses Vorhaben ist auf einem sehr guten Weg. [...] Das Programm sieht vor, dass künftig bis zu fünf Prozent aller Medizinstudienplätze in Bayern für Studierende vorgehalten werden sollen, die sich verpflichten, später als Hausarzt in Regionen zu arbeiten, die bereits unterversorgt sind oder von Unterversorgung bedroht sind“, so Huml. Gesundheits- und Wissenschaftsministerium in Bayern arbeiten derzeit an der konkreten Ausgestaltung, teilten die Ministerien mit.

Daneben gehört auch eine Anhebung des Stipendienprogramms zu den umzusetzenden Maßnahmen. Studenten sollen künftig 500 Euro statt wie bisher 300 Euro monatlich bekommen, wenn sie sich verpflichten, nach ihrem Abschluss ihre fachärztliche Weiterbildung im ländlichen Raum zu erwerben und dann noch mindestens fünf Jahre dort tätig zu sein. „Die neue Regelung soll ab Juli dieses Jahres gelten. [...] Bislang fördern wir 117 Studierende, die Landarzt werden wollen – sei es im Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich“, so die Ministerin. Ferner fördert das Ministerium seit einigen Jahren die Niederlassung von Haus- und Fachärzten im ländlichen Raum mit bis zu 60.000 Euro. Psychotherapeuten können eine Förderung von bis zu 20.000 Euro erhalten. Eine Voraussetzung ist, dass sich die Mediziner in Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern niederlassen. Bei Kinder- und Jugendpsychiatern liegt die Grenze bei 40.000 Einwohnern. Diese Förderung wird auch im Jahr 2017 fortgesetzt. Bisher konnten 300 Mediziner bei der Praxisgründung unterstützt werden; die deutliche Mehrheit (249) waren Hausärzte.

Im Bundesland Rheinland-Pfalz kamen diese Ideen offenbar gut an, fordert CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner nun wirksamere Schritte gegen den Ärztemangel auf dem Land. Der Bedarf der Nachbesetzung von Ärzten liegt nach Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung bis 2022 bei 4.300 Ärzten. Dieser Ärztemangel sei auch auf das mangelnde Anreizsystem zurückzuführen. Klöckner warf der rot-gelb-grünen Landesregierung vor, sie habe nicht genug vorgesorgt. Ein Stipendienprogramm nach bayerischem Vorbild sollte nach CDU-Sicht ein erster Schritt sein. „Wir fordern außer­dem die Einführung eines Modellstudiengangs für praxisorientierte Ausbildung, sodass ein Student während des Studiums einen Landarzt als Paten hat und bereits dort mitar­bei­ten und Bindungen aufbauen kann“, sagte Klöckner vor kurzem. Auch die strengen, an den Numerus clausus gekoppelten Zulassungshürden für Studienbewerber sollten ihrer Meinung nach überdacht werden. „Die besten Ärzte müssen nicht die besten Noten in der Schule gehabt haben.“

Nun gibt es aber nicht überall einen Arztmangel. Vor allem viele größere und kleinere Städte oder Kreisstädte verfügen mancherorts und in manchen Disziplinen über einen Versorgungsgrad von 140 Prozent oder mehr. Dies definiert das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz als Überversorgung und sieht daher einen Praxisaufkauf durch die KVen vor. Doch weder Schließungen noch Verlagerungen finden offenbar in ausreichendem Stil statt. Erst vergangene Woche prangerten die Autoren der ARD-Sendung "Monitor" die regional ungleiche Verteilung der niedergelassenen Ärzte an. Nach Recherchen des Fernsehteams habe es in alle KVen zusammen bislang nur vier Fälle gegeben, in denen die Praxissitze aufgekauft worden seien. Die Ärzte würden zu sehr ihre Besitzstände verteidigen und Ärzte sollten bei Stimmengleichheit in den Zulassungsausschüssen nicht entscheiden dürfen, lautete der Tenor der Sendung. Die KBV sieht dies erwartungsgemäß anders. Die Sendung habe sehr einseitig berichtet und außer Acht gelassen, dass Niedergelassene in Städten auch Patienten aus dem Umland mitversorgen.

Selbstverständlich divergieren die Meinungen der Akteure bei diesem Thema. Klar ist aber auch, dass die Instrumente des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes keinen erhofften Wandel beim Thema Überversorgung mit sich gebracht haben. Fakt ist, dass dieses Thema nach wie vor ganz weit nach oben auf die politische Agenda gehört.

Kongress für Gesundheitsnetzwerker: Vernetzung weiterdenken!

Die Digitalisierung ist längst Bestandteil des Versorgungsalltags im Gesundheitswesen. Diese zukunftsweisende Entwicklung gilt es mitzugestalten: der 12. Kongress für Gesundheitsnetzwerker 2017 möchte zusammen mit Experten des Gesundheitswesens die Vernetzung weiterdenken – und so Impulse für eine bessere Versorgung der Patienten setzen.

Kreativität ist gefordert: Ideen für integrierte Versorgungsprojekte oder bereits erfolgreich umgesetzte Versorgungsnetze sind eingeladen, sich um den mit 20.000 Euro dotierten und von der Berlin-Chemie AG gesponserten Preis für Gesundheitsnetzwerker zu bewerben. Am 31. Januar 2017 endet die Bewerbungsfrist. Die Siegerprojekte werden am 29. März 2017 während des Kongresses vorgestellt. Bewerben können sich bereits bestehende – und geplante – Netze und Personen aus dem medizinischen Bereich, die an einem entsprechenden Projekt beteiligt sind – oder ein solches planen. Als Voraussetzungen sollten diese Projekte medizinische Inhalte auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand transportieren und zu einer Vernetzung vorher noch nicht vernetzter Akteure führen.

Seit 2006 greift der Kongress für Gesundheitsnetzwerker Themen der Digitalisierung im Versorgungsalltag des Gesundheitswesens auf. Die Entwicklung ist rasant – Möglichkeiten und Perspektiven gilt es fortlaufend zu diskutieren: der diesjährige Kongress, der am 29. und 30. März 2017 in Berlin stattfindet, denkt dieses zukunftsweisende Thema weiter. Zur Diskussion stehen unter anderem Fragen nach neuen Vernetzungs- möglichkeiten in der Medizin, der Stellung des Menschen in der digitalen Gesundheit und der ethischen, medizinischen und datenrechtlichen Bedenken durch die Digitalisierung. Was sollte unterstützt werden? Was wollen die Nutzer – im Gesundheitswesen und auf Patientenseite?

Und Digitalisierung ist nicht alles. Auch die transportierten Informationen müssen stimmen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen digitalen Brief – oder einen in Papierform handelt. Die übermittelten Informationen sollen dem Empfänger helfen, die Behandlungen zu optimieren. In diesem Zusammenhang werden Projekte vorgestellt, die Vernetzung vorantreiben und so die Zukunft im Gesundheitswesen mitgestalten.

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