Berlin-Chemie Newsletter vom 17. Oktober 2019

Berlin-Chemie Newsletter vom 17. Oktober 2019

  • DVG-Anhörung: Das Herzstück fehlt
    Grüne fordern eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung
  • FDP hinterfragt Arzneimittel-Lieferengpässe
    BMG betont Vorteile der Sparinstrumente
  • Krankenkassen lehnen sich gegen MDK-Reform auf
    Krankenhausabrechnungen stehen im Fokus
  • Durchschnittlicher Zusatzbeitrag in der GKV steigt wieder
    Ausgaben und Einnahmen steigen wohl weiter
  • Streit um DRG-Katalog 2020
    Krankenhäuser feilschen um Mittel aus der Sachkostenkorrektur
  • Gedruckt, persönlich und im All?
    Die Herausforderungen in der Medizin sind vielfältig
  • Jetzt mal Klartext: Wie digital ist das Gesundheitswesen?
    Umfrage zur Digitalisierung des Gesundheitswesens


DVG-Anhörung: Das Herzstück fehlt    

Das „Digitale Versorgung Gesetz“ (DVG) ist in seiner abgespeckten Version im Gesundheitsausschuss des Bundestages angehört worden. Man blickt aber lieber auf die großen Themen.

Während sich die Psychotherapeuten gegen Apps stellen und die Krankenkassen das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) nur noch als leere Hülle betrachten, der das Herzstück, die elektronische Patientenakte (ePa) entnommen wurde, hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag gestellt, mit dem sie die Bundesregierung dazu auffordert, eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu entwickeln. Dabei sollen die digitalen Aktivitäten von Bund und Ländern und der Bundesministerien für Gesundheit sowie Bildung und Forschung eng aufeinander abgestimmt werden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, hofft, dass die Vorschläge in den zu erwartenden Gesetzesentwurf zur ePa, der für den Herbst angekündigt worden ist, einfließen. Jürgen Hohnl, IKK e.V.-Geschäftsführer, sagt zwar, dass das DVG die Digitalisierung im Gesundheitswesen in vielen Punkten voranbringt, betont aber auch: „Ein Meilenstein wäre dabei die elektronische Patientenakte, die zum Herzstück der Digitalisierung werden könnte. Umso wichtiger ist es, dass die jetzt im Paket noch ausgesparten Regelungen zur ePA nachgeholt werden.“ Auch die Zahnärzte legen ihren Finger in die Wunde und betonen, was dem Gesetz fehlt. Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), sagt: „Es gilt, die Chancen der Digitalisierung zu erschließen und sie für sichere Kommunikation und Abrechnung sowie für die Bewältigung von Bürokratie zu nutzen. Allerdings muss der Gesetzgeber zunächst dafür sorgen, dass die technischen Voraussetzungen für den sicheren Austausch von Informationen über die Telematikinfrastruktur flächendeckend gewährleistet sind. Übermittelte und gespeicherte sensible medizinische Daten müssen bestmöglich geschützt werden. Dabei eingesetzte technische Lösungen sollten zudem sämtlichen Datenschutzanforderungen vollumfänglich gerecht werden. Auch bedarf es gesetzlicher Grundlagen, die eine allein dem Patienten- und Gemeinwohl verpflichtende Nutzung der Daten vorschreiben und eine gewerbliche Nutzung ausschließen.“

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gibt sich grundsätzlich kritisch mit Blick auf die von Minister Jens Spahn gelobte App vom Arzt. „Digitale Programme zur Behandlung von psychischen Erkrankungen müssen nachweisen, dass sie überhaupt wirksam sind“, so BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz und kritisiert, dass laut vorliegendem Entwurf nur eine ausreichende technische Funktionalität und Datensicherheit sichergestellt werden muss. Noch vor der Anhörung drängte auch Dirk Heidenblut, SPD-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter für die Digitalisierung des Gesundheitswesens, eHealth und Telemedizin, auf Sorgfalt: „Gerade therapieunterstützende Apps müssen zwingend vom behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten verordnet werden. Dass das allein die Krankenkassen entscheiden sollen, lehne ich ab.“

FDP hinterfragt Arzneimittel-Lieferengpässe    

Arzneimittel-Lieferengpässe sind in der Vergangenheit immer wieder zum Thema geworden. Nun hat die Bundestagsfraktion der FDP Antworten von der Bundesregierung gefordert, wie es dazu kommen konnte.

Arzneimittel-Lieferengpässe haben sich in den vergangenen Jahren nahezu verneunfacht. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. 2018 seien insgesamt 268 Defekte gemeldet worden, vier Jahre zuvor waren es gerade mal 30. Versorgungsrelevant seien dabei etwa die Hälfte der Wirkstoffe. Im noch laufenden Jahr 2019 betreffen fast 60 Prozent der bisherigen Lieferengpässe versorgungsrelevante Wirkstoffe, in Zahlen: 127 von 216. Der FDP-Gesundheitsexperte Prof. Andrew Ullmann hat die Kleine Anfrage federführend gestaltet und fordert einen radikalen Rückbau der Sparinstrumente im Arzneimittelbereich. Er vermutet einen Zusammenhang zwischen Sparinstrumenten im Arzneimittelbereich wie den Rabattverträgen, der Import-Regelung und den Festbeträgen und den Lieferengpässen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) als antwortende Instanz negiert das und verweist lieber auf die Vorteile der Sparinstrumente. So konnten 2018 insgesamt 7,8 Milliarden Euro durch Festbeträge und 4,5 Milliarden Euro durch Rabattverträge gespart werden, heißt es und wörtlich: „Sie tragen dazu bei, eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten und die Arzneimittelausgaben der GKV auf Dauer finanzierbar zu halten.“ Die FDP wollte unter anderem von der Bundesregierung wissen, wie viele versorgungsrelevante Wirkstoffe tatsächlich durch Sparinstrumente reguliert sind. 188 der insgesamt 500 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als versorgungsrelevant eingestuften Wirkstoffe unterliegen nach BMG-Information der Festbetragsregelung. Wie viele aber von der Importförderklausel und Rabattverträgen betroffen sind, darüber liegen dem BMG keine Informationen vor. Das BMG erklärte jedoch: „Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind nicht mit therapeutisch relevanten Versorgungsengpässen (…) gleichzusetzen. Oftmals stehen alternative Arzneimittel zur Verfügung, weshalb ein Lieferengpass nicht unbedingt zum Versorgungsengpass führen muss.“

Eine weitere Frage, die die FDP-Bundestagsfraktion der Bundesregierung stellte, befasste sich mit den Produktionsstandorten. Für die in Deutschland zugelassenen versorgungsrelevanten Arzneimittelwirkstoffe gibt es dem BMG zufolge 1344 Hersteller. Weniger als die Hälfte davon sitzen in der EU (526 von 1344), viele davon in China oder Indien. Nur 96 Hersteller haben ihren Sitz in Deutschland (96 von 1344). Ullmann rückt von seiner Einschätzung, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Sparinstrumenten und Lieferengpässen gibt, nicht ab: „Schuld daran ist die regulierungswütige Sparpolitik der letzten Jahre. Zwangsabschläge, Festbetragsarzneimittel, Rabattverträge und regionale Arzneimittelvereinbarungen mit Quoten: Der Arzneimittelmarkt in Deutschland gleicht heute einer Planwirtschaft. Es geht nur noch darum, auf dem Rücken der Patienten Geld zu sparen bis es quietscht.“

Krankenkassen lehnen sich gegen MDK-Reform auf    

Die geplante Neuorganisation des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) hat einen alten Konflikt zwischen den Krankenhäusern und Krankenkassen neu entfacht.

Um Strukturfragen geht es bei den Diskussionen um die MDK-Reform schon gar nicht mehr, Streitmittelpunkt sind die geplanten maximalen Prüfquoten für Krankenhausabrechnungen. Während bislang durchschnittlich 17 Prozent aller Abrechnungen überprüft wurden, sollen es dem geplanten Gesetz zufolge im kommenden Jahr nur noch zehn Prozent sein. Damit würde zwar der Aufwand sinken, doch die Krankenkassen fürchten um viele Millionen Euro, die sie dann nicht mehr zurückfordern dürfen. Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages rechneten die Kassen vor, dass ihnen allein im kommenden Jahr 1,2 Milliarden Euro durch die Lappen gehen würden. Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) war das umfangreiche Prüfsystem schon lange ein Dorn im Auge, sie erklärte, dass es in den vergangenen Jahren komplett außer Kontrolle geraten und heute von einer überzogenen Misstrauenskultur geprägt sei. Es ist ein altes und bekanntes Streitthema zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, das an dieser Stelle neu entfacht wird. Besonders häufig streiten Kassen und DKG um die Verweildauer der Patienten und die Frage, ob Behandlungen oder Eingriffe nicht auch ambulant hätten stattfinden können.

Das MDK-Reformgesetz in seiner Kabinettsfassung sieht erstmals finanzielle Sanktionen für Falschabrechnungen vor, was der Verband der Ersatzkassen (vdek) begrüßt und seinerseits ein weitergehendes, gestuftes Sanktionsmodell vorschlägt. Der Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum, empörte sich bereits vor der Anhörung über solche Vorschläge: „Die von den Ersatzkassen geforderten Sanktionszahlungen sind eine nicht hinnehmbare Forderung und der Versuch, Kliniken zu kriminalisieren. Es kann nicht sein, dass Krankenhäuser mit Strafzahlungen belegt werden, wenn das Ergebnis von Prüfungen Rechnungskürzungen sind – zum Beispiel aufgrund eines Dokumentationsfehlers. Ein solches Vorgehen gibt es weder für niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Apotheken noch andere Berufe des Gesundheitswesens.“ Am Ende der Anhörung ging es also weniger um das eigentliche Thema, die Strukturänderungen: Mit dem Gesetz soll der jetzige MDK unabhängiger von den Krankenkassen werden. Bislang ist der MDK als Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen organisiert.

Durchschnittlicher Zusatzbeitrag in der GKV steigt wieder    

Der durchschnittliche ausgabendeckende Zusatzbeitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung könnte um bis zu 0,3 Prozentpunkte steigen.

Die Chronologie zum Zusatzbeitrag in der Gesetzlichen Krankenversicherung unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird wohl bei manchem Vertreter des Gesundheitssystems Verwunderung hervorrufen. Am 11. Oktober 2018 kündigte Spahn an, dass die gut laufende Wirtschaft zu Überschüssen in der Krankenversicherung führen würde und er deshalb von den Krankenkassen eine Entlastung der Versicherten erwarte. Kurz darauf veröffentlichte das Ministerium den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das Jahr 2019: 0,9 Prozent – 0,1 Prozentpunkte weniger als in 2018. Mit dem GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG), das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, müssen die Kassen zudem ab 2020 überschüssige Beitragseinnahmen über einen Zeitraum von drei Jahren abbauen. Und nun? Jetzt soll der Zusatzbeitrag für 2020 laut dem GKV-Schätzerkreis wieder deutlich steigen. Während die Experten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und Bundesversicherungsamtes (BVA) von einer Erhöhung des durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 Prozent ausgehen, sieht der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) sogar einen Bedarf von 0,3 Prozentpunkten mehr, weil sie von höheren Ausgabensteigerungen durch die Spahn-Reformen im laufenden und kommenden Jahr ausgehen. Bis zum 1. November 2019 wird das BMG den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2020 festlegen. Auch über die erwarteten Ausgaben im Jahr 2019 und 2020 gehen die Berechnungen auseinander. Während BMG und BVA in diesem Jahr mit Ausgaben in Höhe von 245,7 Mrd. Euro rechnen, prognostiziert der GKV-SV 246,0 Milliarden Euro. Auch für das kommende Jahr setzt der GKV-SV die erwarteten Ausgaben etwas höher an: 258,6 Milliarden Euro gegenüber 256,8 Milliarden Euro.
Dem gegenüber sollen 2019 Einnahmen in Höhe von 231,9 Milliarden Euro stehen. Und immerhin: Hier waren sich BMG, BVA und GKV-SV einig. Zu 2020 könnten die Einnahmen des Gesundheitsfonds laut Schätzerkreis sogar auf 240,3 Milliarden Euro inklusive des Bundeszuschusses von 14,5 Milliarden Euro steigen.

Streit um DRG-Katalog 2020    

Die Verhandlungen um den DRG-Katalog 2020 ziehen sich länger hin als geplant. Am 18. Oktober, findet eine außerordentliche Sitzung bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft statt, um verspätet doch noch zustimmen zu können.

Die Verhandlungen um den DRG-Katalog 2020 sollten eigentlich Ende September 2019 abgeschlossen sein. Doch es kam zu keiner Einigung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem GKV-Spitzenverband, weil die Krankenhäuser den Entzug von 200 Millionen Euro aus der Sachkostenkorrektur nicht akzeptieren wollten. Der Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum, sagte: „Wir brauchen ein Signal aus der Politik, dass die 200 Millionen Euro in den Häusern verbleiben, um den Katalog beschließen zu können.“ Und genau das kam einige Tage später von Minister Jens Spahn: Das Kabinett hat die Bereitstellung zusätzlicher Mittel von 250 Millionen Euro für die Refinanzierung von Pflegetarifsteigerungen beschlossen. Demnach sollen Kliniken 2020 über einen Rechnungsaufschlag von 0,3 Prozent 250 Millionen Euro erhalten, um die über die Fallpauschalenpreise nicht gedeckten Tarifsteigerungen der Jahre 2018 und 2019 besser refinanzieren zu können. Die DKG monierte zwar, dass damit nur ein Teil der mit 600 Millionen Euro zu beziffernden Tariflohnverbesserungen für die Pflege refinanziert werden, doch man nahm das Signal aus der Politik wohlwollend auf. Erstmals werden ab 2020 die Pflegekosten aus den Fallpauschalen ausgegliedert. „Das führt zu großen Verwerfungen bei vielen Krankenhäusern“, so Baum. Es gehe um etwa 15 Milliarden Euro, die über ein gesondert zu verhandelndes Pflegebudget vergütet werden. Mit den Verzögerungen beim Beschluss des DRG-Katalogs sind unterdessen neue Probleme entstanden: Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) sieht die technische Umsetzung der Ausgliederung der Pflegeanteile aus den DRG-Fallpauschalen in Gefahr. Kommt es nun nicht zu einer schnellen Einigung sei die Implementierung und Berechnung der neuen Pflegepersonalkosten mit Stichtag Januar 2020 nicht mehr zeitgerecht umsetzbar. „In weniger als drei Monaten sollen die Abrechnungssysteme im laufenden Betrieb der Klinik, sogar rückwirkend für das Jahr 2019, die auszugliedernden Pflegekosten berechnen können. Bis dato liegen weder die für die Anpassung der Softwarekomponenten erforderlichen Abrechnungsbestimmungen noch die Entgeltkataloge für 2020 vor. Dies ist eine nicht hinnehmbare Situation für die Industrieunternehmen, die dann innerhalb weniger Wochen ihre Systeme in Erwartung an eine fristgerechte Umsetzung unter Hochdruck anpassen müssen. Wir fordern die Vertragspartner auf Bundesebene dazu auf, hier schnellstmöglich zu einer Einigung zu kommen und einen Entgeltkatalog vorzulegen“, so Sebastian Zilch, Geschäftsführer des bvitg.

Gedruckt, persönlich und im All?    

Die personalisierte Medizin ist und wird immer mehr Realität. Hilft sie den Menschen auch bei Herausforderungen außerhalb der Erdumlaufbahn?

Die Arzneimittelindustrie ist ein gewaltiger Innovationstreiber in der Medizin. Für immer mehr seltene Erkrankungen gibt es inzwischen hochwirksame Präparate und für herkömmliche Präparate gibt es Nachfolgemodelle mit weniger Nebenwirkungen. Auch die individualisierte Medizin spielt eine große Rolle. Personalisierte Tabletten aus dem 3D-Drucker mit feinjustierter Wirkstoffgabe werden Realität werden. Die Mehrheit der Wirkstoffe wäre schon heute problemlos druckbar. Ausnahmen sind Antikörper und Impfstoffe, die durch die Wärme beschädigt werden würden. Professor Dr. Gerald Huber, Ex-Forschungschef bei Ratiopharm und nun für den 3D-Drucker-Anbieter DiHeSys tätig, zählte auf der XPOMET eine ganze Reihe an Einsatzmöglichkeiten für gedruckte Arzneimittel auf. Bei Kinderarzneimitteln könnte der Geschmack angepasst werden oder ein nettes aufgedrucktes Bild die Therapietreue fördern. Polymedikation von multimorbiden Menschen könne durch gedruckte Tabletten mit mehreren Wirkstoffen vereinfacht werden. Auch hier könne die Therapietreue steigen, wenn weniger verschiedene Tabletten eingenommen werden müssten. In der Onkologie und Rheumatologie wird schon heute nicht selten vor Therapiebeginn das Ansprechverhalten der Patienten auf die Arzneimittel über Gentests untersucht. Patrick Schlebrowski (Stada) geht davon aus, dass künftig sogar ein Drittel der Arzneimittel so getestet werden könne, um den Patienten vor unnötigen Nebenwirkungen zu schützen und die Therapieeffektivität zu erhöhen. Hier wird es Finanzierungsmodelle für entsprechende Tests brauchen. Von den Kassen werden diese in der Regel nicht getragen. Aktuell müssen zumeist Patienten oder Hersteller für die Kosten aufkommen.

Apropos Finanzierung. Die Kostenträger waren durch Tim Steimle, Leiter des Fachbereichs Arzneimittel bei der Techniker Krankenkasse, vertreten. Die Kassen würden Verbesserungen für die Patientenversorgung tragen, wenn der Nutzen nachgewiesen sei, so Steimle. Er ist nicht überzeugt, dass der AMNOG-Prozess den Arzneimittelinnovationen gerecht werde. Damit würden sich Einmaltherapien zum Beispiel nicht bewerten lassen. Auch für eine gedruckte Tablette mit verschiedenen Wirkstoffen, also einem Kombi-Präparat, gibt es bisher nicht wirklich ein Finanzierungsmodell. Und dann sind da noch die Haftungsfragen. Wird ein Medikament beispielsweise in der Apotheke gedruckt und wirkt durch einen Druck-/Rezeptur-/Mischfehler nicht richtig – wer haftet dann? Technisch ist folglich bereits vieles machbar. Die Regulatorik und entsprechende Finanzierungsmodelle werden wohl noch eine Weile auf sich warten lassen. Interessant werden könnten neue Lösungen im Arzneimittel-Bereich und der Telemedizin auch für die Raumfahrt. Auf der XPOMET sprach auch Dr. Jeremy Saget, französischer Luft- und Raumfahrtmediziner und Crew Commander für analoge Mars-Missionen über die medizinischen Herausforderungen bei der bemannten Raumfahrt. Während Astronauten, bei denen sich der Gesundheitszustand auf der Internationalen Raumstation ISS verschlechtert, auf die Erde zurückgeholt werden, ist eine Evakuation bei einer Mars-Mission nicht vorgesehen und kaum durchführbar. Dann muss die medizinische Crew unterwegs oder auf dem neuen Planeten in der Lage sein, medizinische Eingriffe durchzuführen und die Versorgung von auftretenden Krankheiten zu gewährleisten. Die nordamerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA hat dafür eine Liste mit Krankheiten zusammengestellt, die vermutlich am wahrscheinlichsten auftreten können. „Für die müssen wir jetzt Lösungsszenarien entwickeln“, so Saget. Ein Problem sei auch, dass ein Raumschiff nur bedingt Platz für medizinisches Equipment, Arzneimittel, OP-Roboter und Co. habe. Und dann sind da noch die Auswirkungen der Strahlung, die bisher für lange Missionen außerhalb der Atmosphäre kaum erforscht sind.

18 Milliarden Euro aus Steuern für die Pflege?    

Die Finanzierung der Pflege in Deutschland steht auf wackeligen Beinen. Die DAK-Gesundheit hat in einem neuen Report einen Reformvorschlag vorgelegt, der auf einem ansteigenden Steuerzuschuss und dem Sockel-Spitze-Tausch basiert.

Die Pflegeversicherung ist ein Pflege(not)fall. Im kommenden Jahr feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen, aber auch nach 22 Reformgesetzen ist sie alles andere als zukunftstauglich. Mit der Umsetzung der Beschlüsse zur Konzertierten Aktion Pflege (KAP) – u.a. sollen die Personalkosten in der Altenpflege (Löhne und Anpassung der Personalschlüssel) um 35 Prozent bis 2025 steigen – wird die aktuelle Finanzierungssystematik der Pflege zum sozialpolitischen Fiasko. Der Bremer Professor für Gesundheitsökonomie, Heinz Rothgang, hat vorgerechnet, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung bis 2045 von derzeit drei Prozent auf knapp 4,3 Prozent ansteigen wird, sofern eine Reform ausbleibt. Noch krasser liest sich dies in absoluten Zahlen: Der Eigenanteil würde ohne Finanzierungsreform von derzeit 800 Euro auf 1.895 Euro im Jahr 2045 steigen – unbezahlbar für die meisten Rentner und Angehörigen. „Wenn man die Sozialabgaben bei 40 Prozent deckeln will, dann treiben wir Menschen in großem Maßstab in die Sozialhilfe. Die 40 Prozent werden nicht zu halten sein. Auch die Pflegeversicherung ist dann nicht mehr haltbar, weil sie ihre zentralen Versprechen nicht mehr erfüllen kann“, so Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat akzeptiert, dass er sich mit diesem unbequemen Thema herumschlagen muss. 2020 will er sich mit der Finanzierung der Pflege ausführlich befassen. Die DAK-Gesundheit gibt ihm dafür mit dem neuen Pflegereport der Kasse einige Lektüre und Modellrechnungen an die Hand. Mit einer neuen Finanzarchitektur mit steigenden Steuerzuschüssen sollen die Eigenanteile der Versicherten bis zum Jahr 2045 gedeckelt werden können. Laut Report sei eine Eigenbeteiligung von im Bundesdurchschnitt rund 450 Euro monatlich mit dynamischer Entwicklung möglich. Das wäre weniger als im aktuellen Bundesdurchschnitt (662 Euro). Damit dies möglich ist, soll die Last stärker auf die Steuerzahler aufgeteilt werden. 2021 soll mit der Einführung eines Steuerzuschusses in Höhe von zunächst einer Milliarde Euro begonnen werden. Diese Summe soll bis 2025 schrittweise auf fünf Milliarden Euro angehoben werden. Im Jahr 2045 sollen dann sogar 25 Prozent der Leistungsausgaben durch Steuermittel abgedeckt werden, was nach heutigem Stand einer Summe von rund 18,3 Milliarden Euro entspricht.

Jetzt mal Klartext: Wie digital ist das Gesundheitswesen?    

Nehmen Sie an einer Umfrage zur Digitalisierung des Gesundheitswesens teil. Die ausgewerteten Ergebnisse werden auf dem kommenden Kongress für Gesundheitsnetzwerker vorgestellt.

Der diesjährige 14. Kongress für Gesundheitsnetzwerker 2019 hatte das forsche Motto „Digital: Total normal!“ Mit den Preisen für Gesundheitsnetzwerker wurden vor allem Vernetzungslösungen ausgezeichnet. Der Hauptpreis ging beispielsweise an die Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung (NPPV), ein Gemeinschaftsprojekt der Hamburger IVP GmbH und der Kassenvereinigung Nordrhein. Für eine möglichst engmaschige Begleitung der Patientinnen und Patienten kooperieren hier berufsgruppenübergreifend ÄrztInnen, PsychotherpeutInnen, Case Manager sowie Kliniken. Eine wichtige Rolle spielt dabei die digitale Infrastruktur; Assessment und Behandlungspfade werden über eine eAkte gemanagt.

Doch wie digital ist das Gesundheitswesen wirklich? Jedes vorgestellte digitale Projekt zeigte auch, wie weit der Weg für viele andere noch ist. Um dieser Wahrnehmung eine bessere Grundlage zu geben, bitten wir Sie, an dieser Umfrage teilzunehmen. Wie schätzen Sie den Stand der Digitalisierung in deutschen Arztpraxen, Krankenhäusern, Netzwerken ein? Die Beantwortung dauert ca. 10 Minuten, die Ergebnisse werden wir beim Kongress für Gesundheitsnetzwerker 2020 vorstellen.
https://fihc.gesundheitsnetzwerker.de/erhebung-zum-stand-der-digitalisierung

Der Kongress 2020 wird am 17. und 18. März 2020 stattfinden. Bitte merken Sie sich den Termin schon vor. Aktuelle Informationen finden Sie wie immer auf www.gesundheitsnetzwerker.de

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