Berlin-Chemie Newsletter vom 20. Juni 2019

Berlin-Chemie Newsletter vom 20. Juni 2019

  • Spahn und die Grundsanierung der gematik
    Wie wird sich das BMG als Mehrheitsgesellschafter verhalten?
  • Das GSAV bekommt Probleme im Bundesrat
    Kompromiss bei Importförderklausel für Länder nicht genug
  • Konversionstherapien: Verbot ist rechtlich möglich
    Keine wissenschaftlichen Belege für Nutzen
  • PKV warnt vor zu großen Leistungsversprechen
    Neuer Fonds soll digitale Versorgungslösungen fördern
  • Gentherapien: Viel Innovation auf dem Sprung
    Jede Menge offene Fragen
  • Pflege auf dem richtigen Weg
    Drei Bundesministerien mit einem Ziel
  • Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung bleiben stabil
    Erneuter Milliardenüberschuss, Zukunft ungewiss
  • Einmal übersetzen, bitte
    Patientenbriefe erhöhen die Sicherheit
    

Spahn und die Grundsanierung der gematik    

Der GKV-Spitzenverband sucht Antworten: Das Bundesministerium für Gesundheit hat zwar die Gesellschaftermehrheit in der gematik übernommen, aber lässt die anderen Gesellschafter bisher im Dunklen über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lässt bei der gematik keinen Stein auf dem anderen. Nachdem der Minister, beziehungsweise sein Haus, mit dem Terminservice- und Versorgungsstärkungsgesetz (TSVG) die bisherigen Gesellschafter zum Verkauf von jeweils 51 Prozent ihrer Anteile an das Ministerium gezwungen hat, gelingt dies noch einfacher. Weil nur noch eine einfache Mehrheit für Entscheidungen benötigt wird, kann das Ministerium seine Ideen nach Gutdünken umsetzen – zum Frust der bisherigen Gesellschafter. „Wir konnten diese Aushöhlung der Selbstverwaltung nicht verhindern. Wir haben weniger Einfluss, aber die volle Finanzverantwortung“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Spahn ersetzte Pfeiffer und KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel als gematik-Vorsitzende durch seinen Leiter der Unterabteilung „gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth“ im BMG, Christian Klose. Pfeiffer und Kriedel dürfen symbolische Stellvertreter bleiben. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat bisher (noch) auf die Wahl eines stellvertretenden Vorsitzenden verzichtet. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause sägt Spahn auch den bisherigen gematik-Geschäftsführer, Alexander Beyer, ab. Beyer, der die Geschäfte der gematik seit 1. Juli 2015 führte, soll durch den Internisten und Pharma-Manager Dr. Markus Leyck Dieken ersetzt werden. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete Spahn seiner gematik. Die Zustimmung der anderen Gesellschafter ist reine Formalie. Unklar ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes auch, ob das BMG künftig an Kommentierungen, Workshops, Arbeitsgruppen, Fachgremien und im Finanzausschuss mitarbeitet. „Das ist bisher völlig offen. Dazu haben wir bisher nichts erfahren“, so Pfeiffer. Und welche Rolle soll künftig der Schlichter einnehmen, der in der Vergangenheit dann in Erscheinung trat, wenn keine notwendige Mehrheit gefunden werden konnte?

Und dann wird schließlich auch noch eine Lösung gesucht, mit der die über 1.900 Krankenhäuser in Deutschland an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen werden können. Die existierenden Konnektoren seien dafür nicht ausgelegt, meint der GKV-Spitzenverband. Die vier zugelassenen Konnektoren würden bei Praxen mit drei bis fünf Ärzten langsam an ihre Grenzen stoßen. „Es gibt immer noch keinen High-Speed-Konnektor, der die Verschlüsselung bei einer größeren Menge an Ärzten ermöglicht“, so die Verbandsvorsitzende weiter. Bisherige Entwicklungen hätten hier noch nicht zum Erfolg geführt. „Es gibt Überlegungen zu Hochleistungskonnektoren über Rechenzentren für die Krankenhäuser“, weiß Pfeiffer. Die Ausstattung einer jeden Station mit den Konnektoren-Kästen würde für die Kassen äußerst teurer werden.
 

Das GSAV bekommt Probleme im Bundesrat    

Den Bundestag hat das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) erfolgreich passiert. Doch im Bundesrat geht es weiter um die Frage: Was passiert mit der Importförderklausel?

Nicht erst seit den Beratungen um das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) stand die Importförderklausel in § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zur Diskussion. Diese verpflichtet Apotheken zur bevorzugten Abgabe von „preisgünstig importierten Arzneimitteln“ und sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Meinungsverschiedenheiten. Nach dem jüngsten Skandal um Lunapharm wurde der Ruf nach einer Abschaffung wieder lauter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn suchte den Kompromiss und fand ihn in einer Ausnahmeregelung für Biopharmazeutika: „Ich finde es wichtig, dass wir besonders sensible Medikamente, um die es auch bei den jüngsten Skandalen ging, von der Importförderklausel ausnehmen.“ Er begründete sein grundsätzliches Festhalten an der Klausel damit, dass es darum gehe, eine Balance zwischen Einsparpotenzial und Risiken zu finden. Mit der Kompromisslösung überzeugte die Union auch den Koalitionspartner. Zuvor hatte der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach noch die unverhältnismäßigen Lobbyeinflüsse auf saarländische CDU-Spitzenpolitiker kritisiert.
Problem für Spahn: Das GSAV ist im Bundesrat zustimmungspflichtig und die Länder proben den Aufstand. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hatte auf Antrag von Brandenburg und Thüringen empfohlen, dem Gesetz nicht zuzustimmen, sondern den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der gefundene Kompromiss sei lediglich eine Teillösung. Die Vorschrift befördere Parallelimporte von Arzneimitteln und sei damit ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen in den deutschen Markt. Der Bundesrat wird voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 28. Juni über das GSAV und die Empfehlung des Gesundheitsausschusses entscheiden.
 

Konversionstherapien: Verbot ist rechtlich möglich    

Das Bundesgesundheitsministerium will die „Sexual Orientation Change Efforts“ verbieten.

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wurden zwei Gutachten erstellt, die prüfen sollten, ob Konversionstherapien überhaupt auf einer wissenschaftlichen Evidenz-Grundlage stehen und, falls nicht, sie verboten werden können. Denn der BMG-Hausherr, Minister Jens Spahn, argumentiert, dass Homosexualität keine Krankheit ist und daher auch keiner Behandlung bedarf. „Aus medizinischer Sicht fehlt schon die Indikation für eine Behandlung“, stimmt auch Gutachter Prof. Dr. Peer Briken zu. In seinem Gutachten wird für die unterschiedlichen untersuchten Interventionsformen der international etablierte Begriff der „Sexual Orientation Change Efforts“ (SOCE) verwendet. Dieser Begriff beschreibt alle Bemühungen, die sexuelle Orientierung eines Menschen oder Teilaspekte davon durch gezielte Interventionen zu beeinflussen. Insgesamt, so Birken, lasse keine der bekannten Studien den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung durch SOCE dauerhaft verändert werden könne. Darüber hinaus gebe es jedoch „eindeutige Belege“ für die negativen Folgen dieser Maßnahmen, so Birken, Direktor des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Betroffene würden häufig Depressionen entwickeln, sich in die Isolation zurückziehen oder suizidale Tendenzen aufweisen.

Spahn will daher ein „starkes Signal des Staates“ sehen, um Homosexuelle vor Pathologisierung und Stigmatisierung zu schützen. Doch Geldstrafen allein würden nicht reichen, um solchen Behandlungen „ihren Nährboden zu entziehen“, ist der Minister überzeugt. Spahn möchte eine schnelle Entscheidung über einen abgestuften Katalog von Ordnungswidrigkeiten und Strafbeständen. Dafür wolle er zeitnah Kontakt mit dem Justizministerium aufnehmen. Und dank dem zweiten Gutachten kann Spahn auch gleich Argumente für ein Verbot vorlegen. Das hat Prof. Dr. Martin Burgi, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians Universität München. Die verfassungsrechtliche Betrachtung geht von drei medizinwissenschaftlichen Grundannahmen aus: Demnach stellt Homosexualität keine Krankheit dar, weswegen auch der von heilkundlichen Therapien erhoffte „Erfolg“ nicht eintreten kann, stattdessen aber zahlreiche negative Effekte in Gestalt erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen eintreten können. Verbotsmaßnahmen könnten sich laut Burgi gegen das Anbieten und die Durchführung sowie gegen unterstützende Dienstleistungen wie die Vermittlung von und insbesondere die Werbung für sogenannte Konversionstherapien richten. Grundlagen für mögliche Verbote bilden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, das Recht der sexuellen Selbstbestimmung sowie das Diskriminierungsverbot. Diese würden über dem Eingriff in die Grundrechte der Behandler stehen, betonte Burgi. Zwar müsse die gegenwärtig diskutierte politische Zielsetzung noch konkretisiert werden. Verfassungsrechtlich würde dem Verbot aber nichts im Wege stehen. Auch eine Strafandrohung bei der Durchführung, der Vermittlung und dem Werben für die Therapien sei mit der Berufsausübungsfreiheit der Ärzte, Psychotherapeuten und Heilpraktiker sowie gesetzlichen Anbietern vereinbar.
Und es gibt einen realen Handlungsdruck. „Das Ausmaß von Konversionsversuchen ist viel größer als in Deutschland bisher angenommen wurde“, so Jörg Litwinschuh-Barthel, Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH). Das gelte vor allem im familiären Umfeld. Die Stiftung schätzt, dass es rund 1.000 Fälle pro Jahr bei diesen wissenschaftsfreien „Therapien“ gibt. Eine Veröffentlichung des vollständigen Abschlussberichts der Bestandsaufnahme kündigten das BMG und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld für Ende August an. Auch noch „im Laufe dieses Jahres“ will der Minister einen Gesetzentwurf vorlegen.
 

PKV warnt vor zu großen Leistungsversprechen    

Die private Krankenversicherung tauscht ihre Verbandsspitze aus, befürchtet einen großen Anstieg der Belastung durch die Pflegeversicherung, setzt auf einen eigenen Innovationsfonds und zeigt sich bei der neuen Gebührenordnung für Ärzte optimistisch.

Der medizinische und pflegerische Bedarf der alternden Gesellschaft wächst und wächst. Das macht Strukturreformen nötig. Kein Akteur im Gesundheitswesen zweifelt wirklich daran. „Die Gesundheitspolitiker vieler Parteien überbieten sich aber geradezu mit immer neuen Leistungsversprechungen als gäbe es kein Morgen“, warnte Uwe Laue auf seiner letzten Jahrestagung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung in der Funktion des Verbandsvorsitzenden. Einstimmig hatte der Verband auf der Tagung Dr. Ralf Kantak zum neuen Vorsitzenden ab 1. Juli 2019 gewählt. Laue stand dem Verband sechs Jahre vor. Im Februar hatte bereits Dr. Florian Reuther das Amt des Direktors und geschäftsführenden Vorstandsmitglieds von Volker Leienbach übernommen, der nach 17 Jahren an der Spitze in den Ruhestand getreten ist. Aber zurück zu den Leistungsversprechungen. Als Beispiel führte Laue die Debatte zur Deckelung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen an. Würden die Einnahmen und Ausgaben der Pflegeversicherung aus den letzten 20 Jahren, einschließlich der Ausgabensteigerungen der Pflegegesetze, in die Zukunft fortgeschrieben, so eine Berechnung des PKV-Instituts, dann drohe bis 2040 ein Anstieg der Belastung der Beitragszahler um das Zweieinhalbfache. „Die Fakten müssten schon jetzt wie eine Alarmsirene wirken“, so Laue. Aktuelle politische Ideen würden dazu führen, dass die „rote Linie der 40-Prozent-Obergrenze für die Lohnzusatzkosten überschritten“ werde und dann Arbeitsplätze bedroht würden. Davor habe Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewarnt und von einem „Verlust der Grundlage für Wohlstand und soziale Absicherung“ gesprochen.

Immerhin: Nach dem Auftakt folgten dann auch erquicklichere Themen. Da wäre zum Beispiel ein Innovationsfonds, den der PKV-Verband noch in diesem Jahr auflegen möchte. Geld ist definitiv da: Im Vorjahr überschritten die kapitalgedeckten Alterungsrückstellungen die Marke von 250 Milliarden Euro. Alle Mitgliedsunternehmen soll sich per Einlage beteiligen können. Eine Größenordnung wollte die PKV-Spitze nicht verraten. „Namhaft“ soll er, der Fonds, aber werden. Gefördert werden junge und innovative Unternehmen, die digitale Lösungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit, Prävention oder auch Hilfsangebote für chronisch kranke Menschen entwickeln. Zwei große Unternehmen aus dem Bereich Digital Health sollen Partner werden. Auch hier gab es keine genaueren Angaben. Die Verträge für den Fonds sollen demnächst unterschrieben werden. Details will der Verband irgendwann im „Laufe des zweiten Halbjahres“ bekanntgeben.
Und dann wäre da noch die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), das Novellierungs-Trauerspiel, welches im dritten Anlauf jetzt gelingen soll. Daran glaubt jedenfalls die PKV-Spitze. „Wir brauchen eine neue GOÄ“, so Laue. Die neue Ordnung werde sich weg von der besonderen Entlohnung der Apparatemedizin hin zur sprechenden Medizin orientieren. Darauf habe man sich mit den Ärzten verständigt. „Bis zur nächsten planmäßigen Bundestagswahl müssen wir fertig sein“, ist die PKV-Spitze überzeugt. Das wäre im Herbst 2021. Bis dahin kann viel geschehen. Die letzte GOÄneu scheiterte 2016 erst auf der Schlussgeraden. Die wissenschaftliche Kommission zur Modernisierung der Vergütungssysteme arbeite sehr abgeschottet, führte Reuther aus. Daher habe die PKV keine Informationen über mögliche neue Vergütungssysteme beziehen können. Die GOÄ-Vergütung leiste aber einen großen Beitrag zum Erhalt der ärztlichen Versorgung auf dem Land. „Wir hatten den Eindruck, dass dieses Argument bei einer Stellungnahme vor der Kommission akzeptiert wurde“, so Reuther.
 

Gentherapien: Viel Innovation auf dem Sprung    

Gentherapien kamen deutlich vor der notwendigen Regulatorik in die Versorgung. Das bremst die Verbreitung. Stand jetzt zahlen zum Beispiel die Krankenhäuser, die Gentherapien durchführen, drauf.

Von Gentherapien versprechen sich Medizin und Wissenschaft einen der nächsten großen Würfe in der Versorgung. Die Idee dahinter ist faszinierend: „Chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen“, kurz CAR-T-Zellen, verändern die T-Zellen im Immunsystem, sodass diese die Krebszellen bzw. den Tumor als solchen identifizieren und bekämpfen können. Mitte 2018 wurden mit den CAR-T-Zellen erste Gentherapeutika zur Behandlung onkologischer Erkrankungen des Blutes zugelassen. Ein Jahr nach dem Marktzugang haben Experten ihre Erfahrungen diskutiert. Noch sind Gentherapien Fremdkörper im Gesundheitssystem. Das wird sich wohl schon bald ändern.
„Mitte vergangenen Jahres befanden sich 45 Präparate in fortgeschrittener Entwicklung – sprich Klinische Phase III. Fünf wurden bisher zugelassen“, fasste Fabian Berkemeier, Bereichsleiter Value & Access Strategy beim IGES Institut, den aktuellen Entwicklungsstand zusammen. Die Patienten-Populationen der Entwicklungen reichen von Orphan-Drugs (Grenze etwa 35.000 Patienten) mit nur einer Handvoll Patienten bis hin zu sehr großen Indikationen (z.B. Herzinsuffizienz, Arthrose). Neben der Größe der Patientenpopulation und der Indikation würden sich Gentherapien zudem bei der Art des klinischen Nutzens (Heilung oder Linderung), dem Kostenausgleich im Zeitverlauf, der Wirksamkeitsdauer, der Modalität der Therapie (gibt es z.B. ein Monitoring?) und in der Struktur der Leistungserbringung unterscheiden. Eine Arbeitsgruppe des Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterscheidet bei Gentherapien in einem White Paper zwischen dem „Ersatz bisheriger Therapien“, den „Orphan Durchbrüchen“ für Krankheiten ohne bisherige Therapieoption, Onkologika mit nachhaltigem Therapieeffekt und Durchbrüchen bei Volkskrankheiten. Zwei Aspekte seien bei den Preisen zu erwarten, so Berkemeier: 60 Prozent der Preisunterschiede seien schon heute durch Unterschiede in der Seltenheit der Erkrankung erklärbar. Und: Der Charakter einer Einmalgabe führe dazu, dass die Kosten steigen. Die Einmalgabe sei für die Kassen gewöhnungsbedürftig, weil sie nicht zur Planung in Budgetjahren passe. Auch sei der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) bei seiner Konstruktion nicht auf Gentherapien vorbereitet gewesen. Hochkostentherapien würden durch den Finanzausgleich nicht ausreichend gedeckt werden. Neue Vergütungsmodelle werden aktuell heiß diskutiert. Von „Pay-for-Performance“- und „Pay-for-Outcome“-Modellen ist immer wieder die Rede. Laut Berkemeier gebe es aber auch viel Forschung zu Ratenzahlungsmodellen, Rückzahlungsmodellen, Kohorten-Modellen und Flat-Rate-Modellen. Bei Letzterem kauft der Kostenträger per Einmalzahlung den dauerhaften Zugang zu entsprechenden Therapieoptionen. In den USA bekomme das Modell viel Aufmerksamkeit; für Deutschland sei dies nicht zu erwarten. Schwierig sei bei den meisten Modellen, dass die Partner der pharmazeutische Unternehmer und der Kostenträger seien, das Geld aber durch das Krankenhaus fließe. Zahlungsströme von Pay-for-Outcome-Modellen seien in stationären Finanzierungsinstrumenten bisher nicht abbildbar.

Im stationären Bereich, wo in ausgewählten Zentren – bisher fast ausschließlich Universitätskliniken – Gentherapien durchgeführt werden dürfen, gibt es weitere Hürden, von denen Dr. Markus Thalheimer, Leiter Qualitätsmanagement/Medizincontrolling am Universitätsklinikum Heidelberg, berichtete. Zwar sei die Entnahme und Gabe von CAR-T-Zellen seit 2019 kodierbar. Ungeklärt sei aktuell jedoch, wer die Entnahmekosten (3.000 bis 5.000 Euro/Fall) übernehme. Die Fallpauschalen und Zusatzentgelte würden die Kosten der CAR-T-Gabe neben den Kosten des Produktes nicht abdecken. Längere Verweildauern im Krankenhaus, die Intensivüberwachung, und das Nebenwirkungsmanagement seien ebenfalls nicht eingepreist. Die Unterdeckung der stationären Mehrkosten belaufe sich laut Kostenkalkulation der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) auf circa 17.000 Euro/Fall. Bei Verhandlungsrunden auf Bundesebene zwischen den Universitätskliniken und Krankenkassen soll eine Einigung für einen Zuschlag in Höhe von 15.000 Euro auf die Fallpauschale vereinbart worden sein, die bis zur vollständigen Abbildung der Gentherapien in den DRGs gültig sein könnte. Auch eine Qualitätssicherungs-Richtlinie steht noch aus, wird laut Thalheimer aber kommen. Die DGHO habe bereits ein Konzeptpapier vorgelegt.
 

Pflege auf dem richtigen Weg    

Die Konzertierte Aktion Pflege ist abgeschlossen. Das Ergebnis: ein großes Maßnahmenpaket. Doch wie es in Deutschland am Ende zu einheitlichen, höheren Löhnen kommen soll, ist noch offen.

Familienministerin Franziska Giffey, Arbeitsminister Hubertus Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn haben ihre Konzertierte Aktion Pflege (KAP) beendet und blicken zufrieden auf die Ergebnisse. Das erste große Thema betrifft das Personal. „Pflege muss wieder attraktiver werden. Das geht nur mit mehr Personal. Denn das entlastet nicht nur die einzelne Pflegekraft, sondern lässt auch mehr Zeit für die Betreuung der Pflegebedürftigen“, so Spahn. Vereinbart wurden diesbezüglich die Einführung verbindlicherer Regeln für die Besetzung von Pflegeheimen und Krankenhäusern mit Pflegekräften, die Gewinnung von ausländischen Pflegekräften zu erleichtern und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften generell zu verbessern.
Beim Thema bessere Bezahlung gab es die wohl größten Streitigkeiten innerhalb der KAP. Bis zur Sommerpause will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Pflegekräfte deutschlandweit gleich bezahlt werden. Die gesetzliche Grundlage für gleiche Pflegelöhne in Ost und West soll zeitnah fertig sein. Doch unklar bleibt, wie genau die gleichen Löhne erreicht werden sollen. Möglich wäre ein Tarifvertrag, der für Heil die favorisierte Lösung darstellt. Weil sich die privaten Pflegeanbieter jedoch sperren, könnte die Regierung auch die Mindestlohnkommission auffordern, die Löhne anzupassen. Ebenfalls als Ergebnisse der KAP festgehalten sind bessere Ausbildungsbedingungen. Mit der Einführung der neuen Pflegeausbildungen, die am 1. Januar 2020 starten, will Giffey mehr junge Leute für die Pflege begeistern. Hinzu kommt, dass niemand mehr Schulgeld zahlen muss.
 

Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung bleiben stabil    

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) rechnet trotz guter Finanzlage mit steigenden Ausgaben durch neue Gesetze und sinkende Einnahmen durch eine vielleicht schon bald rückläufige Konjunktur.

„Die Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung ist nach wie vor gut“ und „die Einnahmen werden sich im nächsten Jahr nicht dramatisch verschlechtern“, äußerte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, jüngst vor Journalisten. Die Zahlen zum Jahresabschluss 2018 stützen dies: Die Kassen erzielten im Vorjahr einen Überschuss von 2,09 Milliarden Euro; im Gesundheitsfonds waren es weitere 564 Millionen Euro. Die Leistungsausgaben stiegen gegenüber 2017 um 3,06 Prozent je Versichertem. Dabei stieg der Posten der ärztlichen Behandlung mit 2,70 Prozent am stärksten, gefolgt von der Krankenhausbehandlung mit 2,24 Prozent und den Arzneimitteln mit 1,78 Prozent. Der Gesundheitsfonds verfügte zur Berichtserstellung über ein Vermögen von über 9 Milliarden Euro: die Mindestreserve betrug 5 Mrd. Euro; die freie Reserve lag bei 4,3 Mrd. Euro. Die Rücklagen entsprachen 2018 in etwa einer Monatsausgabe: Die Krankenkassen verfügten Ende 2018 über Finanzmittel von 21 Mrd. Euro – 13,1 Mrd. Euro Betriebsmittel, 7,9 Mrd. Euro an Rücklagen. Auch nach dem ersten Quartal 2019 hat sich dies nur geringfügig verändert: 20,9 Mrd. Euro Gesamtfinanzmittel, 12,8 Mrd. Euro Betriebsmittel, 8,2 Mrd. Euro Rücklagen. Das erste Quartal 2019 schlossen die Kassen (-102 Mio. Euro) und der Gesundheitsfonds (-2,6 Mio. Euro) traditionell mit einem Minus ab. Der GKV-Schätzerkreis prognostizierte im vergangenen Oktober für 2019 Gesamtausgaben von 244,4 Mrd. Euro. Dies würde einen Ausgabenanstieg um 10,2 Milliarden Euro beziehungsweise 4,3 Prozent gegenüber 2018 bedeuten. Was der Schätzerkreis noch nicht einkalkulierte, ist die Kostenwelle nach dem Terminservice- und Versorgungsstärkungsgesetz (TSVG) und Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG).
Weitere Mehrausgaben erwartet der Spitzenverband der Krankenkassen durch die vorliegenden Referentenentwürfe zum MDK-Reformgesetz und das Digitale Versorgungs-Gesetz Eine Beitragserhöhung in 2020 hält Pfeiffer für unwahrscheinlich. Die wirtschaftlichen Entwicklungen würden sich erst auf den Arbeitsmarkt und anschließend zeitlich verzögert auf die Kassen auswirken. Anzeichen für einen wirtschaftlichen Abwärtstrend gibt es viele. Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz spricht von „einem Ende der fetten Jahre“, gemeint sind die Steuermehreinnahmen. Im Mai senkte zudem der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ die Erwartungen über Steuereinnahmen von 2019 bis 2023 um 124 Mrd. Euro. Auch der Sachverständigenrat Wirtschaft senkte im März die Konjunkturprognose für 2019 von 1,5 Prozent auf 0,8 Prozent.
 

Einmal übersetzen, bitte    

Wird ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen, kann er die ärztliche Fachsprache nur schwer verstehen. Patientenbriefe können Abhilfe schaffen, zeigt eine Pilotstudie.

Die Pilotstudie „Mehr Gesundheitskompetenz durch Patientenbriefe“ hat gezeigt, dass verständliche Informationen für Menschen, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurden, ihre Sicherheit erhöhen können. Denn nur, wer versteht, was er hat, kann sein Leben auch danach ausrichten. Insbesondere in Bezug auf die Einnahme von Medikamenten gaben die Patienten signifikant häufiger an, sehr verständliche Erläuterungen über die Art der Medikamenteneinnahme erhalten zu haben, so Ansgar Jonietz, Geschäftsführer des gemeinnützigen Unternehmens „Was hab’ ich?“ Das Start-up hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Arztbriefe unter Mithilfe ehrenamtlicher Mediziner in ein allgemeinverständliches Deutsch umzuschreiben. Innerhalb der Pilotstudie, die von November 2015 bis April 2018 in der Abteilung Innere Medizin der Paracelsus-Klinik in Bad Ems lief, erhielten die Patienten zusätzlich zum Arztbrief einen Patientenbrief. Die Patienten fühlten sich rücksichtsvoller behandelt und empfahlen sogar das Krankenhaus häufiger weiter. In Zukunft soll das Projekt flächendeckend eingesetzt werden und allen Patienten zur Verfügung stehen. Auch die Option eines mehrsprachigen Patientenbriefes sowie eine digitale Version und die Ausweitung auf weitere Zielgruppen sind angedacht.
 

 

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