Berlin-Chemie Newsletter vom 16. Mai 2018

Berlin-Chemie Newsletter vom 16. Mai 2018

  • Zulassung für den Arzt am Bildschirm
    Ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung
  • Bessere Bedingungen für Ärzte
    Notfallversorgung, Sprechstunden, Ausbildung – auf dem Ärztetag gab es viel zu bereden
  • Krankenhäuser und Digitalisierung: Es tut sich etwas
    Fehlte es bisher an passenden Strategien?
  • Es tut sich nichts
    Ein Maßnahmenpaket, das nicht sein soll
  • Arztnetze wollen mehr Versorgungsverantwortung
    Hoffen auf den Minister
  • Lebensqualität im Fokus
    Diabetes-Versorgung auf neuem Wege
  • Preis für Gesundheitsnetzwerker verliehen
    Von Praxis-Satelliten und Diabetes-Callcentern

Zulassung für den Arzt am Bildschirm

Die Aufhebung des Fernbehandlungsverbots ist beschlossene Sache. Nun sind die Landesärztekammern an der Reihe.

Online-, Video- und Telefonsprechstunden sollen künftig bundesweit auch ohne vorherigen Praxisbesuch möglich sein. Auf dem Deutschen Ärztetag wurde nun der wichtige Schritt zu mehr Digitalisierung in der ambulanten Versorgung gegangen. Mit großer Mehrheit beschlossen die Delegierten den von der Bundesärztekammer vorgeschlagenen Ausbau von Fernbehandlungen. Änderungen im § 7 Absatz 4 der (Muster-)Berufsordnung sind die Grundlage für mehr Telemedizin in Deutschland. Fernbehandlungen sollen im Einzelfall erlaubt sein, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird“. Die Neuregelung soll in die Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen werden. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein hatte bereits Mitte April 2018 beschlossen, das Verbot im Sommer abzuschaffen. Zeitgleich begann ein Modellprojekt zur Fernbehandlung, an dem sich neben dem Verband der Ersatzkassen (vdek) unter anderem die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg beteiligt hat.

Zu früh sollten jedoch noch keine Jubelstürme ausbrechen. Denn: Jetzt müssen noch die jeweiligen Landesärztekammern ihre Berufsordnung ändern. Nur diese ist rechtlich maßgeblich. Erst dann besteht eine Rechtssicherheit für Ärzte. Dem ist sich auch Professor Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, bewusst: „Der Deutsche Ärztetag hat mit seinem Votum zum Fernbehandlungsverbot erste wichtige Weichen gestellt. Jetzt muss eine bundesweit einheitliche Regelung die derzeitigen regionalen Ansätze harmonisieren.“

Mit dem Fall des Fernbehandlungsverbots wächst nun auch die Hoffnung auf eine schnellere Digitalisierung des gesamten Gesundheitswesens. Die Vorstandsvorsitzende des vdek, Ulrike Elsner, sagte diesbezüglich: „Wenn der Arzt Diagnosen per Telefon oder Video stellt, müssen zeitnah auch das elektronische Rezept (eRezept) und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) eingeführt werden. Hier ist die gemeinsame Selbstverwaltung gefordert, die nötigen Schritte einzuleiten.“

Auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, zeigte sich angesichts des Beschlusses erfreut: „Telemedizinische Angebote können, wenn sie im Einzelfall richtig eingesetzt werden, die Versorgung sinnvoll ergänzen und Patienten sowie Ärzte entlasten. Sie können ein Element einer dringend notwendigen Digitalisierungsoffensive im deutschen Gesundheitswesen sein. Das persönliche Arzt-Patienten-Gespräch bleibt auch in Zukunft der Goldstandard.“ Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft, warnte davor, die Fernbehandlung wie in anderen Ländern als Spaßmaßnahme einzusetzen. Zudem solle Fernbehandlung nicht die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens durch kapitalorientierte Gesellschaften verstärken und beispielsweise in Callcentern stattfinden, so Dietrich weiter.

Bessere Bedingungen für Ärzte

Eine gute Zusammenarbeit mit der Politik ist bei den Ärzten gewollt. Eingriffe in die Selbstverwaltung nicht.

Die Ärzte wollen mit der Politik eng zusammenarbeiten. Dieses Bekenntnis machte Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery gleich zum Auftakt des Treffens in Erfurt. Die Ärzteschaft sei bereit, bei den anstehenden Reformen Verantwortung zu übernehmen und wolle an den vorgesehenen Expertenkommissionen zur sektorenübergreifenden Versorgung sowie zu Gebührenordnungsfragen teilnehmen. „Wir brauchen hier die Expertise derjenigen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Gemeinsam mit der Politik können wir viel bewegen“, so Montgomery.

Im gleichen Maße äußern die Ärzte jedoch Kritik an den politischen Vorhaben. Als einen „noch nie dagewesenen Eingriff“ in die Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung wertete der Ärztetag beispielsweise die Pläne der Großen Koalition, die ärztliche Sprechstundenpflicht von 20 auf 25 Stunden pro Woche heraufzusetzen. Ein weiteres wichtiges Thema für die Ärzte betraf die Versorgung in Notaufnahmen. Es bedürfe einer umfassenden Neuausrichtung der vielerorts völlig überlasteten Notfallaufnahmen. Gefordert werden mehr Personal, eine bessere Vernetzung der Versorgungsbereiche sowie deren sektorenübergreifende und extrabudgetäre Finanzierung. Das jüngst verabschiedete Notfallkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses bringe jedoch weder mehr Ärzte, noch mehr Kapazitäten für notleidende Patienten. Montgomery erneuerte zudem seine Forderung an die Bundesländer, zusätzliche Studienplätze in der Humanmedizin zu finanzieren. Zudem war sich der Ärztetag einig, dass Ärzte aus Nicht-EU-Ländern das deutsche Medizin-Staatsexamen statt wie bisher eine sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung absolvieren müssen. Alle Beschlüsse im Überblick finden Sie hier.

Krankenhäuser und Digitalisierung: Es tut sich etwas

Laut den Umfrageergebnissen einer McKinsey-Tochter sind Krankenhäuser nicht gut auf den bereits begonnenen Ansturm der Digitalisierung vorbereitet. Zwei Betreiber wollten in Berlin das Gegenteil beweisen.

Der Investitionsstau bei den deutschen Krankenhäusern beträgt mehrere Milliarden Euro. Die Länder knausern, die Krankenhausgesellschaften klagen. Das Geld reicht gerade für die Instandsetzung, aber nicht für eine Modernisierung der digitalen Infrastruktur nach aktuellen Sicherheitsstandards. Und das ist gefährlich. IT-Sicherheitsberater beginnen ihre Vorträge auf Fachkongressen gerne mit erlebten Beispielen. Da gab es zum Beispiel einen IT-Berater, der sich vom Krankenhausbett aus Neugier mit einem Laptop und Netzzugang Zugriff auf Teile der Krankenhaus-IT verschaffte – ohne böse Absichten. Dass dabei aber zum Beispiel Zugriffsmöglichkeiten auf das MRT-Gerät im Keller entstanden, sollte die Betreiber beunruhigen. Auf der anderen Seite gab es in den beiden letzten Jahren eine Reihe an böswilligen Hackerangriffen auf diverse Krankenhäuser – zum Beispiel das Lukaskrankenhaus in Neuss, welches binnen Stunden ins Stift-und-Papier-Zeitalter zurückgeworfen wurde. Drei von fünf Krankenhäuser in Deutschland verfügen bisher über keine Digitalisierungs-Strategie, behauptet die McKinsey-Tochter Orphoz in ihrem Bericht „Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern: Eine Chance mit Milliardenpotenzial für das Gesundheitssystem“. Dabei braucht es nicht nur im Bereich Sicherheit eine digitale Strategie, sondern ein gesamtheitliches Konzept. „Wir sind nicht wie andere Unternehmen wie Google oder Apple ‚digital native‘, das ist nicht unser Geschäftsmodell. Wir müssen uns erst dorthin entwickeln, um zukunftsfähig zu bleiben“, betont Janine Hübner, Leiterin des Zentralen Dienstes Unternehmensentwicklung beim Gesundheitskonzern Agaplesion auf dem Kongress für Gesundheitsnetzwerker. Bei Agaplesion sind die Verantwortlichen von der eigenen Strategie überzeugt. Digitization, Digitalization und Digital Transformation lautet der Dreiklang und bedeutet: Alle Daten digital zur Verfügung stellen, digitale Prozesse gestalten, und zwar nicht nur von analog auf digital übersetzt, und zuletzt die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. „Warum sollte ein Patient, der eine Angststörung hat und lange auf einen Termin warten muss, nicht vorher mithilfe virtueller Realität eine Expositionstherapie bekommen?“, so Hübner über ein neues Geschäftsmodell. Bei den Sana Kliniken spielen, wie auch bei Agaplesion, Startups eine große Rolle. Wie Michael Rosenstock, Leiter des Sana Digital Health Office, erklärte, habe seine Abteilung in den letzten anderthalb Jahren rund 140 junge, vielversprechende Firmen und Lösungen betrachtet. 30 kamen in die engere Auswahl, mit zehn werde derzeit aktiv an Projekten gearbeitet. Weitere Startups werden derzeit noch gesichtet, so Rosenstock.

Es tut sich nichts

Erneut hat eine Menge wissenschaftlicher und medizinischer Sachverstand mehr Bevölkerungsschutz bei vermeidbaren Volkskrankheiten gefordert. Die Bereitschaft zu Maßnahmen seitens der Politik scheint aber nicht gegeben.

24. Januar 2018: Ärzteverbände und Fachgesellschaften bäumen sich, wie in den Vorjahren schon, auf und fordern konkrete Maßnahmen von der Politik gegen die offensichtliche Fehlernährung in Deutschland. Die Politik nahm dies vielleicht mit einem Schulterzucken zur Kenntnis, vermerkte den Kampf gegen ernährungsbedingte Krankheiten oberflächlich im Koalitionsvertrag. Verbindlich ist da natürlich nichts. 2. Mai 2018: Inzwischen 15 Ärzteverbände, Fachorganisationen und Krankenkassen wenden sich erneut an die Politik beziehungsweise die neue Regierung im Amtsbetrieb. Die Forderungen sind identisch, aber der politische Widerstand des entscheidenden Ministeriums ist auffällig: Eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwert-Ampel wird gefordert. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, ihr BMEL ist auch für Ernährung zuständig, lehnt dies strikt ab. Verbindliche Standards für die Schul- und Kitaverpflegung sind die zweite von vier geforderten Maßnahmen. Klöckners Vorgänger Christian Schmidt hatte den TÜV für das Schul- und Kita-Catering versprochen. Gehört hat davon nie wieder jemand. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihren Vorschlag längst auf den Tisch gelegt. Die dritte Forderung: Die Beschränkung der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung. „Kinder können im Allgemeinen nicht zwischen Werbung und Information unterscheiden. Darum sollte der Lebensmittelwirtschaft keine Werbung für Kinderlebensmittel gestattet sein – es sei denn, diese Lebensmittel entsprechen den Nährwertprofilen der WHO. Nur 10 Prozent der Kinderlebensmittel tun dies aktuell“, so Dr. Dietrich Garlichs, Beauftragter des Vorstands der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Und zu guter Letzt: Steuerliche Anreize. Obst und Gemüse will das Bündnis mit null Prozent besteuern lassen, dickmachende Lebensmittel mit 19 Prozent. Eine Zuckersteuer, in manchen europäischen Ländern bereits wieder abgeschafft, in anderen nach ersten Erfolgen bejubelt, hält Ministerin Klöckner für den falschen Ansatz. Jeder könne sich in Deutschland für wenig Geld gesund ernähren, meinte Klöckner gegenüber der Bild am Sonntag. Eine ausgewogene Ernährung sei keine Frage des Geldbeutels. Klöckner will lieber auf eine bessere Ernährungsbildung von der Kita an setzen. Bei den Erwachsenen in Deutschland gelten 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen als übergewichtig sowie 23 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen als adipös – so das Robert-Koch-Institut. Dieses hat mit der zweiten Welle der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) zudem 15,4 Prozent der Kinder als übergewichtig und 5,9 Prozent davon sogar als adipös eingeordnet. Zukunftsorientierte Maßnahmen sind gut – eine Lösung für ein gegenwärtiges Problem sind sie aber in keinerlei Hinsicht.

Arztnetze wollen mehr Versorgungsverantwortung

Die Agentur Deutscher Arztnetze will mehr Verantwortung in der regionalen Versorgung strukturschwacher Gebiete übernehmen. Sie fordern Sonderregelungen und mehr Kompetenzen.

Innovative Lösungen werden im hiesigen Gesundheitssystem allerorts in einem begrenzten Raum entwickelt und ausprobiert. Mit dem Innovationsfonds gab es einen gewaltigen Schub an Modellprojekten. Aufgrund ihrer Struktur dienen Arztnetze oft als Versuchslabore – vor allem bei Selektivverträgen und Projekten wie Arena (Antibiotika-Resistenzentwicklung nachhaltig abwenden). „Arztnetze verstehen sich als Innovationstreiber. Das waren sie immer und das sollten sie auch weiter sein“, erklärte Dr. Thomas Kriedel, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, unlängst in Berlin. Doch das reicht den Arztnetzen nicht mehr. Sie wollen aus dem Schatten. Ihr Aufgabengebiet sei die lokale Versorgung und in strukturschwachen Regionen wollen sie mehr Verantwortung übernehmen. Vor der Bundestagswahl forderte die Agentur Deutscher Arztnetze in einem Grundsatzpapier (Juli 2017) den Leistungserbringerstatus nach Paragraf 87b SGB V für anerkannte Netze. So könnten dann Arztsitze aufgekauft und Ärzte angestellt werden. Letzteres wollen die Arztnetze immer noch. Arztnetze brauchen die Gründereigenschaft der MVZs und die Möglichkeit eigene Ärzte anzustellen, so Dr. Veit Wambach, Vorstandsvorsitzender der Agentur deutscher Arztnetze in Berlin. Auf selbiger Veranstaltung warnte Wambach nun aber vor dem Leistungserbringerstatus, weil daraus resultierende Pflichten für die Netze bisher nicht klar seien. Immerhin: Spahn habe eine Berücksichtigung der Arztnetze in dieser Legislatur bereits zugesichert, so Wambach. Nur in welcher Form? Das ist noch offen.

Lebensqualität im Fokus

Die Behandlung von Diabetes wird immer besser, immer patientenorientierter. Diabetes wird gleichzeitig zu einer zunehmend größeren Herausforderung. Das Thema Lebensqualität spielt eine immer größere Rolle, zeigte der Diabetes-Kongress 2018.

In Deutschland sind mehr als sechs Millionen Menschen von Diabetes mellitus betroffen. Das geht aus Zahlen des Robert Koch-Instituts (2012) hervor. Seit 1998 ist die Anzahl der Erkrankten um 38 Prozent gestiegen. Von dieser enormen Steigerung sind nur 14 Prozent altersbedingt. Jedes Jahr kommen etwa 270.000 Neuerkrankungen hinzu. Bis 2030 wird mit einem Anstieg auf acht Millionen Erkrankte gerechnet. Mit Diabetes lässt sich heute deutlich länger leben als früher. In Deutschland ist die Hälfte aller Menschen mit Typ-2-Diabetes über 65 Jahre alt. Zudem sind mehr als 100.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes hierzulande mittlerweile älter als 70 Jahre. Wer Diabetes hat, leidet häufig auch an weiteren chronischen Erkrankungen und Funktionsstörungen. Bislang sei in der evidenzbasierten Medizin bei der Beurteilung von Behandlungen ein Fokus vor allem auf Behandlungsergebnisse mit „harten Endpunkten“, das heißt Verbesserung des Langzeitüberlebens und die Verminderung von krankheitsbedingten Komplikationen, gelegt worden, so Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Past Präsident und Pressesprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Bei Diabetes sind dies zum Beispiel kardiovaskuläre Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, plötzlicher Herztod, Amputationen, Erblindung, Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit. Moderne effektive Behandlungsverfahren würden heute ein deutlich längeres „progressionsfreies“ Leben mit der Erkrankung ermöglichen. In der Diabetes-Versorgungsforschung müsse die Lebensqualität der Patienten künftig eine größere Rolle spielen.

Eine zentrale Erfassung der Erkrankungsverläufe und deren Behandlung wäre sowohl aus medizinischer Sicht, aus Sicht der Versorgungsstrukturen, aber auch aus gesundheitspolitischer Sicht sehr hilfreich, meint deshalb Universitätsprofessor Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg. Während es in einigen skandinavischen Ländern gesetzliche Vorgaben zur Erfassung der Daten in einem nationalen Register gibt, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Registerdaten könnten über die Erkenntnisse aus randomisierten, prospektiven Studien hinaus, wertvolle Informationen zur Versorgung von Menschen mit Diabetes liefern, ist die Fachgesellschaft überzeugt. Mit der „Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV)“ und der „Diabetes-Versorgungs-Evaluation (DIVE) gibt es zwei deutschlandweite Register, die zusammen rund 80.000 Typ-1-Diabetiker und rund 400.000 Typ-2-Diabetiker abbilden. Erste Analysen aus diesem Datenpool hätten auf regionale Versorgungsunterschiede hingedeutet. Um repräsentative Aussagen für Deutschland flächendeckend und im langfristigen Verlauf zu erheben, ist jedoch langfristig der Aufbau eines Nationalen Diabetes-Registers unbedingt notwendig, meinen Gallwitz und Kollegen.

Preis für Gesundheitsnetzwerker verliehen

Auf dem 13. Kongress der Gesundheitsnetzwerker in Berlin wurden drei Projekte mit dem Preis für Gesundheitsnetzwerker ausgezeichnet.

13 Projekte hatten es in die Shortlist geschafft. In der Kategorie Idee wurde das Projekt “DiMed“ der Hausärzte Wehrheim, Hessen, etwa 35 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt, ausgezeichnet. Diese wollen die wohnortsnahe Versorgung von Patienten sicherstellen. Dafür sollen an ein regionales Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mehrere dezentrale Praxissatelliten angeschlossen werden. In diesen Satelliten arbeiten nichtärztliche Praxisassistenten (NäPa), welche Untersuchungen vorbereiten können und per Videosprechstunde den direkten Kontakt zum Hausarzt oder zu Fachärzten herstellen können. Tile von Damm, einer der Gründer von DiMed, erklärt: „Nur bei Bedarf muss die direkte Vorstellung in der Präsenzpraxis erfolgen. Sie werden mit DiMed auch weiterhin von dem Hausarzt betreut, den Sie kennen. Kein Hausarzt aus Hamburg betreut per Videosprechstunde Patienten in Hessen.“ In den Praxissatelliten soll es neben Nachkontrollen inklusive Arztschau per Video auch Verbandswechsel und Anleitungen zu Insulinpens und anderen gängigen medizinischen Hilfsmitteln geben.

Das Deutsche Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung (DITG) freute sich über die Auszeichnung in der Kategorie Umsetzung. “TeLiPro 2.0“ heißt das Projekt, das DITG-Geschäftsführer Bernd Altpeter knapp als „Callcenter für Typ-2-Diabetiker“ bezeichnet. Das Ziel von TeLiPro ist das sektorenübergreifende Krankheitsmanagement durch die Vernetzung von Hausärzten, Diabetologen und Diabetesberatern. Weil die Patientenführung heute viel zu kurz komme, so Altpeter, setzt das Projekt auf individuelles Coaching und persönliche Interventionspfade. Die Kontrolle des medizinischen Outcomes macht eine Datenanalyse möglich.

Rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind von Demenz betroffen. 2050 könnten es schon drei Millionen Menschen sein. Den Bedürfnissen von Demenzkranken widmete sich der zweite Sieger in der Kategorie Umsetzung. Das Projekt “SEBKam“, Sektorübergreifender Einsatz von Betreuungskräften an der Schnittstelle von Krankenhaus und ambulanter Versorgung, setzt darauf, dass Demenzkranke, die bereits in der eigenen Häuslichkeit Betreuungsleistungen erhalten, diese bei Einlieferung in ein Akutkrankenhaus mitnehmen können. Auf diese Weise sollen die Patientensicherheit und die Lebensqualität Demenzkranker während ihres Krankenhausaufenthaltes gesteigert und ihr Risiko von Komplikationen reduziert werden. Ziel ist es, die demenzkranken Patienten wieder in ihre Häuslichkeit und nicht in eine stationäre Pflegeeinrichtung zu entlassen. Erprobt wird SEBKam durch das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken bis Ende März 2020. Die Jury hebt hier vor allem die Betreuung über die Grenzen von SGB-V- und SGB-XI-Leistungen hervor.

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