Berlin-Chemie Newsletter vom 03. Juni 2019

Berlin-Chemie Newsletter vom 03. Juni 2019

  • Auch Buh-Rufe für Spahn: Ärzte gegen Abbau der Selbstverwaltung
    Kritik und klare Positionierung der Mediziner beim 122. Deutschen Ärztetag
  • Dr. Klaus Reinhardt ist der neue Bundesärztekammer-Präsident
    Niederlage für den Marburger Bund
  • Sektorengrenzen adé
    Bund-Länder-AG legt Ideen vor
  • Alle warten auf die Revolution
    Hauptstadtkongress unter dem Motto Digitalisierung
  • Digitalisierung braucht mehr Allianzen
    Angebote sind oft digitale Grenzgänger
  • Steuerliche Forschungsförderung wird Realität
    Hohe Erwartungen, kleine Freude
  • Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft wird teuer
    Der Strukturfonds ist zu klein für den Bettenabbau
  • Kosten für Heilmittel steigen
    DIE LINKE will die Reißleine ziehen

Auch Buh-Rufe für Spahn: Ärzte gegen Abbau der Selbstverwaltung    

Die Eröffnung eines Deutschen Ärztetages ist für jeden Gesundheitsminister eine Herausforderung. Deutschlands Mediziner zeigten in Münster, dass sie mit der Gesundheitspolitik in mancherlei Hinsicht nicht zufrieden sind. Jens Spahn warb für den Dialog zwischen Ärzten und Gesundheitspolitik.


Die Eröffnung des 122. Deutschen Ärztetages in Münster durch die Trommlergruppe „Fascinating Drums“ stimmte die über 200 anwesenden Mediziner, vor allem aber den obligatorisch anwesenden Gesundheitsminister Jens Spahn, mit harten Beats auf das ein, was dann auch kommen sollte. Deutliche Buh-Rufe erntete Spahn für seine Eingriffe in die Arbeit der Selbstverwaltung. „Wir lehnen besonders den Abbau der Selbstverwaltung bis hin zur Rolle der Ärzte als Auftragsbearbeiter ab“, so der westfälisch-lippische Ärztekammerpräsident Dr. Theodor Windhorst in seiner kritischen Eröffnungsansprache. Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit ohne Fremdbestimmung seien der einzige Weg zu einer Arzt-Patienten-Beziehung ohne Fremdbestimmung. Diese Vertrauensbeziehung sei funktionierendes Gemeinwohl. Immer neue Gesetze ohne die Wirkung abzuwarten – 146 in den letzten zwölf Jahren – seien der falsche Weg. „Würde das Gesundheitswesen von der Gesundheitspolitik abhängen“, so zitierte Windhorst einen Systemforscher, „wären wir längst ausgestorben“. Doch auf Kritik hatte sich der Minister, der bei seiner Rede für einige Augenblicke plötzlich ohne Licht und funktionierendes Mikrophon dastand und in der Dunkelheit seelenruhig weiterredete, eingestellt. Spahn mahnte immer wieder den Disput und Dialog zu seiner Gesetzesflut an. Auch wusste Spahn die Ärzte bei Themen wie der Widerspruchlösung zur Organspende oder der Impfpflicht bei Masern – beides begrüßen viele Ärzte - abzuholen. Der Minister blieb in seiner Replik eher moderat. „Ich bin der erste Minister seit 20 Jahren, der mehr Geld für Leistungen umgesetzt hat“, verwies Spahn auf die positiven Seiten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Sein Tempo bei den Vorhaben, insbesondere bei der Digitalisierung, würde auch dem Bemühen gelten, sich nicht dem Tempo von Google, Apple und Co. zu unterwerfen, sondern „unsere Ideen im Sinne eines europäischen Bürgerbildes umzusetzen“. Der scheidende Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery entgegnete dazu: „Eine Kommerzialisierung der ärztlichen Tätigkeit muss, wenn überhaupt, den Regeln der Ökonomie verpflichtet sein. Aber niemals dem Merkantilismus“. Montgomery, inzwischen auch Präsident des Welt-Ärztebundes, widmete seine Ausführungen vorrangig internationalen Betrachtungen. Vor allem die Erwartung an europäische Institutionen, sich wieder auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und die Subsidiarität der Länder zu achten, stellte er in den Fokus. Aber auch Montgomery führte einige Kritikpunkte zur nationalen Politik an. Das schleichende Ausbooten der Selbstverwaltung bezeichnete er als einen Angriff auf die Ärzteschaft. Dazu zählte er die Mehrheitsübernahme bei der Gematik durch das BMG aber auch die Regelungen durch das TSVG. „Wir Ärzte fühlen uns, als ob man uns in ein Hamsterrad steckt, das man bei vollem Lauf bremst, um uns dann Versagen vorzuwerfen“, so Montgomery, der von den Delegierten zum Ehrenpräsidenten der BÄK ernannt wurde. Er bemängelte viele aktuelle Gesetzesvorhaben, vor allem die Regelungen zur Psychotherapeutenausbildung, die aus der ärztlichen Professionalität heraus so nicht akzeptabel seien.

Reichlich Beifall erhielt der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der den Aufbau neuer medizinischer Fakultäten in NRW mit jährlich mehr als 400 zusätzlichen Studienplätzen verkündete. Auch die Krankenhausplanung werde er in den nächsten Jahren straffen und dabei ärztliche Versorgung durch die Beseitigung von Doppelstrukturen stärken. Laumann gab ein klares Bekenntnis ab: Der kranke Mensch sei kein Kunde, sondern ein hilfesuchender Mensch und so sei er auch zu behandeln.
 

Dr. Klaus Reinhardt ist der neue Bundesärztekammer-Präsident    

In einer knappen Wahl über drei Runden setzt sich der Vorsitzende des Hartmannbunds durch.


Lange hat es gedauert: Erstmals seit 41 Jahren steht mit Dr. Klaus Reinhardt wieder ein niedergelassener Arzt an der Spitze der deutschen Ärzteschaft. Der 59-jährige Facharzt für Allgemeinmedizin und Vorsitzende des Hartmannbundes tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery an, der das Amt des BÄK-Präsidenten acht Jahre lang bekleidete und Ende April 2019 zum Vorsitzenden des Weltärztebundes gewählt wurde. In der Stichwahl im dritten Wahlgang konnte sich Reinhardt mit 124 zu 121 Stimmen gegen die bisherige BÄK-Vizepräsidentin und amtierende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Martina Wenker, durchsetzen. Nach den ersten beiden Durchgängen hatten zunächst Berlins-Ärztepräsident Dr. Günther Jonitz und anschließend der bayerische Kammerchef Dr. Gerald Quitterer ihre Kandidatur aufgrund großen Rückstands zurückgezogen. Für den Marburger Bund (MB) ist das Ergebnis eine deutliche Niederlage. Die Ärzte-Gewerkschaft hatte sich öffentlich wiederholt für Wenker, Fachärztin für Innere Medizin, starkgemacht. Als Trost kann sich der Marburger Bund über zwei Plätze im Vorstand freuen: Die Delegierten wählten als die beiden „weiteren Vorstandsmitglieder“, also jene, die nicht einer Ärztekammer vorstehen und über diese Funktion bereits im BÄK-Vorstand sind, die MB-Vorsitzende aus Hessen, Dr. Susanne Johna, und den MB-Vorsitzenden von Berlin/Brandenburg, Dr. Peter Bobbert. Johna ist bereits seit 2016 im BÄK-Vorstand; für Bobbert ist es die erste Wahl in das Gremium. Als Stellvertreter Reinhardts wurden die Bremer Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter, Präsidentin der Ärztekammer Bremen, und die HNO-Ärztin Dr. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen, zu den Vizepräsidentinnen der BÄK gewählt.

Der neue BÄK-Präsident Reinhardt ist seit 2005 Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (KVWL), seit 2011 Bundesvorsitzender des Hartmannbundes und in einer Bielefelder Praxis tätig. In der BÄK war er bereits seit 2015 Mitglied im Vorstand und ein Jahr darauf als Ausschussvorsitzender für die Gebührenordnung tätig.
 

Sektorengrenzen adé    

Auf der gesundheitspolitischen Agenda von Minister Jens Spahn steht die Überwindung der Sektorengrenzen. Jetzt gibt es einen ersten Plan, wie dabei vorgegangenen werden kann.


Es wird das nächste Großprojekt für Gesundheitsminister Jens Spahn – die Überwindung der Sektoren im Gesundheitswesen. Den Anfang dafür stellt die Notfallversorgung dar. In einem neuen Arbeitsentwurf für ein Eckpunktepapier der Bund-Länder-AG „Sektorenübergreifende Versorgung“ heißt es dazu: „Die Weiterentwicklung der Notfallversorgung unter Einbeziehung des Rettungsdienstes ist von besonderer gesundheitspolitischer Bedeutung. Aufgrund des akuten Handlungsbedarfs wird diese Thematik deshalb prioritär und separat von den Diskussionen und Arbeitsergebnissen der Bund-Länder-AG erarbeitet. Das BMG bereitet auf Grundlage der im Dezember 2018 präsentierten Eckpunkte aktuell einen Arbeitsentwurf vor.“

In einem zweiten Punkt in dem Arbeitsentwurf geht es um die ambulanten Versorgungsaufträge für stationäre Einrichtungen. Hier sind die Länder gefragt, denen erweiterte Gestaltungsspielräume für die Organisation und Ausgestaltung gegeben werden sollen. Drei Optionen gibt es laut Arbeitsentwurf hierfür: Ein Krankenhaus, das für die stationäre Versorgung nicht mehr erforderlich ist, könnte in ein ambulantes Gesundheitszentrum umgewandelt werden. Zweites Szenario: Sicherstellungshäuser können mit Hilfe des Krankenhausstrukturfonds in ein ambulant-stationäres Gesundheitszentrum umgebaut werden. Letzte Option wäre für die Länder, auch anderen Krankenhäusern ambulante Versorgungsaufträge zu erteilen, ohne dass sie in Zentren umgewandelt werden müssen.

Um einen gemeinsamen fachärztlichen Versorgungsbereich zu schaffen, sollen die Vertragspartner auf Bundesebene – namentlich KBV, GKV-SV sowie DKG – dazu verpflichtet werden, einheitliche Vorgaben zur Qualität, Struktur, Dokumentation, Mindestmengen, Vergütung und zur informationstechnischen Ausstattung zu erarbeiten. Ziel ist die Festlegung der sektorenübergreifenden Behandlungsleitlinien für die Versorgung der Patienten. Den jeweiligen Planungszuständigen im ambulanten Bereich – die Kassenärztlichen Vereinigungen – und im stationären Bereich – die Länder – wird die Aufgabe zugewiesen, Leistungen des gemeinsamen Versorgungsbereichs bei ihren jeweiligen Planungen zu berücksichtigen. Nicht zuletzt bekommen die Hausärzte eine besondere Rolle bei der sektorenübergreifenden Versorgung zugewiesen. Sie sollen zu einer Art Koordinierungsstelle werden.
 

Alle warten auf die Revolution    

Gesundheitsminister Jens Spahn brachte zum diesjährigen Hauptstadtkongress jede Menge Diskussionsstoff mit. Im Mittelpunkt stand sein Digitales Versorgungs-Gesetz (DVG).


In Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen hechelt Deutschland vielen anderen Ländern immer noch hinterher. Dabei beschleunigt Minister Jens Spahn, wo er nur kann. Dafür erntet er Kritik und Anerkennung gleichermaßen. Bei der Eröffnung des Hauptstadtkongresses jedoch konnte sich der Minister über Lobeshymnen freuen. Ein „hochaktiver Politiker“ sei er, meint Prof. Roland Eils vom Berliner Institut für Gesundheitsversorgung. Dennoch könne auch Spahn keine Wunder bewirken; von einer digitalen Revolution würde Eils daher nicht sprechen.

Auch der Minister selbst spricht lieber von einer Evolution. Ein Schritt müsse dem anderen folgen, um ans Ziel zu kommen. Dass seine Widersacher immer wieder sein Vorgehen kritisieren, blendet Spahn aus. Irgendwo müsse man ja anfangen, hält er entgegen. Mit Nachdruck betont er hingegen, dass er Gesundheit und Pflege besser machen wird und mit seiner Politik, Vertrauen erhalten und an den Stellen zurückzugewinnen will, wo es verloren gegangen ist. Dazu will er auch weiterhin die konstruktiv-kontroverse Debatte suchen. „Wichtig ist mir, dass die Debatten am Ende zu einem Ergebnis führen“, so Spahn, der dabei auf die Widerspruchslösung zur Organspende oder die Masernimpfpflicht blickt, die er im Sinn hat.

Er wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, die Selbstverwaltung zu entmachten. Er gebe ihr, ganz im Gegenteil, mit jedem neuen Gesetz neue Aufgaben. In der Digitalisierung ist gerade das höchste Tempo geboten, meint Spahn. Die elektronische Patientenakte müsse bis zum Jahr 2021 stehen. „Ich möchte einfach nicht warten, bis das alles irgendwie kommt – aus den USA oder, noch viel problematischer, aus China“, sagte Spahn mit Verweis auf Google & Co sowie auf einen Datenschutz, der nicht viel mit dem in Deutschland gemeinsam hat. Jeder Patient entscheide selbst, welcher Arzt seine Daten einsehen könne und welche Daten er freigebe. „Die Hoheit liegt beim Patienten“, betonte der Bundesgesundheitsminister. Allerdings musste er einräumen, dass die Datenfreigabe zunächst noch nicht arztspezifisch vorgenommen werden kann.
 

Digitalisierung braucht mehr Allianzen    

Am Leitfaden Prävention wird das Tempo der Digitalisierung deutlich.


Wie in allen anderen Bereichen des Gesundheitswesens, wird auch bei der Prävention von Krankheiten über digitale Möglichkeiten und Lösungen diskutiert. „Digitalisierung in der Prävention muss niedrigschwellig und jederzeit abrufbar sein“, meinte Frank Michalak, Vorstand der AOK Nordost, unlängst auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress. Prävention sei vor einigen Jahren mit Einladungen zu Raucherentwöhnungskursen per Brief begonnen worden. Durch die Einführung von Live-Online-Seminaren und diversen Apps sei das Gesundheitswesen inzwischen ein ganzes Stück weiter, so Michalak weiter. Er finde es deshalb bemerkenswert, dass der Leitfaden Prävention – die aktuelle Fassung ist aus dem Oktober 2018 – zwar relativ neu sei, und dennoch „nach der Umsetzung der aktuellen Gesetze wohl veraltet sein wird“. Der Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes ist in §20 und §20a SGB V verankert und umfasst die Themen Ernährung, Suchtmittelkonsum, Bewegung, Stressmanagement. Eine zeitnahe Modernisierung sei aus Sicht des Kassenvertreters notwendig. Die Kassen seien, so ist Michalak überzeugt, in der Verantwortung, die digitale Gesundheitskompetenz über Kurse und Schulungsangebote zu fördern. Anderenfalls sei digitale Prävention nicht sinnvoll. In einer alternden Gesellschaft dürfe vor allem ein großer Versorgungsbereich nicht vergessen werden: „Das Gesundheitssystem hat Prävention in der Pflege derzeit nicht so sehr im Fokus, aber das wird ein ganz entscheidendes Thema sein, bei dem wir mit den entsprechenden Angeboten auf dem Markt sein müssen, um eine Unterstützung bieten zu können.“

Weil schon zeitnah mit vielen Angeboten in diversen Gesundheitsbereichen durch amerikanische Tech-Konzerne wie Amazon, Apple, Facebook und Google gerechnet wird, sieht das Bundesministerium für Gesundheit eine große Notwendigkeit zu mehr Zusammenarbeit. „Wir, also alle Player des Gesundheitswesens, müssen trotz Wettbewerbs mehr Allianzen schließen“, äußerte Christian Klose, ständiger Vertreter der Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Berlin.

Dass digitale (Präventions-)Angebote stets mit der Erbringung überzeugender Evidenz zu kämpfen haben, soll bald der Vergangenheit angehören. Es gebe immer mehr Publikationen zu digitalen Anwendungen, betonte Christian Lautner, Mitgründer und CEO des Flying Health Incubators. Auch Innovationsfondsprojekte seien auf mehrere Jahre angelegt, weil Studien nun mal dauern würden. Manche Anwendungen, so auch eine App zur Identifikation von Herzrhythmusstörungen, seien inzwischen beim Thema Evidenz „stark aufgestellt“. Lautner wies ferner darauf hin, dass regionale Grenzen und Sektorengrenzen für digitale Anwendungen keine große Relevanz haben. Eine Migräne-App werde so zum Beispiel bei Prävention, Diagnose und Therapie gleichzeitig eingesetzt.
 

Steuerliche Forschungsförderung wird Realität    

Das Bundeskabinett hat das Gesetz zur steuerlichen Forschungs- und Entwicklungs-Förderung beschlossen. Nicht alle Inhalte freuen die Industrien.


Dass eine FuE-Förderung über Steuermittel sinnvoll ist, haben Industrienationen wie die USA, China, Japan, Frankreich und Großbritannien längst erkannt. Die technische, pharmazeutische und digitale Entwicklung zieht das Tempo von Jahr zu Jahr weiter an. Mehr Rechenleistung ermöglicht immer schnelleren Fortschritt. Investitions- und Innovationsanreize sichern mittel- und langfristig die Wirtschaftsstandorte und sorgen dafür, dass Forschung im eigenen Land bleibt. Hier zieht Deutschland nun nach. Ab dem kommenden Jahr, 2020, sollen die entsprechenden Instrumente hierzulande scharf geschaltet werden. Der Gesetzgeber schreibt in seiner Begründung zum „Forschungszulagengesetz – FzulG“, dass mit der steuerlichen FuE-Förderung „zusätzliche private FuE-Investitionen“ ausgelöst werden sollen. Die Bundesregierung, so steht es in einem Papier des Bundesministeriums für Finanzen (BMF), hat sich das Ziel gesetzt, gemeinsam mit Ländern und Wirtschaft bis 2025 den Anteil der Ausgaben für FuE auf mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Mit der neuen Regelung, die prinzipiell Unternehmen jeder Größe offen steht, sollen vor allem „kleine und mittelgroße Unternehmen“ angesprochen werden. Dort sieht die Bundesregierung ein erhebliches Steigerungspotential. Auflagen gibt es jedoch einige. Ein Vorhaben kann dann gefördert werden, wenn es einer oder mehreren Kategorien aus Grundlagenforschung, angewandter Forschung oder experimenteller Entwicklung angehört. Die Entwicklung eines Produktes zur Marktreife kann also nicht begünstigt werden. Neben einzelnen Anspruchsberechtigten können an dem Programm, für das die Bundesregierung eine Summe von 5 Milliarden Euro von 2021 bis 2024 vorsieht, auch Forschungsverbünde und Kooperationen gefördert werden. Seitens der Regierung heißt es, dass es in der Verantwortung der nächsten Bundesregierung und des nächsten Bundestags liege, aufgrund der Evaluierungsergebnisse über die Fortführung der Förderung zu entscheiden. Den großen Geldsegen darf die Industrie dennoch nicht erwarten. Denn die Bemessungsgrundlage ist auf maximal zwei Millionen Euro pro Anspruchsberechtigtem im Wirtschaftsjahr begrenzt worden. Auch können verbundene Unternehmen dies nur einmal in Anspruch nehmen. Die Forschungszulage beträgt dann 25 Prozent dieser Bemessungsgrundlage. Die festzusetzende Forschungszulage kann damit höchstens 500.000 Euro für einen Anspruchsberechtigten je Wirtschaftsjahr betragen.

Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, äußerte, dass das maximale Volumen von zwei Millionen Euro pro Unternehmen „weit hinter den Erwartungen zurückhänge“. Er hoffe, dass dieser Betrag nach oben korrigiert werde, sobald eine aussagekräftige Evaluierung der Fördermaßnahmen vorliege. Auch der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) schlägt in diese Kerbe: Die vorgesehene Fördergrenze müsse nach der Evaluation „auf den Prüfstand gestellt werden“, so VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger. Mit Blick auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen bewertet es der Verband jedoch als enttäuschend, dass der Regierungsentwurf keine Förderung des Auftraggebers vorsieht, wenn er Forschungsaufträge an Dritte vergibt. Positiv sei hingegen, dass die ursprünglich erwogene Befristung der Forschungsförderung vom Tisch sei.
 

Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft wird teuer    

Der alljährliche Krankenhausratingreport zeigt: Mehr als ein Drittel der Krankenhausstandorte erwirtschaftet Verluste.


Die Länder kommen ihren Investitionen nicht ausreichend nach und nun gingen zudem im Jahr 2017 erstmals die stationären Fälle um 0,5 Prozent zurück. Da überrascht es kaum, dass sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser laut Krankenhausratingreport 2019 im Jahr 2017, dem Reportjahr, verschlechtert hat. 12 Prozent der Krankenhäuser sollen von einer erhöhten Insolvenzgefahr bedroht gewesen sein, weitere sieben Prozent von einer mittleren. Mehr als ein Viertel der Krankenhäuser (28 %) schrieb 2017 auf Konzernebene einen Jahresverlust. Weiter aufgeschlüsselt auf die Standorte verdüstert sich das Bild weiter: Knapp 37 Prozent der Standorte sollen einen Verlust erwirtschaftet haben. Datengrundlage des Reports ist eine Stichprobe von 466 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2016 und 84 Abschlüssen aus 2017, die insgesamt 877 Krankenhäuser umfassen und von Prof. Dr. Boris Augurzky (RWI Essen) und weiteren Wissenschaftlern ausgewertet wurden. Das große Krankenhaussterben blieb aus: 2017 gab es 1.942 Häuser und somit 0,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Mit den Schließungen ging auch die Zahl der verfügbaren Betten um 0,3 Prozent zurück. Die Bettenüberkapazitäten könnten laut den Wissenschaftlern von derzeit 9 Prozent auf 13 Prozent in 2025 wachsen. Die Experten empfehlen daher einen Bettenabbau. Dieser könnte dadurch möglich werden, dass bereits jetzt rund 70 Prozent der 69 Millionen Krankenhausfälle pro Jahr ambulante Fälle sind – folglich knapp 8 Prozent der Arztkontakte in der ambulanten fachärztlichen oder 5 Prozent in der gesamten ambulanten Versorgung. Die Ambulantisierung der Versorgung wird den Krankenhausbereich vermutlich mit großer Wucht treffen. Augurzky und Co. berechneten für den Abbau eines einzigen Krankenhausbettes beziehungsweise die Umstrukturierung an eine andere Stelle Kosten für die GKV-Beitragszahler in Höhe von 155.000 Euro. Zwar gibt es einen Krankenhausstrukturfonds, der bei der Marktbereinigung im Bettenangebot deutscher Kliniken helfen soll. Dieser ist mit einem Volumen von einer Milliarde Euro aber zu klein - gemessen an den Anträgen, die bei den Bundesländern eingingen, sogar zweifach überzeichnet. Die Autoren sehen einen Bedarf von 11 Milliarden Euro für eine sinnvollere Verteilung der Bettenkapazitäten. Laut Report müsse deshalb über eine Umstrukturierung des Krankenhausstrukturfonds nachgedacht werden. Die Autoren können sich unter anderem eine Finanzierung über Steuermittel vorstellen.
 

Kosten für Heilmittel steigen    

Zuzahlungsregelungen sind laut Bundesregierung „sachgerecht“. DIE LINKE jedoch will sie abschaffen und verweist auf die deutlichen Kostensteigerungen.


Die GKV-Ausgaben für Heilmittel sind von 2016 bis 2018 um knapp 16 Prozent gestiegen. 668 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr nach vorläufiger Schätzung bundesweit an Zuzahlungen aufgewendet und von den Versicherten alleine getragen. Zu viel, meint DIE LINKE, die die Zuzahlungen abschaffen will. „Die bestehenden Zuzahlungsregelungen im Heilmittelbereich mit einer Trennung von ‚Zuständigkeit‘ der Krankenkassen und einem ‚Bereich der Eigenverantwortung’ der Versicherten zu begründen, ist absurd. Denn Menschen, die eine Physiotherapie oder eine Ergotherapie von ihrem Arzt verordnet bekommen, haben einen entsprechenden Bedarf. Eigenverantwortung heißt hier, die Versicherten noch einmal zusätzlich zur Kasse zu bitten. Schlimmstenfalls werden sie durch die Zuzahlungen von einer notwendigen Behandlung abgehalten. Das muss aufhören“, erklärt Achim Kessler, Sprecher für Gesundheitsökonomie und Obmann im Ausschuss für Gesundheit der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion geht zudem hervor, dass die Ausgaben für Heilmittel und damit auch die Zuzahlungen weiter steigen werden. Die Ursache für den starken Kostenanstieg begründet die Bundesregierung mit Maßnahmen, die zu Vergütungssteigerungen der Leistungserbringer im dreistelligen Millionenbereich geführt hätten. Mit der im TSVG vorgesehenen bundesweiten Angleichung der Preise für Heilmittel werden weitere Vergütungssteigerungen erwartet. Allein dafür sei ab 1. Juli 2019 mit Mehraufwendungen für die GKV in Höhe von rund 300 Millionen Euro zu rechnen, in den Folgejahren seien es jeweils rund 600 Millionen Euro mehr.

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